Rechtsschutz im Vergabeverfahren
Die Bekämpfung einer Auftraggeberentscheidung ist mühsam, aber nicht unmöglich. Ein kurzer Überblick über die Rechtsschutzmöglichkeiten im Vergabeverfahren.
Aufgrund des Ersuchens von Leserseite folgt eine kurze Übersicht über Rechtsschutzmöglichkeiten im Vergabeverfahren.
Das System der gesondert anfechtbaren Entscheidungen
Die Kenntnis dieses Systems ist wesentlich. Es besagt, dass nur ausdrücklich im Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) genannte nach außen tretende Entscheidungen anfechtbar sind. Im offenen Verfahren sind dies die Ausschreibung, sonstige Entscheidungen während der Angebotsfrist, das Ausscheiden eines Angebots, die Widerrufsentscheidung und die Zuschlagsentscheidung.
Das bedeutet einerseits, dass andere Entscheidungen nicht gesondert anfechtbar sind; so beispielsweise die Aufforderung nach Angebotslegung, gewisse Unterlagen nachzureichen oder Aufklärungen zu liefern. Ein Bieter, der eine solche Aufforderung als rechtswidrig ansieht, kann dies bei der Vergabekontrollbehörde erst im Zuge der Anfechtung der nächsten anfechtbaren Entscheidung vorbringen (das kann das Ausscheiden des Angebots, die Zuschlagsentscheidung oder die Widerrufsentscheidung sein).
Andererseits bedeutet das, dass alle gesondert anfechtbaren Entscheidungen, die erfolglos oder nicht rechtzeitig angefochten wurden, „bestandsfest“ werden und im weiteren Vergabeverfahren nicht mehr hinterfragt werden können (mit ganz wenigen, sehr gravierenden Rechtswidrigkeiten als Ausnahmen). Mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung kann etwa nicht mehr die Rechtsmäßigkeit von Ausschreibungsbestimmungen aufgeworfen werden, weil die Ausschreibung als gesondert anfechtbare Entscheidung bereits zuvor – nämlich vor Ende der Angebotsfrist – angefochten hätte werden müssen.
Die Fristen
Gemäß § 343 Abs. 1 BVergG können gesondert anfechtbare Entscheidungen binnen zehn Tagen angefochten werden (bei Entscheidungen auf dem Postweg, die es fast nicht mehr gibt, binnen 15 Tagen). Die Frist beginnt mit der Verfügbarkeit der Entscheidung, also zum Beispiel bei elektronischen Vergabeverfahren mit dem Tag, an dem der Bieter die Entscheidung erstmals per Download beziehen kann.
Eine Ausnahme gibt es gemäß § 343 Abs. 3 BVergG für die Anfechtung der Ausschreibung oder der Teilnahmeunterlagen, wenn die Angebots- oder Teilnahmeantragsfrist mehr als 22 Tage beträgt: Dann endet die Anfechtungsfrist erst sieben Tage vor Ablauf der Angebots- oder Teilnahmeantragsfrist (wobei aber wegen der Berechnungsbestimmungen zum Beispiel bei Ende der Angebotsfrist am 25. 6. die Frist bereits am 17. 6. endet, nicht erst am 18. 6.).
Wenn der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, endet die Frist erst am nächstfolgenden Werktag.
Das Verfahren
Ein Nachprüfungsantrag bei einer Vergabekontrollbehörde ist formal und inhaltlich aufwendig und auch teuer. Bei Bauaufträgen im Oberschwellenbereich z. B. sind nach der Pauschalgebührenverordnung des Bundes mindestens 6.482 Euro an Pauschalgebühren zu zahlen; dazu kommen noch 50 Prozent dieser Gebühr, wenn ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt wird. Letzterer ist z. B. bei der Anfechtung einer Zuschlagsentscheidung notwendig, damit der Auftraggeber nicht inzwischen den Zuschlag erteilen kann und das primäre Ziel – die Erlangung des Auftrags – verlorengeht. Das Verfahren dauert insgesamt üblicherweise maximal sechs Wochen
Zuständig sind im Bundesbereich das Bundesverwaltungsgericht, im Landes- und Gemeindebereich das jeweilige Landesverwaltungsgericht. Die obigen Fristen und Gebühren sind im Landesbereich im Wesentlichen die gleichen, aber hier sind die entsprechenden Landesgesetze zu beachten, die den Rechtsschutz gesondert regeln und die sich vom BVergG im Detail unterscheiden können.
Der Praxistipp
Die Anfechtung bedeutet nicht nur Kosten, sondern auch einen Gerichtsstreit mit dem Auftraggeber, sodass eine Anfechtung auch eine unternehmensstrategische Frage darstellt. In manchen Fällen – wenn dies die knappen Anfechtungsfristen erlauben – kann eine Anfechtung durch eine vorherige außergerichtliche Mitteilung an den Auftraggeber, durch die dieser auf eine mögliche Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung hingewiesen wird, vermieden werden.