Total digital im Tischlerhandwerk
Die Digitalisierung im Handwerk verspricht Effizienzsteigerung und Wettbewerbsvorteile. Ein Überblick, wie Tischler*innen Weichen für eine erfolgreiche digitale Zukunft stellen.
![(c) Stefan Böning](https://www.handwerkundbau.at/wp-content/uploads/2025/02/Boening-1.Bild_Aufmacher_Bildnachweis_Boening.jpg)
Die Digitalisierung im Handwerk ist in aller Munde. Viele Betriebe sind mitten in einem Prozess, der digitalen Transformation. Firmeninterne Prozesse von analog auf digital umzustellen erfordert weit mehr als die Anschaffung von technischen Geräten oder den Einstieg in die ein oder andere Softwarelösung. Hier gilt es genau zu planen, welche Anwendungen zukünftig digital umgesetzt werden sollen. Der nächste große Schritt im Zuge der Digitalisierung ist der „digitale Monteur“. Welche Grundlagen müssen geschaffen bzw. ausgebaut, welche Ansätze verworfen werden? Hier möchte das Tischler Journal einmal aufzeigen, was man bei der Planung nicht außer Acht lassen sollte.
Digitale Hilfsmittel bieten viele Vorteile
Schnell ein paar Striche auf ein Blatt Papier, Maße dran und per Foto über den Messenger ab in die Werkstatt. Von dort kommt ein „Daumen hoch“ und am nächsten Morgen liegt das Werkstück für die Verarbeitung auf der Baustelle zum Abholen bereit. Keine Wartezeiten, langen Telefonate und umständlichen Erklärungen am Telefon. So einfach kann digitales Arbeiten sein. Jeder der im Handwerk arbeitet, hat sicher schon einmal diese einfache Möglichkeit genutzt. Sei es bei Bestellungen, Aufmessarbeiten oder der Abrechnung. Digitale Hilfsmittel erleichtern den Handwerkeralltag.
![Mit einer Softwarelösung alles im Blick, Verwaltungsaufgaben müssen für den Tischler beherrschbar bleiben. (c) Bosch](https://www.handwerkundbau.at/wp-content/uploads/2025/02/Boening-2.Bild_Handwerkersoftware_Bildnachweis_Bosch-300x200.jpg)
Nicht immer fehlerfrei
Jeder der digital arbeitet, hat sicher auch schon die ein oder andre Problemsituationen erlebt. Eine enorm wichtige Mail, die aus irgendeinem Grund nicht versendet werden konnte. Eine falsch getippte Mailadresse, eine nicht wiederherstellbare Datei oder einen Zahlendreher. So mancher Tippfehler hat es bis in die Nachrichten geschafft, weil jemand beim Eingeben eines Betrages ein oder mehrere Kommastellen verschoben hat. Genau an diesem Punkt setzten die Versprechungen der Software Anbieter an, die reibungslos strukturierte Prozesse ohne Papierchaos versprechen.
Digitale Kommunikation
Die richtige Kommunikation in einem Unternehmen entscheidet über vieles. Welche Kommunikationswege nutzen Sie? Einen oder mehrere Messenger über das Firmensmartphone? Dann natürlich auch mit einem Messenger für die private Mobilnummer. Zusätzlich noch SMS und natürlich die E-Mail nicht zu vergessen? Das sind zu viele Kommunikationswege! Diese müssen alle vom Mitarbeiter dauerhaft gelesen, zugeordnet und verarbeitet werden. Hier gilt es zu analysieren, ob es sinnvoll ist, den einen oder anderen Weg aufzugeben. Kein Mitarbeiter im Handwerk sollte mehr Arbeitszeit als erforderlich am Smartphone verbringen. Kommt es dann zu einer Rückfrage, beginnt wie beim Suchen von nicht auffindbaren Werkzeugen die unproduktive Zeit zu laufen. Weiterhin gilt es zu überlegen, ob die Anschaffung einer Telefon-Plattform-Software für die mobile Kommunikation im Handwerk sinnvoll ist. Was in einer Bürostruktur mit Festnetztelefonen und Computerbildschirm bestens funktioniert und einfach zu handhaben ist, erfordert auf dem Smartphone deutlich mehr Aufwand. Hier muss erst die App geöffnet werden, um ein Gespräch anzunehmen oder den gewünschten Gesprächspartner zu erreichen.
![Diese Tabellen zeigen den Mehraufwand für Fahrzeiten, aber auch für die Verwaltungsaufgaben, wenn mehrere Aufträge an einem Arbeitstag abgearbeitet werden. Natürlich ist der Verwaltungsaufwand bei nur einer Baustelle am Tag etwas größer als bei Kleinaufträgen. Dies wurde ebenfalls berücksichtigt.](https://www.handwerkundbau.at/wp-content/uploads/2025/02/Grafik_Digitalisierung_Tischler-300x147.jpg)
Vom Suchen und Finden
Egal ob analog oder digital, wenn man etwas sucht, muss es gefunden werden. Ob Werkzeug, Aufmaßzettel oder Daten. Suchen am Arbeitsplatz verursacht Kosten! Zeit ist Geld! Daher wurden in vielen Betrieben Strukturen geschaffen. Jedes Werkzeug hat seinen Platz und somit findet jeder das Werkzeug, das benötigt wird. Ganz ähnlich ist es mit den Firmen- und Kundendaten. Auch hier müssen Strukturen geschaffen werden, die einfach, jederzeit und von jedem Mitarbeitenden nachvollziehbar sind.
Eine eigene Struktur als Datenbasis
Bevor man weitere Schritte in Sachen Digitalisierung geht, tut man gut daran, sich mit der Datenstruktur im Unternehmen auseinanderzusetzten. Daten sind im Unternehmen alles. Vom Angebot über Baustellenfotos, der Zeiterfassung sowie zu Material- bzw. Stücklisten bis hin zur Endabrechnung. Ideal für die Nachkalkulation, Gewährleistung aber auch bei Ersatzteilanfragen. Hier ein Beispiel:
Ein Kunde bestellt einen Einlegeboden für den Spülenschrank einer Küche aus dem Jahr 2022. Jetzt zeigt sich, wie strukturiert mit den Daten gearbeitet wird.
Haben Sie Ihre Daten und Stücklisten nach Produktionsjahren, Monaten, Wohnorten und Namen getrennt abgespeichert? Finden Sie sofort die passende Auftragsnummer? Im Idealfall finden Sie im Ordner 2022 den Auftrag aus dem Monat Mai „Küche_Max_Beispiel_Wien_Mustergasse13“ auf Anhieb. Dann braucht man nur noch den passenden Boden, der auch als Einlegeboden_Spüle abgelegt wurde, aus der Stückliste zu suchen und den Auftrag abzuarbeiten.
Wurde jedoch der Auftrag mit einer Nummer versehen, wie Auftrag 1205/2022, dann muss zuerst die passende Auftragsnummer gesucht und zugeordnet werden. Hier kann man nur hoffen, es gibt ein Verzeichnis bzw. eine Suchfunktion, wo die Auftragsnummern erfasst und mit den jeweiligen Kundendaten verknüpft aufzufinden sind. So kann der Auftrag der Kundenanfrage entsprechend zugeordnet werden. Ansonsten bleibt es nur viel Spaß beim Suchen zu wünschen.
Ganz ähnlich verhält es sich bei Ersatzteilen im Rahmen einer Gewährleistung. Hier hat man als Betrieb ein sehr großes Interesse daran, kostengünstig das passende Bauteil anfertigen zu können. Unendliche Suchzeiten sind hier einfach unwirtschaftlich und nicht praktikabel.
Die Datenverarbeitung für die Mitarbeiter strukturieren
Fast jeder Mitarbeiter braucht einen Zugriff auf die in seinem Aufgabenbereich fallenden Firmendaten. Die Anschrift des Kunden für das Aufmessen. Die Telefonnummer für Rückfragen bei der Planung und später auch bei der Einsatzplanung für die Montage. Mitunter arbeiten verschiedene Mitarbeiter mit und an den Firmendaten. Daher ist eine einheitliche Vorgehensweise unabdingbar. Nur so können die Daten effizient erstellt, be- und weiterverarbeitet werden. Deshalb ist eine der wichtigsten Maßnahmen beim Einstieg eines neuen Mitarbeiters, eine detaillierte Einarbeitung in die Dateisysteme und Datenstrukturen. Nur wer gezielt Daten ablegen, bearbeiten, finden und langfristig sichern kann, arbeitet effektiv.
Handwerkersoftware als Werkzeug für das gesamte Team
Für die Baustelle, aber auch für das Office, sind Softwarelösungen erhältlich, die einen umfassenden Service versprechen. Diese fassen Themen wie Projekte, Angebote, Rechnungen, Kundendaten, Terminplanung und Zeiterfassung in einer Software zusammen. Oft als Abovariante angeboten, versprechen viele dieser Softwaretools eine „Alles in Einem“-Lösung. Mit Sicherheit findet sich auf der Firmenwebseite des jeweiligen Anbieters auch ein Tischler, der genau diese Softwarelösung in den höchsten Tönen lobt. Jedoch sollte vor einem Vertrag genau geschaut werden, ob die Software Ihren Ansprüchen genügt. Denn Tischler ist nicht gleich Tischler, jede Firma hat ihre individuelle Ausrichtung. Oft wurden diese Software-Lösungen für andere Bereiche entwickelt und einige Funktionen sind nicht so einfach übertragbar, wie es auf den ersten Augenblick scheint. Der große Vorteil ist, dass verschiedenste Ansprüche mit einer App abgearbeitet werden können. So können von einer solchen Software unter anderem die Zeiterfassung, die Urlaubsplanung, die Auftragsbearbeitung und die Kalenderpflege übernommen werden. Ob das in Ihre Betriebsstruktur passt, gilt es im Vorfeld entsprechend auszutesten. Eine allzu schell gefällte Entscheidung kann mitunter Folgen haben. Anfallende Kosten, eine Bindung an ein Softwarehaus, die sich auf lange Sicht nicht einfach wieder rückabwickeln lässt. Weiterhin gilt es, Aufwand und Nutzen einer Softwarelösung in das Verhältnis zu stellen. Wird durch den zusätzlichen Verwaltungsaufwand, der nachvollziehbar die produktive Arbeitszeit vom Handwerker reduziert, Kapazität im Büro frei gesetzt? Oder müssen für den Betrieb der Software neue Mitarbeiter eingestellt oder sogar Dienstleistungen zugekauft werden?
![Freies Tool zur Plattenaufteilung: Eine Lösung für kleine Betriebe, solo Selbstständige, zum Testen und Ausprobieren. (c) Böning](https://www.handwerkundbau.at/wp-content/uploads/2025/02/Boening-3.Bild_Sketch_Cut_Bildnachweis_Boening-300x200.jpg)
Mitarbeitende abholen und einbinden
Durch ein, kostenlos für private Zwecke, nutzbares hochwertiges Smartphone lassen sich viele Mitarbeiter für digitale Aufgaben begeistern. Viele Smartphones bieten die Möglichkeit einer dualen Nutzung. Jedoch darf nicht der Eindruck entstehen, dass Mitarbeiter durch das Firmensmartphone ausgespäht werden. Das Einbinden der Mitarbeiter in den Planungsprozess bringt für den Betrieb viele Vorteile. Eine sorgfältige praxisnahe Testphase zeigt die Vor- und Nachteile auf. Im allerbesten Fall findet man gemeinsam eine Lösung. Hier kann man vorab eingreifen und die Weichen in die richtige Richtung stellen, bevor der Zug „Digitalisierung“ so richtig ins Rollen kommt.
Was digital von jungen Kollegen einfach angenommen und umgesetzt wird, ist für manche erfahrenen Mitarbeiter eine große Herausforderung. Hier kann eine schrittweise Einführung helfen. Eine sinnvolle Alternative ist auch, langjährige Mitarbeiter auf deren ausdrücklichen Wunsch weitgehend analog weiterarbeiten zu lassen. Verlässt so ein erfahrener Mitarbeiter den Betrieb, muss plötzlich auf den über viele Jahre gewachsenen Erfahrungsschatz verzichtet werden. Bedenken Sie, in Folge einer digitalen Überregulierung für Dokumentationszwecke jedes Auftrages am Smartphone, geht wertvolle produktive Arbeitszeit verloren.
Die KI als Alleskönnerin?
Erst vor Kurzem wurde ein Video im Internet gepostet, wo die Angestellten eines Restaurants über eine KI überwacht und kontrolliert wurden. Hier gab es Angestellte, die 15 bis 20 Verkäufe, aber wiederum auch Angestellte, die nur zwei Verkäufe in der Schicht getätigt haben. Wie immer kommt es auf die Sichtweise an. Mitunter ist diese bei solchen, auf das Sammeln von Daten ausgerichteten Systemen sehr einseitig. Warum haben einige Mitarbeiter so wenig Verkäufe getätigt? Waren sie mit der Vorbereitung der Speisen und Getränke beschäftigt? Haben sie den Abwasch bzw. Verwaltungsarbeiten erledigt? Oder haben sie sich mit der Warenbestellung oder mit der Ausbildung bzw. Einarbeitung eines neuen Kollegen beschäftig? Sicher, die KI macht das, was sie soll. Sie sammelt fleißig Daten. Werden aus den gesammelten Daten die falschen Schlüsse gezogen, muss das nicht unbedingt die beste Entscheidung für den Betrieb sein. Nur durch das menschliche Einfühlungsvermögen können die Hintergründe einer jeden Tätigkeit bis in jedes Detail nachvollzogen werden. Am besten funktioniert dies, wenn der Entscheider sämtliche Prozesse und Abläufe genau kennt.
Kein Ende des Stundenbuchs
Hat das gute alte Stundenbuch nun ausgedient? Man muss kein Fachmann sein, um nachvollziehen zu können, dass der sicherste Platz für Daten ein Blatt Papier ist. Das Stundenbuch braucht keine Akku-Ladung, wird im Sonnenlicht nicht unleserlich und braucht keinen Internetzugang. Es funktioniert praktisch immer und überall. Daher ist es parallel zur digitalen Erfassung unverzichtbar. Sollte es vorkommen, dass sich im Rahmen der auftragsbezogenen Zeiterfassung der Mitarbeiter mit einem Auftrag vertan hat, kann man anhand vom Stundenbuch diesen Fehler aufspüren und die entsprechenden Schritte einleiten. Gehen Daten verloren oder können nicht mehr hergestellt werden, hat man so die Möglichkeit, den Tagesablauf auch über längere Zeitspannen Revue passieren zu lassen.
Multitasking – ein überstrapazierter Begriff
Baustellendokumentation, das Einhalten von Terminen, interne und externe Kommunikation, Arbeitszeiterfassung, Kalenderpflege, Materialbeschaffung, Lehrlingsausbildung, die Absprache mit anderen Gewerken und vieles mehr. Das alles sind Themen, die von Mitarbeitern neben der eigentlichen handwerklichen Tätigkeit ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit verlangen. Ganz nebenbei müssen die Baustellen angefahren, Material beschafft und Parkplätze gesucht werden.
Jeder Mitarbeiter erbringt seine Leistung. Diese lässt sich aus der geleisteten Arbeit während der Arbeitszeit bestimmen. Da die Arbeitszeit eines Tages eine feste Größe ist, gilt es zu schauen, wieviel Prozent der Arbeitszeit produktiv und wie viel Prozent für unproduktive Tätigkeiten verbraucht werden. Werden zu viele Verwaltungsaufgaben unter dem Deckmantel der Digitalisierung auf den Mitarbeiter übertragen, sinkt für jeden nachvollziehbar die Produktivität. Müssen neben der eigentlichen, handwerklichen Tätigkeit noch eine große Zahl von Verwaltungsaufgaben mit erledigt werden, wird ein Großteil der Arbeitszeit dafür gebunden. Entweder es wird mehr Zeit benötigt oder die Konzentration auf das Wesentliche leidet. Es passieren Fehler, vielleicht sogar Unfälle. Ausfälle und Nacharbeiten sind die Folge.
Im Straßenverkehr ist es nicht erlaubt, während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung zu telefonieren. Während der Arbeit ist das scheinbar kein Problem. Hier soll gearbeitet, dokumentiert, fotografiert, telefoniert, Fehler gesucht, Ersatzteile bestellt und aufgemessen werden. Versuchen Sie einmal, eine Mail zu schreiben und gleichzeitig einen Text zu lesen und zu verstehen. Unmöglich? Genauso können Mitarbeiter, die durch professionelle handwerkliche Tätigkeiten Probleme lösen, nur eine Aufgabe nach der anderen erledigen.
Gratistools nutzen
Bevor man in eine Software und die entsprechenden Geräte investiert, um in das Thema Digitalisierung einzusteigen, kann es hilfreich sein, sich spielerisch durch den Einsatz von Gratis-Apps mit verschiedensten digitalen Themen auseinander zusetzten. Egal ob Kalenderapp, Zeiterfassung, Aufmaßapp oder digitale Rechnung. Es gibt viele gratis Anwendungen, die für Testzwecke durchaus geeignet sind. Viele Softwareanbieter bieten abgespeckte Gratis- oder Testversionen oder ihre Software mit einem gratis Zeitfenster an. Hier kann man im Testbetrieb arbeiten und die Vor- und Nachteile kennenlernen.
Das Fazit
Dass Aussagen wie „Mit Digitalisierung habe ich Probleme, die ich ohne nie gehabt hätte“ nur die halbe Wahrheit wiedergeben, ist durchaus bekannt. Wichtig ist, nicht vorschnell Entscheidungen zu treffen, die den Betrieb und die Mitarbeiter überfordern. Letztlich soll die Digitalisierung wie ein Werkzeug dem Menschen dienen und nicht der Mensch der Digitalisierung. Eine schrittweise Umstellung auf digitale Prozesse bringt viele Vorteile. Zuerst müssen die Basis sowie der Umgang mit den betrieblichen Daten und der Kommunikation auf soliden Füßen stehen. Werden die Mitarbeiter entsprechend abgeholt, eingebunden, eingewiesen, geschult und eingearbeitet, steht dem optimalen Workflow im Betrieb von Zeiterfassung über Auftragsmanagement bis hin zur Abrechnung nichts im Weg.