Flächenverbrauch

Österreich ist nicht zubetoniert

11.10.2023

Andreas Kreutzer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Kreutzer Fischer & Partner, beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Flächenversiegelung. Sein Ziel: die Fakten für eine Debatte zur Verfügung stellen, die mitunter sehr emotional geführt wird.

Herr Kreutzer, Sie betreiben seit kurzem eine Website, auf der man die Flächennutzung und Flächenversiegelung für jede österreichische Gemeinde ein­sehen kann. Warum machen Sie das? 
Andreas Kreutzer: Das Thema Flächenversie­gelung wird in Österreich intensiv diskutiert. Ich verstehe das. Das ist eine wichtige Frage, die mich ebenfalls interessiert. Leider wird die Debatte aber sehr emotional geführt. Mir war es ein Bedürfnis, die Fakten auf den Tisch zu legen. Nicht mehr, nicht weniger.

Es wird immer wieder behauptet, dass Österreich beim Thema Bodenversiegelung Europameister ist, wenn nicht sogar Weltmeister. Stimmt das? 

Es kenne keine empirischen Daten, die diese Behauptung belegen – im Gegenteil: Österreich ist nicht Europameister. 

Wo liegen wir denn im internationalen Vergleich? 

Laut Daten von Eurostat und der European Environment Agency liegt Österreich bei der Boden­versiegelung in Europa im Mittelfeld – deutlich hinter Spitzenreiter Malta, den Niederlanden oder Belgien, aber auch hinter Deutschland oder Großbritannien. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich diese Daten nicht im Detail kenne und nicht weiß, wie sie berechnet worden sind. Wir haben uns genauer mit Österreich und Deutschland beschäftigt. 

Warum gerade Deutschland? 

Weil Deutschland ein ähnliches System verwendet wie Österreich und man die Daten daher gut vergleichen kann. Sie sind aussagekräftig. 

Was sagen Sie?

Wir haben uns zunächst einmal die Fakten für Österreich angeschaut. Die gerundeten Zahlen ergeben folgende Bild: Österreich hat eine Fläche von 84.000 Quadratkilometern. Davon war 2022 fast die Hälfte, 46 Prozent, mit Wald bedeckt. Weitere 29 Prozent bestanden aus landwirtschaftlichen Flächen und 19 Prozent aus alpinem Ödland, das überhaupt nicht nutzbar ist. Der Rest, sieben Prozent, entfiel auf Gebäude, Verkehrs-, Freizeit- und Abbauflächen. Das ist die sogenannte „genutzte Fläche“. 

Das ist aber noch nicht die versiegelte Fläche, oder? 

Richtig. Flächennutzung ist nicht gleich Flächenversiegelung. Denn als versiegelt gelten Böden nur dann, wenn sie mit einer wasserundurchlässigen Schicht überzogen sind. In der Praxis werden daher nur überbaute, betonierte oder asphaltierte Flächen gezählt. Zuletzt galten 41 Prozent der genutzten Flächen in Österreich als versiegelt. Das sind 2,9 Prozent der gesamten Staatsfläche. 

Wenn ich richtig rechne, entspricht das rund 6.000 Quadratkilometern. Das kann man für viel oder wenig halten. Was meinen Sie?

Ich sage zunächst einmal: Es ist prozentuell weniger als in Deutschland. Dort liegt der Wert der versiegelten Flächen bei 6,9 Prozent. Man muss allerdings berücksichtigen, dass in Deutschland ein größerer Anteil der Staatsfläche besiedelbar ist. Für einen fairen Vergleich sollte man daher den sogenannten Dauerbesiedlungsraum verwenden. Das ist die Landesfläche minus Wälder, Gewässer und Ödland. Gemessen am Dauerbesiedelungsraum liegt die Versiegelungsquote in Österreich bei 7,9 Prozent und in Deutschland bei 9,8.

Beide Werte werden Kritiker möglicherweise für hohe Werte halten.

Das ist auch ihr gutes Recht. Uns ging es darum, belastbare Zahlen zur Verfügung stellen, damit eine faktenbasierte Diskussion stattfinden kann. Und eines möchte ich schon sagen: Bei einer Versiegelungsquote von 7,9 Prozent würde ich mich nicht trauen zu behaupten, dass Österreich zubetoniert ist. Darunter stelle ich mir einen anderen Prozentsatz vor. Ob das 20 oder 30 sind, weiß ich nicht – aber sicher nicht 7,9. Österreich ist bei Gott nicht zubetoniert.

Wo wir bei Fakten sind. Tatsache ist, dass derzeit um die zukünftige österreichischen Bodenstrategie verhandelt wird. Derzeit werden rund zehn Hektar pro Tag verbaut. Es gibt Forderungen, dass dieser Wert bis 2030 auf 2,5 gesenkt werden soll. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund und Ländern sowie Städte- und Gemeindebund befasst sich mit dieser Thematik. Was halten Sie davon?

Eine derartige Reduktion hätte natürlich gewaltige Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, durch technologische Innovationen den Flächenverbrauch zu reduzieren, aber eine Reduktion um 75 Prozent wäre für die Baubranche nicht verkraftbar. Hier sind die ökologischen und volkswirtschaftlichen Aspekte genau abzuwägen. Dazu wollten wir einen Beitrag leisten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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