Warnpflicht bei Zweifel an tauglicher Bodenuntersuchung
Der Auftraggeber trägt grundsätzlich das Baugrundrisiko. Jedoch treffen den Auftragnehmer nicht nur hinsichtlich des Bodens selbst, sondern auch des Bodengutachtens Warnpflichten, deren Verletzung eine Haftung des Auftragnehmers nach sich ziehen kann.
Das Baugrundrisiko bezeichnet die Gefahr, dass ein Bauwerk aufgrund der tatsächlichen Baugrundverhältnisse nicht oder nur mit Mehraufwand errichtet werden kann. Dieses realisiert sich, wenn die Beschaffenheit des Baugrunds nicht den Erwartungen entspricht. Zum Baugrund zählen neben der Bodenqualität auch die Wasser- und Druckverhältnisse, Ein- und Abbrüche, Rutschungen, Geschiebe, Vermurung, Lawinengefahren, Einbauten sowie Altlasten.
Warnpflicht bei Zweifel an tauglicher Bodenuntersuchung
Die Vertragspartner können das Baugrundrisiko innerhalb der Grenzen der guten Sitten regeln. Ist nichts Abweichendes geregelt, trägt das Baugrundrisiko grundsätzlich der Auftraggeber. Der Auftragnehmer muss den Auftraggeber aber als Ausfluss seiner werkvertraglichen Interessenwahrungspflicht dann warnen, wenn der vom Auftraggeber beigestellte Stoff – dies umfasst insbesondere den Baugrund – „offenbar untauglich“ ist.
„Offenbar“ wird von der Rechtsprechung so ausgelegt, dass den Auftragnehmer eine den üblichen Gepflogenheiten eines ordentlichen Unternehmers entsprechende Untersuchungspflicht trifft. Nur wenn der Auftragnehmer trotz besten Fachwissens nicht erkennen kann, dass der Baugrund ungeeignet ist, scheidet seine Warnpflicht aus (OGH 1 Ob 29/04b). Die Warnpflicht wäre aber überspannt, würde vom Auftragnehmer die Durchführung umfangreicher, technisch schwieriger und kostenintensiver Untersuchungen verlangt werden. Der Auftragnehmer muss daher den Baugrund nur überprüfen, wenn dies Teil seines vertraglichen Leistungsumfangs ist.
Detailfragen
Grundsätzlich darf der Auftragnehmer daher darauf vertrauen, dass der Auftraggeber seiner Verpflichtung zur Erkundung des Baugrunds nachgekommen ist. Müssen ihm jedoch Zweifel kommen, dass der Auftraggeber keine Baugrunduntersuchungen vorgenommen hat, ist der Auftragnehmer verpflichtet, bodenkundliche Angaben zu urgieren. Dies gilt insbesondere, wenn dem Auftragnehmer bekannt ist, dass gar keine Untersuchung erfolgt ist (OGH 5 Ob 60/17k). Diese Warnpflicht besteht auch gegenüber einem sachkundigen oder sachverständig beratenen Auftraggeber und gilt, wenn der Auftragnehmer Zweifel an der Zuverlässigkeit oder Richtigkeit der Angaben hat.
Das bedeutet, dass der Auftragnehmer warnen muss, wenn er weiß oder wissen musste, dass der Auftraggeber keine (taugliche) Bodenuntersuchung vorgenommen hat. Den Auftraggeber kann daran aber zumindest ein Mitverschulden treffen, insbesondere wenn er das Unterlassen der Warnung veranlasst hat. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er die Herstellungsmethode durch einen Ausführungsplan verbindlich festlegt und zu erkennen gibt, an fachlichem Input des Auftragnehmers zu Ausführungsdetails nicht interessiert zu sein (OGH 8 Ob 75/13g).
Fazit
Das Risiko, dass die Beschaffenheit des Erdreichs für die vertragsgemäße Errichtung des Bauwerks nicht geeignet ist, wird grundsätzlich dem Auftraggeber zugeordnet. Sofern dies nicht Teil seines vertraglichen Leistungsumfangs ist, muss der Auftragnehmer auch im Rahmen seiner Warnpflicht keine umfangreichen und teuren Untersuchungen des Baugrunds vornehmen. Müssen dem Auftragnehmer aber Zweifel kommen, dass der Auftraggeber eine taugliche Bodenuntersuchung durchgeführt hat, hat er die Veranlassung tauglicher Untersuchungen zu urgieren. Dies gilt auch bei sachkundigen oder sachverständig beratenen Auftraggebern. Eine schuldhafte Verletzung dieser Warnpflicht kann nicht nur zu einem Anspruchsverlust auf Entgelt, sondern auch zu einer Schadenersatzpflicht führen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass selbst bei Vorliegen eines Bodengutachtens dieses vom Auftragnehmer kritisch durchzulesen ist.