Covid-19 und Pönalen
Die Covid-19-Pandemie hat Termin- und Kostenfolgen auf viele Bauvorhaben. Der Gesetzgeber hat dazu eine bemerkenswerte Regelung getroffen.
Pönalen (Vertrags- oder Konventionalstrafen) für die Nichterreichung bestimmter Termine drohen dem Auftragnehmer (AN) nach fast jedem Bauwerkvertrag. In Zeiten der Covid-19-Pandemie ist in vielen Fällen eine Diskussion über die Gültigkeit solcher Pönalen ausgebrochen. Der Gesetzgeber hat dazu eine bemerkenswerte Regelung getroffen.
Die „Krisenausnahme“ für Pönalen
Gemäß Artikel 37, § 4 des 4. Covid-19-Gesetzes (BGBl. I Nr. 24/2020) ist der Schuldner (AN) „nicht verpflichtet, eine vereinbarte Konventionalstrafe im Sinn des § 1336 ABGB zu zahlen“, „soweit“ er in Verzug gerät, „weil er als Folge der Covid-19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann“. Das gilt ausdrücklich auch für Konventionalstraßen, die unabhängig vom Verschulden des Schuldners am Verzug vereinbart wurden.
Zeitlich betrachtet, gilt dies nur für Verträge, die vor dem 1. 4. 2020 abgeschlossen wurden. Die Regelung gilt bis 30. 6. 2022.
Die begleitenden Gesetzesmaterialien nennen dazu ausdrücklich Fälle, in denen ein Bauunternehmer aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Einschränkungen oder wegen schlicht faktischer Beeinträchtigungen (z. B. Verzögerungen bei Lieferanten; es sind hier Beispiele genannt, die nach Punkt 7.2.2 ÖNorm B 2110 in der Disposition und daher in der Sphäre des AN liegen) „nicht in der Lage ist, die Bauarbeiten zur Erfüllung eines Werkvertrags planmäßig voranzutreiben“.
Durch das Wort „soweit“ soll klargestellt sein, dass nur durch die Covid-19-Pandemie verursachte Verzögerungen anzurechnen sind. Wenn etwa nur ein Teil einer Verzögerung darauf zurückgeht, aber der andere Teil davon unabhängig vom AN zu verantworten ist, soll nur eine „anteilige Befreiung von Konventionalstrafen“ eintreten.
Reichweite der Bestimmung
Die Bestimmung ist nicht auf zeitlichen Verzug beschränkt. Sie kann daher auch für Konventionalstrafen gelten, die für einen qualitativen Verzug vereinbart wurden, soweit dieser Verzug (also die Unmöglichkeit der Herstellung des Werks in der vereinbarten Qualität) durch die Covid-19-Pandemie verursacht wurde.
Sie gilt weiters nicht nur für Bauwerkverträge auf Basis der ÖNorm B 2110, sondern überhaupt für jegliche Verträge, in denen eine Konventionalstrafe „im Sinn des § 1336 ABGB“ vereinbart wurde. Darunter fallen im Wesentlichen sämtliche vereinbarten Folgen der Nichterfüllung einer vertraglichen Pflicht, weil § 1336 Abs. 1 Satz 1 ABGB hier sehr allgemein formuliert ist, nämlich, „dass auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle“.
Insbesondere in Bauwerkverträgen, die nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 vergeben wurden, wurden in den letzten Jahren häufiger Vertragsstrafen eingesetzt, die unabhängig vom Verschulden des AN zu zahlen sind. Auch diese Vertragsstrafen sind ausdrücklich umfasst. Soweit diese Vertragsstrafen den Zweck haben, eine nachträgliche Wettbewerbsverzerrung mangelnder Vertragserfüllung und damit eine Neuausschreibungspflicht nach § 365 Bundesvergabegesetzes 2018 zu verhindern, kann gegen eine Neuausschreibungspflicht das Argument entgegengehalten werden, dass die Covid-19-Folgen jeglichen AN getroffen hätten und insoweit – zumindest allgemein-qualitativ – keine Wettbewerbsverzerrung vorliegt.
Der Praxistipp
Damit man als AN diese gesetzliche Ausnahme nutzen kann, ist das Gleiche wie bei fast allen bauvertraglichen Ansprüchen wesentlich: Es sollte eine möglichst genaue und nachvollziehbare Dokumentation geführt werden, die eine Trennung der Ursachen (Covid-19 und andere) und deren Auswirkungen belegt. Denn die Nachweispflicht, dass man als AN durch die Covid-19-Pandemie an der Vertragserfüllung gehindert wurde, trifft auch nach dieser gesetzlichen Ausnahme den AN.