Die Rückkehr des „Fetzenvogels“
Industriekletterer montieren der Stahlstadt Linz wieder ihre Nike-Flügel.
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Auf Initiative des forum metall war im Sommer 1977 die rund 500 Kilogramm schwere Großplastik an der Kunstuniversität Linz auf einer steil nach Osten gerichteten Stahlrampe montiert worden. Vorbild für die Göttin aus Alu und Stahl war die berühmte ‚Nike von Samothrake’ (180 v. Chr.), deren zweieinhalb Meter großes Original als Marmorskulptur im Pariser Louvre zu sehen ist. Der Körper der geflügelten Siegesgöttin ohne Kopf wurde für die Nachbildung von der international tätigen Architekten-Design-Gruppe Haus-Rucker-Co aus Aluminium gefertigt. Sie ließen eine zwei mal acht Meter große, fotografische Reproduktion der Silhouette in den Vereinigten Metallwerken Ranshofen-Berndorf direkt auf einzelne Metallplatten ätzen. Die historische Vorlage für die Befestigung der Nike, das acht Meter lange Stahlgerüst, lieferte eine Rednertribüne des russischen Avantgardisten El Lissitzky für Lenin aus dem Jahr 1920.
Der „Fetzenvogel“ polarisierte stark und fand in der Kunstszene, Bevölkerung und Politik gleichermaßen vehemente Befürworter und Gegner. Nach 27 Monaten wurde die Nike im November 1979 wieder vom Dach der Kunstuniversität entfernt und lagerte seitdem in einem deutschen Archiv. Nach 39 Jahren im Exil kehrt die Metallskulptur nun im Rahmen des „Höhenrausch“-Festivals in die Stahlstadt zurück und schwebt diesmal vom Glockenturm der Ursulinenkirche aus über den Dächern von Linz.
Das Unternehmen „Höhenwerkstatt“ hat die riesige Statue auf der Linzer Ursulinenkirche Ende April in Stellung gebracht. Die Endmontage war ein spektakuläres Rennen gegen die Zeit und Zeus, den Gottvater. Der war nämlich in der Antike unter anderem für den Regen zuständig und hat den Kletterprofis auch in den Linzer Montage-Nachtstunden Kälte und Niederschläge geschickt. Das Team um Technik-Chef Lukas Blauensteiner hat die griechische Gottheit trotzdem zwischen letzter und erster Straßenbahn korrekt in Stellung gebracht. Die Statue schwebt nun 35 Meter über der Linzer Landstraße. Insgesamt waren drei Mitarbeiter an der Montage der inklusive Stahlträger 2,5 Tonnen schweren Konstruktion beteiligt. [red]