Neue „Spielwiese“ aus Holz
Ökologischer Kindergarten: Eine idyllische Lage kennzeichnet den Kindergarten Pötzleinsdorf. Umgeben von Wald und Wiesen entstehen hier drei Häuser in Holzbauweise. Die Niedrigstenergiegebäude werden teilweise im Herbst eröffnet. von Karin Bornett

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© Architekturbüro Michael Schluder -
© Ing. W.P. Handler Bauges.m.b.H -
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© Karin Bornett -
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© Karin Bornett -
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© Karin Bornett
In der Pötzleinsdorfer Straße 230, im 18. Wiener Gemeindebezirk, entstehen modernste Holzbauten. Ab Herbst dieses Jahres bieten die ersten beiden von drei Gebäuden neuen Platz für den großen Ansturm. Denn aufgrund seiner idyllischen Grünlage ist der Kindergarten sehr beliebt, großzügige Wiesen umgeben von Natur sind der ideale Ort zum Spielen und Herumtoben. Mehr Platz, das war der vorrangige Grund für die Kompletterneuerung des Kindergartens. Die drei bestehenden Häuser waren einerseits zu klein geworden und entsprachen andererseits auch bautechnisch nicht mehr den modernen Standards. Grund genug für die WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH im Auftrag der Stadt Wien an diesem besonderen Standort direkt am Waldrand drei neue Gebäude in massiver Holzbauweise zu errichten.
Bau bei laufendem Betrieb
Die Errichtung des neuen Kindergartens erfolgte in zwei Bauabschnitten bei laufendem Betrieb, wobei auf eine kindergerechte Sicherung der Baustelle höchster Wert gelegt wurde. So entstanden von Herbst 2016 bis Sommer 2017 die Häuser 1 und 2, die im Herbst 2017 von den Kindergruppen bezogen werden können. Im zweiten Bauabschnitt wird bis zum Frühjahr 2018 auch Haus 3 fertiggestellt. Insgesamt entsteht somit Platz für neun Gruppen und vier Besuchsgruppen, gesamt 270 Kinder. Alle drei Gebäude erreichen Niedrigstenergiestandard und werden vorwiegend mittels Erdwärmesonden beheizt werden. Über spezielle Verteilleitungen und eine Wärmepumpe wird ein Pufferspeicher gespeist, der als Wärmetauscher fungiert und die gewonnene natürliche Erdwärme zwischenspeichert. Über Fernwärmeleitungen gelangt die Wärme in die Heizungsverteiler der einzelnen Häuser, die allesamt mit einer Fußbodenheizung ausgestattet sind.
Im Einklang mit der Umgebung
Die extensiv begrünten Dächer ermöglichen es der örtlichen Flora und Fauna, sich ungestört darauf auszubreiten. Durch Nist- und Brutplätze für geschützte Tiere an den Fassaden wird neuer Lebensraum in diesem Gebiet ermöglicht und den Kleinsten dabei auch die Natur nähergebracht werden. „Hier waren Auflagen von der Behörde gemäß dem Wiener Naturschutzgesetz zu beachten, genügend Nistplätze zu schaffen und das Dach zu begrünen. Die dadurch entstandenen neuen Lebensräume für Tiere sollen den Kindern aber auch die Möglichkeit bieten, die heimische Natur direkt vor der Tür kennenzulernen und zu erkunden“, erklärt Architekt Michael Schluder das Konzept. Für die Holzbauweise entschied man sich aus verschiedenen Gründen: „Bei diesem Projekt hat sich das Material allein schon wegen der Umgebung angeboten, in die sich die Bauten nun nahtlos einfügen“, ergänzt er. „Deshalb gab es auch keinerlei Bedenken, Holz einzusetzen. Außerdem hat der hohe Vorfertigungsgrad von Holz für diese Materialwahl gesprochen, der uns ermöglicht hat, den Betrieb des Kindergartens trotz Baustelle aufrechtzuerhalten.“
Schnelles, sauberes Bauen
Die Fassaden wurden mit ökologisch hochwertigem Lärchenholz ausgeführt, das lamellenartig angeordnet wurde. Denn, so erklärt Schluder, „Unregelmäßigkeiten in der Fassade fügen sich besser in das Umfeld ein. Abgesehen davon kann so auch Wasser im Sinne des konstruktiven Holzschutzes besser abrinnen.“ Für Lärche entschied man sich, da es in Europa das witterungsbeständigste Holz ist, erklärt Schluder, und Tropenholz aus ökologischen und ökonomischen Gründen nicht infrage kam. Insgesamt werden rund 1.000 Kubikmeter Holz verbaut. Die Fassade wird naturbelassen bleiben, die natürliche Verfärbung der Bretter durch die Witterung wird dabei bewusst in Kauf genommen. In der Infobox, die extra installiert wurde, finden Interessierte alle Informationen zur Baustelle und eine Ansicht von bereits verwittertem Lärchenholz. So will man Überraschungen vorbeugen und den Besuchern zeigen, wie sich die Fassade entwickeln wird. „Holz ist faszinierend, da es als Monoprodukt quasi ohne Vorbehandlung verbaut werden kann. Seine fertige Materialität zeichnet es somit besonders aus. Außerdem ist der hohe Vorfertigungsgrad ein weiterer großer Vorteil – gerade im städtischen Bereich. So kann ohne große Beeinträchtigung der Nachbarschaft schnell und sauber gebaut werden“, sagt Schluder. Die vom Architektenteam modulartig konzipierten Wände wurden komplett vorgefertigt auf die Baustelle angeliefert und bestehen aus Brettschichtholzplatten, die mit Verbindungselementen miteinander verschraubt werden. Die drei Häuser haben zwar unterschiedliche Grundrisse, die meisten Komponenten sind jedoch so konzipiert, dass sie flexibel in allen Gebäuden einsetzbar sind. Keller, Fundament und Bodenplatte wurden selbstverständlich aus Beton gefertigt.
Viel Licht und Luft
Die großzügig dimensionierten Gruppenräume verfügen über viel Tageslicht. Insgesamt 3.600 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche stehen ab Herbst den Nutzern zur Verfügung. Von jedem Gruppenraum ist die Außenfläche auf kurzem Weg erreichbar, die zweigeschoßigen Baukörper sind barrierefrei jeweils über einen Aufzug erschlossen. Auch die Terrassen wurden aus Lärchenholz gebaut. Lichtdurchflutet sind durch den Einsatz von Glas und einer offenen Planung aber nicht nur die Gruppenräume, auch der hintere Gangbereich nützt das Tageslicht. Den Planern war es wichtig, für ausreichend helle Räume zu sorgen, dabei jedoch aus Gründen des Hitze- und Sonnenschutzes nicht zu groß dimensionierte Glasflächen einzubauen. Für viel Licht ist jedenfalls gesorgt und bei der Baustellenbesichtigung an einem hochsommerlichen Tag boten die Räume dennoch eine deutlich wahrnehmbare angenehme Kühle. „Durch den offenen Verbindungsgang kann die Luft ausreichend zirkulieren, und es entsteht so ein angenehmes Raumklima“, erklärt Schluder. In den Gruppenräumen sorgt außerdem eine mechanische Lüftungsanlage für ausreichend frische Luft. Aufgrund der Brandschutzbestimmungen werden im Inneren nur die Holzsäulen im Flurbereich unverkleidet bleiben. Das pädagogische Konzept wurde bereits bei der Ausschreibung angegeben. So geben etwa Bestimmungen vor, dass die WCs und Garderoben für die Kinderbetreuer einsehbar sein müssen, weshalb diese Bereiche mit Sichtfenstern ausgestattet wurden. Die kindgerechte Innenausstattung wird von der MA 10 – Wiener Kindergärten, direkt ausgeführt. Gedämmt wurde mit Dämmwolle, für ausreichend Sonnenschutz sorgen Außenjalousien und Vordächer an den Holz-Alu-Fenstern und -Schiebetüren.
Gesamtpaket stimmt
Ausgelobt wurde das Projekt von der WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH, ein Tochterunternehmen der WSE Wiener Standortentwicklung GmbH, im Verhandlungsverfahren. „Das Projekt der Ing. W.P. Handler Bauges.m.b.H. hat insgesamt überzeugt, und die Pläne des Architekturbüros Schluder, als Subunternehmer von Handler Bau, haben von der Beurteilungskommission zahlreiche Punkte bekommen. Es war das Gesamtpaket mit dem vernünftigsten Kosten-Leistungsverhältnis bei einer ansprechenden Ästhetik, das letztlich den Zuschlag bekommen hat“, erklärt Rainer Loos, Projektkoordinator bei der WIP. Mit Architekt Michael Schluder hat man sich außerdem für einen ausgewiesenen Experten für öffentliche Bauten und vor allem Kindergärten entschieden. So hat Schluder schon mehrere Kindergärten für die Stadt Wien gebaut, unter anderen die Kindertagesstätte in der Schrebergasse, Wien 22, ebenfalls ein Holzbau, der 2005 mit dem Holzbaupreis wienwood ausgezeichnet wurde.