Wir haben alle Russland-Geschäfte gestoppt
Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine konnte die GEBÄUDEINSTALLATION den Inhaber der Herz-Gruppe, Gerhard Glinzerer, via Telefon erreichen, um einen ersten schnellen Status quo einzuholen.
Die exportorientierte Herz-Gruppe ist im Osten Europas stark aktiv. In der Ukraine betreibt das Unternehmen unter anderem ein eigenes Werk (= Hirsch in Tscherkassy) sowie ein Zentrallager in Kiew. Damit gilt Herz als einer der am stärksten betroffenen heimischen Haustechnik-Unternehmen in dieser Region.
Herr Glinzerer – wie ist der aktuelle Status quo hinsichtlich Ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in der vom Krieg betroffenen Region? (Anm. d. Red: Das Telefonat fand am Abend des 28. Februar statt)
Vorweg: Es ist traurig und man ist extrem fassungslos, was sich da gerade nicht weit von unserer Grenze entfernt abspielt. Ich habe heute veranlasst, dass sämtliche Exporte Richtung Weißrussland, Russland und natürlich auch Richtung Ukraine gestoppt werden. Ware, die faktisch schon fakturiert und abholbereit zur Verfügung stand, wird nun bis auf Weiteres zurückgehalten. Jetzt gilt es vorrangig zu klären, ob unsere Ware durch eine der zahlreichen Sanktionsmaßnahmen betroffen sein könnte. Und falls dies nicht zutrifft, von dem ich derzeit ausgehe, gilt es auch noch zu prüfen, ob und wie man bei einer allfälligen Lieferung zu seinem Geld kommt. Denn nachdem alle wesentlichen russischen Banken vom Geldverkehr-Transaktionsverfahren Swift ausgeschlossen wurden, sind jetzt alternative Zahlungsflüsse gefragt. Zumindest in dieser Woche werden wir erst einmal sämtliche Aktivitäten, die diese drei Länder betreffen, auf Eis legen.
Sie haben ein Werk in der Ukraine. Ist das gefährdet?
Ich habe vor zwei Stunden mit dem Hirsch-Betriebleiter in Tscherkassy telefoniert. Das Werk ist einstweilen zumindest durch Kriegshandlungen nicht gefährdet. Es produziert derzeit sogar noch. Aber dies ist natürlich eine Frage der Zeit und steht im Kontext dazu, wie sich die nächsten Tage entwickeln. Was Herz betrifft, sind unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen alle daheim bei ihren Familien. Die ukrainischen Handlungsaktivitäten im Armaturenbereich sind allein schon aus Sicherheitsbedenken unseren Mitarbeitern gegenüber alle eingestellt. Offensichtlich ist unser Personal von der Mobilmachung noch nicht betroffen. Wir hatten übrigens gerade drei ukrainische Technikkollegen zu Schulungszwecken in Wien. Diese wollten angesichts der Situation natürlich so schnell wie möglich zu ihren Familien zurück. Nachdem der Flugverkehr in diese Region eingestellt wurde, haben wir unsere Mitarbeiter mittels Autostafette zu ihren Familien gebracht. Zuerst von Wien nach Bratislava. Dort wurden sie von unseren slowakischen Kollegen übernommen und nach Polen geführt, wo sie dann von unseren polnischen Mitarbeitern bis zur ukrainischen Grenze gefahren wurden. Alle drei sind wohlbehalten bei ihren Familien angekommen.
Ihre Logistik funktioniert also noch?
Es gibt einstweilen keine Logistik in dieser Region – wir haben alle Aktivitäten eingestellt. Weißrussland und Russland beliefern wir allein schon daher nicht, da von dort kein Geld zu erwarten ist. Wohl auch mittelfristig. Denn der Absturz der russischen Währung wird sich nachhaltig auf die Geschäftsbeziehung auswirken. Wenn der Rubel nicht rollt, rollen auch keine Waren.
Sind die Geschäftsbeziehungen mit der Ukraine, Russland und Weißrussland also zerstört?
Nein. Denn es geht meiner Meinung nach immer weiter. Jedenfalls erwarte ich mir kein nordkoreanisches Szenario, wo diese Region abgeschottet wird. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Situation politisch entwickelt. Wenn man diese drei Länder zusammennimmt, geht es ja um rund 200 Millionen Menschen. Diese benötigen Heizungen, Sanitäranlagen und Gebäudetechnik. Also wird es auch nach dem Krieg wirtschaftliche Aktivitäten geben. Es dreht sich dann jedoch, so traurig dies ist, der Handlungsfokus. Denn dann wird es um den Wiederaufbau bzw. die Reparatur von zerstörten Häusern, der Infrastruktur und der Industrie gehen. Denn die Schäden sind, wie wir alle in den Nachrichten sehen können, enorm. Wer das bezahlen wird, ist jedenfalls noch unklar.
Wie hoch ist der Umsatzanteil dieser Region in Ihrer Gruppe?
Der ist überschaubar und angesichts des entstandenen Leids in der Ukraine nebensächlich. Wenn man den Gesamtumsatz der Firmengruppe heranzieht, bewegt sich der Anteil in einem niedrigen einstelligen Prozentsatz. Für unsere Gruppe sind die EU- und Nato-Mitglieder, also von Estland bis Bulgarien über Polen, Slowakei und Ungarn wesentlich relevanter.
Was sind aus Ihrer Sicht die indirekten Auswirkungen, wenn beispielsweise das Gas abgedreht wird?
Wir sind, was den Armaturen-Bereich betrifft, ein ganz minimaler Gasverbraucher. Unsere primäre Energiequelle ist hier der Strom. Bei Hirsch sieht dies schon ein wenig anders aus – da kommt noch recht intensiv Gas für die Produktion zum Einsatz. Also werden wir uns in diesem Bereich noch schneller als vorgesehen zu überlegen haben, ob wir unsere Energieversorgungsstrategie in Richtung Biomasse nicht vorziehen sollten. Aus wirtschaftlicher Sicht spielen bei uns jedoch die Rohstoffpreise, also Metall, Kunststoff & Co, eine deutlich größere Rolle für unsere Kalkulation als die Energiepreise.