Auftragssperre wegen Mängeln bei früheren Aufträgen

20.11.2019

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hilft der Praxis bei einigen Fragen ­weiter, wirft aber zugleich neue auf.

Langsam bringen Entscheidungen etwas Klarheit in fragliche Bestimmungen des ­Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG). Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 3.10.2019, C-267/18) hilft der Praxis bei einigen ­Fragen, wirft aber natürlich auch wieder neue auf.

Der Ausgangsfall

Ein öffentlicher Auftraggeber beendete einen früheren Vertrag mit einer Arge, weil diese einen nichtgenehmigten Subunternehmer eingesetzt hatte. In ­einem späteren Vergabeverfahren schloss ein anderer Auftraggeber den Bieter, der in der damaligen Arge der führende Partner war, deswegen aus. Der Bieter bekämpfte den Ausschluss.

Die Rechtsgrundlagen

Der Ausschlussgrund lautet gemäß § 78 Abs. 1 Z 9 bzw. § 249 Abs. 2 Z 8 BVergG (der rumänische Ausgangsfall enthielt im Wesentlichen eine gleichlautenden ­Bestimmung) wie folgt: Der Ausschluss erfolgt, wenn „der Unternehmer bei der Erfüllung einer wesent­lichen Anforderung im Rahmen eines früheren Auftrages […] erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen hat, die die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrages […], Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben“.

Weiters ist ein Unternehmer gemäß § 78 Abs. 1 Z 10 bzw. § 249 Abs. 2 Z 9 BVergG auszuschließen, wenn er „sich bei der Erteilung von Auskünften betreffend die Eignung einer schwerwiegenden Täuschung schuldig gemacht hat, diese Auskünfte nicht erteilt hat oder die […] zum Nachweis der Eignung geforderten Nachweise bzw. Bescheinigungen nicht vorgelegt, vervollständigt oder erläutert hat“.

Die EuGH-Entscheidung

Die aktuelle Entscheidung enthält folgende interessante Aussagen:

  • Die vorzeitige Beendigung eines früheren Auftrags erfüllt den Ausschlussgrund nicht automatisch, es müssen „erhebliche oder dauerhafte Mängel“ dazu geführt haben.
  • Erhebliche oder dauerhafte Mängel sind solche, die das Vertrauensverhältnis zerstören können. Konkret wäre zu prüfen, ob im aufgelösten Vertrag überhaupt die Verpflichtung zur vorherigen Genehmigung eines Subunternehmers enthalten war und ob sich der Subunternehmereinsatz negativ auf die ­Auftragsausführung ausgewirkt hat.
  •  Weiters ist zu prüfen, ob ein Einsatz des Subunternehmers eine wesentliche und vergaberechtlich ­unzulässige Vertragsänderung (siehe § 365 BVergG) war. Offenbar stellt eine wesentliche Vertragsänderung ­typischerweise einen „erheblichen Mangel“ dar.
  • Weiters kann die Tatsache, dass der Bieter den ­späteren Auftraggeber nicht aktiv über die frühere Vertragsbeendigung informiert und die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, den Ausschlussgrund der schwerwiegenden Täuschung über die Eignung erfüllen. Was das praktisch bedeutet, hat sich der EuGH aber offenbar nicht durch­gedacht, denn das würde Folgendes bedeuten: Ein Bieter muss in jedem Vergabeverfahren über sämt­liche Mängel in Aufträgen (auch von anderen Auftraggebern) der ­letzten drei Jahre (wobei unklar ist, wie diese Frist zu berechnen ist), die zu einer Vertragsbeendigung oder zu vergleichbaren Sanktionen (wobei unklar ist, was darunter fällt) geführt haben, aktiv informieren und alle Unterlagen zum Nachweis dafür vorlegen, dass es sich um keine „erheblichen und dauerhaften Mängel“ im Sinne des Ausschlussgrunds handelte. Und der Auftraggeber müsste im Vergabeverfahren das alles prüfen. Da der EuGH ­offen ließ, ab wann die Unterlassung solcher Informationen eine „schwerwiegende Täuschung“ darstellt, bleibt künftig die schwierige Frage, wie weit diese Informationspflicht eines ­Bieters tatsächlich geht.
  • Positiv für die Bieterseite ist, dass dann, wenn ­einer der beiden Ausschlussgründe vorliegt, dem ­Bieter die Gelegenheit zur „Selbstreinigung“ (also den Nachweis, dass trotz Unzuverlässigkeit aufgrund entsprechender Compliance-Maßnahmen der ­Bieter doch wieder zuverlässig ist; siehe § 83 Abs. 2 bzw. § 254 Abs. 2 BVergG) einzuräumen ist. Bisher war nicht eindeutig, ob die „Selbstreinigung“ für diese Ausschlussgründe überhaupt anzuwenden ist.

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