Bauvertraglich vereinbarte Geltung von ÖNormen

06.05.2015

Bei Streitigkeiten aus dem Bauvertrag beruft man sich gern auf technische oder rechtliche ÖNormen. Allerdings muss geprüft werden, ob die konkrete Norm Vertragsbestandteil ist.

Normen sind aus dem (Bau-)Alltag nicht wegzudenken. Sie sorgen für Kompatibilität, erleichtern die Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen und beseitigen damit Handelshemmnisse. Aus diesem Grund wurde 1920 – zwecks Förderung der Vereinheitlichung und Rationalisierung von Arbeits­abläufen – das Österreichische Normungsinstitut (nunmehr Aus­trian Standards Institute) gegründet. Dieses Institut ist Herausgeber der ÖNormen, die in den dortigen Gremien unter Miteinbeziehung unterschiedlicher Interessenvertretungen erarbeitet werden. 
Man unterscheidet zwischen technischen und rechtlichen ÖNormen. Erstere legen technische Standards fest. Letztere – wie insbesondere die ÖNorm B 2110 – sind laut OGH als Vertragsschablonen zu qualifizieren. Sie sollen die gesamte Vertragsabwicklung unter dem Aspekt des Gleichgewichts zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmer­interessen regeln und jene Lücken, die das allgemeine Zivilrecht aufweist, schließen. Zu beachten ist, dass mit Vereinbarung rechtlicher ÖNormen aufgrund darin enthaltener Verweise regel­mäßig eine Vielzahl technischer ÖNorm mitvereinbart gilt.

Geltung durch Vereinbarung

ÖNormen werden grundsätzlich nur dann Vertragsinhalt, wenn sie – zumindest stillschweigend – bei Vertragsabschluss vereinbart wurden. Allerdings – siehe unten – stellen technische Normen mangels anderer Vereinbarung in der Regel die vom Auftragnehmer geschuldeten Mindeststandards dar. Rechtliche Normen müssen für deren Geltung jedenfalls gesondert vereinbart werden. Werden rechtliche Normen nicht Vertragsinhalt, ist das allgemeine Zivilrecht anzuwenden. Eine Vereinbarung von ÖNormen erfolgt häufig im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern reicht dazu der Hinweis, nur zu den eigenen AGB kontrahieren zu wollen, die auf die jeweiligen ÖNormen verweisen. Bei Verbrauchergeschäften hingegen muss bei Vertragsabschluss explizit auf die Geltung von rechtlichen ÖNormen hingewiesen werden. Im Vergaberecht ist § 99 Abs 2 BVergG zu beachten, wonach der öffentliche Auftraggeber geeignete Leitlinien wie die ÖNorm B 2110 zu verwenden hat. Nur in begründeten Fällen dürfen öffentliche Auftraggeber davon abweichen.

Geltung von ÖNormen ohne Vereinbarung

Auch wenn einem Vertrag keine technischen ÖNormen zugrunde liegen, können sie dennoch Anwendung finden: Der OGH hat ausgesprochen, dass technische ÖNormen durch tatsächliche Übung der beteiligten Verkehrskreise zum Handelsbrauch oder zur Verkehrssitte werden können (4 Ob 356/86) und somit auch ohne Parteienvereinbarung anwendbar sind. Somit definieren technische ÖNormen – mangels anderer Vereinbarung – die bedungenen Eigenschaften eines Werks. Zudem bilden die technischen ÖNormen auch (ohne Vereinbarung) einen Maßstab für die Sorgfaltspflicht und stellten eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an den Unternehmer dar (1 Ob 262/00m). Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ÖNormen die Voraussetzungen von „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ erfüllen, sodass der Auftragnehmer mit der Erbringung des Beweises, die einschlägigen Normen beachtet zu haben, dem ersten Anschein nach beweist, dass er damit auch die Regeln eingehalten hat (10 Ob 24/09s). 
Die Bedeutung rechtlicher ÖNormen, insbesondere der ÖNorm B 2110, zeigt sich darin, dass der OGH sie bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvertragsklauseln heranzieht, da ÖNormen wiedergeben, was branchenüblich ist (10 Ob 212/98v). Vertragsbestimmungen, die erheblich von korrespondierenden ÖNorm-Regeln abweichen, sind oftmals infolge von Sittenwidrigkeit als ungültig aufzuheben.

Fazit

ÖNormen werden nur dann Vertragsinhalt, wenn sie zwischen den Parteien vereinbart wurden. Technische Normen stellen nach der Rechtsprechung den vom Auftragnehmer geschuldeten Mindeststandard dar und sind daher – auch ohne expliziter Vereinbarung – einzuhalten. Die Vereinbarung rechtlicher Normen gestaltet eine vom allgemeinen Zivilrecht abweichende Regelung der wechselseitigen Pflichten, weshalb im Einzelfalls geprüft werden muss, ob im Vertrag eine rechtliche ÖNormen vereinbart wurde oder nicht.

 

Zum Autor
Dr. Bernhard Kall
ist Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte
Rockhgasse 6, A-1010 Wien
www.mplaw.at

 

Redaktion

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