Im Brennpunkt

Architektur und Tischlerhandwerk: Die perfekte Ergänzung?

16.10.2024

Eine komplexe Beziehung: Handwerk und Architektur sind intensiv miteinander verbunden, die Zusammenarbeit zwischen Tischler*innen und Architekt*innen läuft allerdings nicht immer friktionsfrei. Das Tischler Journal fragt nach, wo sich die Berufe perfekt ergänzen und in welchen Punkten es nachzubessern gilt.

Klischee, Klischee? „Ich habe die Arroganz auf beiden Seiten erlebt, tatsächlich läuft es nicht immer friktionsfrei. Allerdings spüre ich schon, dass die Generation, die jetzt sukzessive in diesen Berufen nachrückt, mehr Verständnis hat. Und damit funktioniert das Zusammenspiel zwischen Architektur und Tischlerei gleich besser“, sieht Christian Roither die Verantwortung hier wie dort. Er weiß aufgrund seiner Ausbildungen, wovon er spricht: Nach der HTL für Innenarchitektur und Holzgestaltung in Hallstatt zog es ihn nach Wien an die technische Universität (TU) zum Architekturstudium. Nach dem Studienabschluss sammelte er praktische Architektur-Erfahrungen, bevor er 2016 gemeinsam mit seinem Bruder in fünfter Generation die Möbeltischlerei Roither in Gampern in Oberösterreich übernahm.

Ganzheitlicher Blick

„Die Kombination meiner Ausbildungen ermöglicht mir einen ganzheitlichen Blick auf den Planungsprozess“, sagt Christian Roither, GF Roither – Tischlerei Architektur. © Lana Yanovska, Tischlerei Roither

„Die Kombination meiner Ausbildungen ermöglicht es mir, einen ganzheitlichen Blick auf den Planungsprozess von Gebäuden zu werfen und Projekte stilistisch durchgängig zu realisieren. Mir ist wichtig, dass sich ein Konzept in Sachen Materialien, Farben und Formgebung wie ein roter Faden durchs Gebäude zieht. Die Synergie ergibt sich für mich dadurch, dass ich sowohl räumliches Denken als auch die Materialkunde von der Pike auf gelernt habe“, so der 38-Jährige. Von Kund*innen werde das durchaus geschätzt. „Unsere Zusatzqualifikation, die sich auch im adaptierten Firmennamen „Roither Tischlerei – Architektur“ findet, hat uns schon einige Aufträge gebracht.“

Auffassungsunterschiede – ja oder nein?

„Bei uns im Betrieb gibt es keine Auffassungsunterschiede. Ich bin einfach ein Teil des Teams, ich bringe meine Expertise ein und sehe die Möbelproduktion in die Gesamtheit eingebettet. Bei der Arbeit mit externen Architekten gibt es aber durchaus Reibepunkt“, gesteht Christian Roither ein. „Aber da ich beide Seiten kenne, habe ich ein gewisses Verständnis entwickelt“. Zum Beispiel dafür, dass Architektinnen eine Vision einer Einrichtung im Kopf haben, sich aber (noch) wenig Gedanken über Details und Machbarkeit gemacht haben. „Hier kommen die Tischler ins Spiel, die sich das im besten Fall durchüberlegen. Und die sich manchmal im Regen stehen gelassen fühlen, wenn Detailpläne und genauere Vorstellungen fehlen“, so der Unternehmer. Um früh gegenzusteuern, sei eine bessere – und vor allem persönliche – Kommunikation wünschenswert. Und das auch dann, wenn Zeitdruck besteht. „Vieles könnte man im Vorfeld gut klären und aufwendige Nachbesserungen vermeiden – würde man nur offen, respektvoll und auf Augenhöhe miteinander reden. Dazu gehört auch – und das gilt für alle Beteiligten – das eigene Ego einmal außen vor zu lassen“, ist der Oberösterreicher überzeugt. Bei eigenen Projekten versuche man noch vor Produktionsstart, Architekten bzw. Gebäudeplaner und Bauherren bzw. Kund*innen an einen Tisch zu holen: „Jeder soll wissen, was er im Detail bekommt. So entstehen Endprodukte, die alle Seiten begeistern.“

Knackpunkt Kommunikation

Die Digitalisierung hat auch die Zusammenarbeit zwischen Tischlern und Architekten im Laufe der Zeit massiv verändert, um mit BIM und CNC nur zwei Stichworte zu nennen. Elektronisch übermittelte Pläne werden über Schnittstellen ins eigene Planungsprogramm eingefügt, komplexe Formen werden über Zeichenprogramme direkt an die Maschine übertragen, aufwendige Geometrien so perfekt gefräst. Hier bringt die Digitalisierung zweifelsohne eine immense Erleichterung – die Beschleunigung der Kommunikation kann aber auch Stress erzeugen – und lässt so manchen auf den persönlichen Weg vergessen. Dabei sind „echte“ Treffen und Besuche auf der Baustelle wichtiger denn je. „Papier ist geduldig, aber um korrekt produzieren zu können, braucht es immer Naturmaße, einen genauen Werkplan und ein Gefühl für die Umgebung, in der unsere Einrichtungen wirken sollen. Hier können Tischlereien mit eigenen Planungsabteilungen sehr gut punkten“, ist Christian Roither überzeugt.

Beschleunigte Branche

„In einem Punkt bin ich gerne „old school“: So sehr die digitalen Medien die Kommunikation unterstützen – die Qualität eines persönlichen Treffens kann nicht ersetzt werden“, ist Thomas Ehrenfried, Head of Design bei BEHF Architects, überzeugt. © Flo Buchberger/BEHF Architects

„Die Digitalisierung hat unsere Branche stark beschleunigt. Das spüren wir auch in der Erwartungshaltung der Bauherren, die immer kürzere Planungszeiten einfordern. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Möglichkeiten, sich im Vorfeld zusammenzusetzen und Dinge abzusprechen. Natürlich haben die Profis auf beiden Seiten das Ziel, funktional und ästhetisch hochwertige Räume zu schaffen – aber man muss mit der kalkulierten Zeit und dem vorhandenen Budget zurechtkommen“, bestätigt Thomas Ehrenfried, Leiter der Designabteilung bei BEHF Architects in Wien. Durch seine Ausbildung im Industrie Design und 17 Jahren Tätigkeit im Architekturbüro in unterschiedlichen Bereichen, bringt auch er vielseitige Erfahrungen mit. „Die Beziehungsfrage ist quasi mein „daily business“, ich habe mit Tischlereien aller Größenordnungen zu tun, wir arbeiten sowohl in privaten als auch in gewerblichen Projekten zusammen.“ Unabhängig von Betriebs- und Projektgröße ortet Ehrenfried die immer gleichen Themen: „Man kann eine noch so schöne Planung und Gestaltung entwickeln – am Ende zählt immer die Umsetzung. Und da braucht es Qualität, Präzision und eine genaue Absprache aller Beteiligten.“ Unstimmigkeiten entstehen oft schon sehr früh: Wenn im Rahmen des Projektmanagements und in der Prozessplanung zu kurze Vorlaufzeiten vorgesehen werden.

Und was hält er von dem Arroganz-Klischee? „Hier wie dort gibt es schwarze Schafe, das hängt sehr von den Einzelcharakteren ab. Und diese Charaktereigenschaften kristallisieren sich aufgrund der Rahmenbedingung einmal stärker, einmal schwächer heraus. Steigt der Druck, kann auch der Ton rauer werden. Wie auch immer sich die Situation darstellt ist es mir persönlich immer ein Anliegen, ein offenes Ohr zu haben. Das ist oft ein schmaler Grat, denn es gibt Visionen und „must haves“ in der Planung, die wir durchaus hartnäckig verteidigen.“

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