Ruhe an der Insolvenzfront

26.09.2017

Die vorläufige Insolvenzstatistik des KSV1870 zeigt für die ersten drei Quartale des Jahres 2017 einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen um fast fünf Prozent.

Der KSV1870 präsentiert wie gewohnt zum Quartalsende hochgerechnete Insolvenzzahlen. Diese zeigen an allen Fronten einen Rückgang. Im Detail sieht dies so aus, dass sowohl eröffnete Insolvenzverfahren als auch mangels Vermögens nicht eröffnete Verfahren über Unternehmen deutlich zurückgingen. Das resultiert in einem Minus der Unternehmenspleiten von 4,8 Prozent gegenüber den ersten Quartalen 2016. Mit 11.500 Dienstnehmern waren 17,8 Prozent weniger Menschen von der Pleite ihres Dienstgebers betroffen und die Forderungen der Gläubiger in diesen Verfahren sanken um 53 Prozent auf 1.083 Millionen Euro.

Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des KSV1870: „Dieser Rückgang ist zweifellos dem historisch einmalig niedrigen Zinsniveau geschuldet. Und jedermann weiß, dass diese Zinsen nicht ewig so niedrig bleiben können. Man erwartet, dass die Wirtschaft in absehbarer Zeit aus sich heraus wächst und nicht nur mittelbar durch die Exportmaschine Deutschland. Erst wenn heimische Unternehmen investieren, wird es wirklich zu einem Wachstumsschub kommen. Und der wird dann rasch die Nachfrage und damit die Inflation heben. Also: Sobald das erhoffte Wachstum eintritt, werden die Insolvenzen wieder anziehen (müssen).“

Starke regionale Unterschiede

Der Blick auf die Bundesländer zeigt, dass der Rückgang unterschiedlich verteilt ist: Zweistellig rückläufige Zahlen (Steiermark: minus 14 Prozent) stehen einem zweistelligen Zuwachs in Niederösterreich (plus 14,5 Prozent) gegenüber. Diese Divergenzen dürfen jedoch den Blick auf das Wesentliche nicht verstellen: Die Insolvenzfälle werden laufend kleiner. Waren vor zehn Jahren noch durchschnittlich sechs Dienstnehmer pro eröffneten Insolvenzverfahren betroffen, ist diese Zahl mittlerweile auf 5,1 gesunken.

Wenig Neues bei den Branchen

So wenig Überraschung die Gesamtzahlen bieten, so erwartbar ist auch die Liste der am stärksten betroffenen Branchen.

  • Die Bauwirtschaft ist seit Jahren ein steter Gast und ganz vorne zu finden. Auch 2017 belegt sie wiederum den ersten Platz nach der Zahl der Fälle und den zweiten nach der Höhe der Passiva.
  • Unternehmensbezogenen Dienstleistungen – eine Branche mit sehr viel kleinen Unternehmen – firmiert einmal als zweiter und einmal als erster in der Statistik.
  • Das Gastgewerbe findet sich auf dem dritten Platz im Ranking nach der Anzahl der Fälle.
  • Die Branche „Maschinen und Metall“ ist ein Spiegel des industrialisierten Österreich: Es sind vielfach größere Unternehmen mit hoher Kapitalbindung, sodass auch moderate Insolvenzzahlen diese Branche unter die ersten drei „katapultiert“.

Entwicklungen auf EU-Ebene

Vergangenen November stellte die EU-Justizkommissarin Věra Jourová einen Entwurf zu einer Insolvenzrichtlinie vor. Diese Richtlinie möchte ein „vorinsolvenzliches“ Verfahren in Europa in harmonisierter Weise einführen und „redlich gescheiterten“ Unternehmern eine rasche und an keine besonderen Quotenerfordernisse geknüpfte Restschuldbefreiung schaffen. Während der vergangenen zehn Monate wurden diese Vorschläge intensiv auf europäischer Ebene in Expertengruppen besprochen. Dieser Entwurf hat zweifellos auch Einfluss in Österreich gehabt und zwar im Zusammenhang mit der Verkürzung der Abschöpfungslaufzeit für eine Restschuldbefreiung und die Auflassung der Mindestquote. Es geschieht nicht selten, dass Mitgliedsländer der EU solche Ideen aufgreifen und möglichst rasch umzusetzen trachten. Sie rechnen sich dabei ein gutes Abschneiden in den Vergleichstabellen aus, die von der Kommission in regelmäßigen Abständen erstellt werden.

Chapter 11 als Vorbild

Das vorinsolvenzliche Verfahren soll nach den Vorstellungen der EU-Kommission rasch und kostengünstig sein und vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen, ihre drohende Insolvenz zu beseitigen. Sieht man sich das Verfahren näher an, das hier von der EU propagiert wird, so fällt vor allem dessen Ähnlichkeit mit dem Chapter-11-Verfahren in den USA auf. Und damit wird schnell klar: Dieses Verfahren wird wahrscheinlich weder rasch noch kostengünstig ablaufen, denn das Chapter-11-Verfahren ist im Grunde nur etwas für sehr große Unternehmen, deren Aktien und/oder Schuldpapiere an der Börse gehandelt werden.

Die EU hält uns auf Trab

Tatsächlich trat allerdings mit Juni/Juli 2017 eine Novelle im Rahmen des IRÄG 2017 in Kraft, die sich ebenfalls mit europäischem Insolvenzrecht beschäftigt, diesmal allerdings mit der EU-Insolvenzverordnung, die mit Wirkung 26. Juni 2017 novelliert worden war, was gewisse Begleitbestimmungen erforderlich macht. Ein wesentliches Kernstück dieser Novelle und der Begleitbestimmungen ist der Umstand, dass in grenzüberschreitenden Insolvenzen der Insolvenzverwalter des Hauptverfahrens Gläubiger in einem anderen Mitgliedsstaat bevorzugt behandeln darf, wenn er dies für vorteilhaft ansieht und damit ein Sekundärverfahren in diesem anderen Mitgliedsstaat vermieden werden kann. Diesen Bestimmungen wird einige Bedeutung vor allem in Großverfahren zukommen.

Ausblick auf 2017

Entgegen der Erwartung aus dem Vorjahr sind die Insolvenzzahlen nicht nur nicht angestiegen, sondern sogar mit zirka fünf Prozent rückläufig. Hatte es vor einem Jahr so ausgesehen, als würde die Talsohle durchschritten sein, so sieht es derzeit wieder danach aus. Der Abstand zum Vorjahr dürfte sich letztlich deutlich verringern und aus einem Rückgang von fast fünf Prozent einer von eher 2,5 bis drei Prozent für das Gesamtjahr werden.

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