Debatte: Ehrenzeichen Otto Kapfinger I

30.10.2017

Silbernes Ehrenzeichen an Otto Kapfinger Die redigierte Transkription des Audio-Mittschnitts einer frei gesprochenen Dankesrede anlässlich der Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien durch Frau Vizebürgermeisterin und Stadträtin Mag. Maria Vassilakou an Univ. Prof. Dipl. Ing. Maria Auböck, Architektin Mag. arch. Marta Schreieck und Otto Kapfinger im Wappensaal des Wiener Rathauses am 5. Mai 2015

Sehr geschätzte Frau Vizebürgermeisterin,

geschätzte Herren Stadträte, liebe Mit-Geehrte,

Advertorial

geschätzte Damen und Herren Festgäste!

Es obliegt mir die Aufgabe, den solche Auszeichnungen beschließenden und vergebenden Gremien der Stadt mit einer kurzen Rede zu danken, – nachdem Gabriele Kaiser gerade eine wunderbare Laudatio hielt, für die ich im Namen von uns dreien ebenfalls herzlich danke, und der eigentlich nichts hinzugefügt werden kann.

Wir leben in der schönsten Stadt der Welt! – Sämtliche Umfragen, die aktuell publiziert werden, nennen unter den lebenswerten Städten Wien an erster oder zweiter Stelle, manche an dritter. Aber Wien ist immer ganz vorne dabei!

Wenn wir uns also hier einmischen, wenn wir hier kritisch Dinge diskutieren und um Qualität ringen, dann tun wir das auf einem sehr hohen Niveau. Das muss man schon sagen. Und dafür ist einmal auch zu danken all denen, die da mittun, auch auf der Seite der Verwaltung und der Politik. Es gibt in Wien 70 Magistratsabteilungen, mit allen möglichen Unterabteilungen, die hier wirken. Ich kenne viele Städte der Welt aus eigener Anschauung, auch in Asien und Amerika – in Wien geht uns da im Vergleich fast nichts ab. Das sei vorweg gesagt und unterstrichen.

Ich möchte deshalb diesbezüglich kurz etwas aus meiner Biografie erzählen. Denn meine engere Befassung und Auseinandersetzung mit Architektur, mit Planung und Stadtpolitik in Wien, reicht zurück in die Jahre 1975 bis 1995; danach habe ich mich mehr mit den Bundesländern beschäftigt und seither in Wien den Faden ein bisschen verloren. Aber in dieser Zeit, die wesentlich war für meinen Werdegang, die mit den Biografien von uns drei heute Geehrten vielfach zusammenhängt und auch mit vielen von denen, die hier im Raum sind, in dieser Zeit gab es in der Wiener Stadtpolitik und Stadtverwaltung Persönlichkeiten, die genau das gelebt haben, was die Frau Stadträtin in ihrer Vorrede angesprochen hat: „unkonventionell zu denken, aus Normierungen möglichst auszubrechen, die Dinge gegen den Strich zu bürsten.“

Ich nenne hier ein paar Namen, an die ich bei dieser Gelegenheit einen persönlichen Dank aber auch einen Dank im Namen aller richten möchte. Aus der Beamtenschaft – Magistratsabteilungen 18, 19, 21 – gab es einige, ohne die unter anderem auch meine fachliche Qualifizierung und Sensibilisierung nicht so gelaufen wäre.

Ich nenne Wilhelm Kainrath, Klaus Steiner, Peter Wünschmann, Roland Schachel, August Fröhlich, Timo Huber, Herbert Binder. Im Bereich der Kultur, Magistratsabteilung 7, nachdem ich auch mit der bildenden Kunst und ihren Agenden beschäftigt war, zum Beispiel als Vorstandsmitglied der Wiener Secession – nenne ich Wolfgang Hilger, Robert Schmitt, Hubert Christian Erhalt.

Und im Reich der Politik sind einige Namen nicht zu vergessen und Personen zu bedanken, die mit Leidenschaft für diese Stadt gearbeitet haben, die mit Leidenschaft auch sehr an anderen Meinungen, an vorwärtsbringenden Argumenten und Ideen interessiert waren. Ich nenne da Fritz Hofmann, Hannes Swoboda, Helmut Zilk, und last not least: Ursula Pasterk.

Warum habe ich speziell diese Beamtenschaft erwähnt? Es war eine Generation, die mit mir parallel studiert hatte, zum Teil waren es etwas ältere Studienkolleginnen und -kollegen, die sich damals entschlossen haben: Wir gehen in den Magistrat, wir gehen nicht in die freie Fachplanung, sondern wir gehen in die Stadtverwaltung und versuchen dort, von innen heraus, eine Revitalisierung dieser Strukturen zu bewerkstelligen. Es war der berühmte „Marsch in und durch die Institutionen“, und all jene, die ich genannt habe – es waren wohl mehr, ich habe vielleicht einige vergessen – haben sich damals getraut, sich bei verschiedenen wichtigen Anlässen etwa gegen einen scheinbar allmächtigen Finanzstadtrat zu stellen, der meinte, er könne die Planungsabteilungen dominieren. Und alle die haben immer auch den diskursiven Kontakt gesucht zur freien Architektenschaft, mit den unabhängigen Institutionen, mit engagierten Fachpublizisten. Das sind aus der Sicht meiner und der folgenden Generation Umstände und Erfahrungen gewesen, auf denen wir aufbauen können und denen wir es wohl auch verdanken, dass wir so viele Dinge in der Stadt gut gemacht haben, Fehler vermeiden konnten, natürlich auch Fehler gemacht haben, aber es in den letzten dreißig, vierzig Jahren zustande brachten, dass diese wunderbare und einzigartige Stadt Wien international so geschätzt wird.

Ergänzend dazu möchte ich etwas aufnehmen, was die Frau Stadtrat ebenfalls einleitend angesprochen hat – die Kritik, weil wir so „kritisch“ sind: Ich habe in einem Interview vor zwei Jahren einmal gesagt, Kritik ist nicht etwas von vornherein Böses und nur unangenehm Destruktives. Der Begriff kommt nämlich aus dem Alt-Griechischen KRINIEN, und bedeutet im Wortstamm nichts anderes als: unterscheiden, differenzieren, unterscheiden lernen, differenzieren lernen.

Wenn wir also mit Kritik konfrontiert sind oder uns kritisch äußern, dann versuchen wir, einfach noch feiner, noch präziser auf Dinge, Sachverhalte hinzuschauen, die Argumente auseinanderzunehmen, zu analysieren und daraus konstruktiv etwas zu machen, was uns vielleicht vor einer Kurschlüssigkeit bewahrt und in eine alternative Perspektive leitet. Und so möchte ich das verstanden wissen, und so sehe ich ganz allgemein die „Kontroverse“ als etwas unglaublich Wichtiges, ohne das die ganze Evolution nicht stattgefunden hätte.

Allerdings – wenn wir nun konstatieren, dass unsere Stadt wirklich so toll ist und all das –gibt es im öffentlichen Stadtraum, im Freiraum neuerdings Phänomene, die mir sehr zu denken geben. Es war seit einigen Jahren hier immer wieder ein Spruch publiziert, eine quasi „amtliche“ und offenbar so sympathische Botschaft überall in verschiedensten Medien affichiert: „Die Stadt gehört dir!

Geschätzte Damen und Herren, ich gebe Ihnen das gleichsam als Schibboleth mit, als Kennwort, als ortstypische Parole! Denken Sie darüber etwas nach. „Die Stadt gehört dir!“ Was bedeutet das wirklich? Wer sagt das? Was meinen wir mit „gehört“? Und warum ist die Einzelperson angesprochen? – Die Stadt „gehört“ niemandem! WIR SIND die Stadt! Wir LEBEN die Stadt.

Und parallel dazu gab es auf einem Staubnetz im 1. Bezirk, wo ein großes altes Innenstadthaus gerade gentrifiziert wurde, ins Luxus-Segment hochgehievt, adaptiert wurde, eine riesige Abbildung mit einer schön geschürzten jungen Dame, und darauf stand in breiten Lettern: „You don´t have to live in these apartments to love Vienna. Owning them will do.

Ich meine, diese beiden Sprüche ergänzen sich. Sie zeigen in frappierender Deutlichkeit den Paradigmenwechsel, den es offenbar gegeben hat, und mit dem die Politik jetzt so schwer zu kämpfen hat – dass wir uns nämlich definieren übers „Gehören“, über das HABEN und über die Einzelperson – und nicht über das SEIN und über das Miteinander! Aber: Es gibt nur ein Miteinander, wie differenziert auch immer, in der Natur, in allem Leben.

Und „Owning them will do“ will heißen: „Das Besitzen genügt schon, um die Stadt braucht man sich nicht kümmern, wir setzen da bloß den Fuß hinein und machen das zu einem Spekulationsobjekt“ – über diese Dinge lohnt es sich, ja sind wir absolut verpflichtet, immer wieder nachzudenken: Woher kommen sie, was fangen wir damit an? Wie reagieren wir?

Wenn wir uns mit dem Freiraum befassen, wie gerade Maria Auböck, im Team mit János Kárász, seit Jahrzehnten, dann glaube ich nicht, dass da jemand vordergründig auf eine „Karriere“ aus ist, sondern dass man da mit der „longue durée“ rechnen muss, arbeiten muss. Denn ein Garten, eine Parkanlage, öffentlicher Grünraum kann nicht einfach wie üblich mit dem Banddurchschneiden eröffnet und „fertig“ deklariert werden. Es braucht vielleicht hundert Jahre, bis die Bäume so weit sind, bis das Konzept „aufgeht“. Da arbeitet also jemand in und an einer gestalterischen Perspektive von „Stadt/Natur in der Zeit“, die wir nicht hoch genug schätzen können.

 

Ich glaube, es ist ebenso ein bestimmendes Merkmal von Marta Schreieck, von ihrer Arbeit als Architektin, dass jedes Projekt, das sie mit Dieter Henke gemacht hat und weiter macht, eben nicht als Einzelding gesehen ist, sondern immer als Teil eines städtebaulichen Zusammenhangs sich begründet, immer aus dem entwickelt ist, was es auch für die Stadt tut, was es über den reinen Bauplatz hinaus für das ganze Umfeld, für den Kontext leistet. Und das hat sie auch pointiert weitergetragen in ihre öffentlichen Beiratstätigkeiten, in viele Jury- und Beratungsagenden. Und das ist wohl die zeitgemäße Anwendung dessen, was sie im Studium bei Roland Rainer mitbekommen hat, wo das die Grundlage für alles Planen und Bauen war.

Geschätzte Damen und Herren! Ich danke nochmals sehr herzlich! Ich hoffe, wir können in fünfzig Jahren immer noch sagen: „Wien ist die schönste Stadt der Welt!“ An uns soll es nicht liegen.

Otto Kapfinger

 

Redaktion

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