Interview

“Dazu brauchen wir Mut”

04.03.2025

Erik Boska, Professor für Baubetrieb, Baubetriebswirtschaft und BIM im Baubetrieb an der Frankfurt University of Applied Science, ist davon überzeugt, dass die grüne Transformation der Bauwirtschaft gelingen kann. Das Mittel dafür: Mut zu Innovationen.

Erik Boska: Lösung durch Innovationen.© Erik Boska.
Erik Boska: Lösung durch Innovationen.
© Erik Boska

Herr Boska, wie wichtig ist die Bauwirtschaft aus Ihrer Sicht für das Erreichen der Pariser Klimaziele?
Erik Boska: Sehr wichtig. Schauen wir uns die Fakten an: Der Bau- und Immobiliensektor ist weltweit für 50 Prozent des Rohstoffverbrauchs und 40 Prozent der CO₂-
Emissionen verantwortlich. Der Anstieg der Treibhausgasemissionen führt zu Klimaerwärmung und Extremwetterereignissen. In der Zeit von 2000 bis 2021 haben Dürren, Unwetter und Hochwasser allein in Deutschland Schäden im Ausmaß von 80 bis 100 Milliarden Euro angerichtet. Diese Schäden werden bis 2050, je nach Szenario, auf 280 bis 900 Milliarden Euro steigen.

Die Kosten des Klimawandels

Das ist eine große Spanne.
Das stimmt. Aber für die zentrale Aussage spielt das keine Rolle. Tatsache ist: Die Kosten des Klimawandels sind gewaltig. Daher stellt sich logischerweise folgende Frage: Wie können wir die Umweltschäden und Folgekosten so gering wie möglich halten?

Ich stelle mir zwei andere: Was kann die Bauwirtschaft tun? Und wie groß ist die Chance, dass die Dekarbonisierung der Bauwirtschaft rechtzeitig gelingt?
Ich bin überzeugt davon, dass die Bau- und Immobilienwirtschaft die Herausforderungen bewältigen wird. Wie? Vor allem durch technologische Innovationen. Die Baubranche hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie dazu in der Lage ist. Ich denke beispielsweise an den Brückenbau. Da waren die Herausforderungen auch gewaltig. Die hat man mit innovativen Verfahren großartig gemeistert. Das wird beim klimaverträglichen Bauen auch gelingen.

Das klingt nach sehr viel Optimismus. Womit begründen Sie diese Zuversicht?
Ich befasse mich sehr intensiv mit der Materie und stehe in engem Kontakt mit der Wirtschaft. Ich sehe zwei wichtige Entwicklungen: Einerseits wächst die Zahl der jungen Unternehmen, die an Lösungen für den Klimawandel arbeiten, rasant. Man spricht hier von Green Tech-Start-ups. Im Jahr 2015 wurden 1,3 Milliarden Euro an Venture-Capital – also Wagniskapital – in derartige Start-ups investiert. 2023 waren es 20 Milliarden Euro. Das investierte Kapital ist also innerhalb von acht Jahren exponentiell gestiegen. Von diesen 20 Milliarden entfielen knapp ein Viertel, exakt 4,6 Milliarden Euro, in den Bereich Urban Tech, also auch auf das Bauwesen.

Das sind beeindruckende Zahlen. Aber der Begriff „Wagniskapital“ beinhaltet das Wörtchen „Wagnis“. Wie groß ist die Chance, dass diese Investments sich lohnen und die Start-ups sich durchsetzen?
Rund 90 Prozent der Start-ups erreichen die gesteckten Ziele nicht. Bei aller Euphorie für Innovation und Weiterentwicklung geht es Ende darum, ob ich ein für meine Kunden ein relevantes Problem löse und somit Nutzen schaffe. Aber zehn Prozent setzten sich eben doch durch. Und die Unternehmen, die diese Investments erhalten, gehören sicher zu denen, die eine große Chance haben, dass es funktioniert.

Wer hat diese Gelder bekommen? Welche Innovationen werden damit finanziert?
Da gibt es viele spannende Beispiele: Ecoworks, ein Unternehmen, das serielle energetisches Sanierungslösungen anbietet, hat 2023 ein Investment von 40 Millionen Euro erhalten – das deutsch-österreichische Proptech-Unternehmen Gropyus, das sich auf serielles und nachhaltiges Bauen spezialisiert hat, 100 Millionen Euro und das Klimatech-Start-up 1Komma5 sogar 430 Millionen Euro.

… Gropyus sagt mir etwas. Wir haben vor einiger Zeit über das Unternehmen berichtet. Ich erinnere mich an das Schlagwort „Plattenbau 2.0“.
Ich halte die Bezeichnung „Maßanzug von der Stange“ für besser. Gropyus setzt auf eine Kombination von Standardisierung und Individualisierung und deckt dabei den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes ab – von der Planung über die Umsetzung bis zur Bewirtschaftung. Und dabei legt man einen starken Fokus auf Effizienz, smarte Bewirtschaftung und nachhaltige Baustoffe. Ich sehe das beispielhaft für einen Paradigmenwechsel in der Branche: Früher haben wir das gebaut, was gebraucht wurde – mit dem, was da war. Heute achten wir auf den nachhaltigen Bau und Betrieb des Gebäudes.

Sie haben vorhin von zwei Entwicklungen gesprochen. Was ist die Zweite?
Neben den Start-ups gibt es natürlich noch die etablierten Unternehmen, die das Thema Innovationen angehen. Sie stellen sich die gleichen Fragen und beantworten sie mit ihren vorhandenen Kompetenzen. Ich stehe in engem Kontakt mit vielen Unternehmen aus dem Mittelstand und weiß, dass hier zahlreiche Spin-offs vorbereitet werden.

Davon liest und hört man allerdings weniger.
Ja, der Mittelstand ist in den Medien vielleicht nicht so aktiv wie die Start-ups, die nach Kapital suchen. Aber es tut sich hier sehr viel. Der Mittelstand in der Bauwirtschaft arbeitet intensiv an Innovationen. Und das ist auch gut so und wichtig. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es ja immer zwei Möglichkeiten. Die Erste: Man kann das Vorhandene optimieren und die Prozesse verbessern. Dazu gehört zum Beispiel der Einsatz von BIM-Modellen bei der Planung, Ausschreibung und Ausführung. Sie werden in Zukunft sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Aber mit der Optimierung des Vorhandenen kommt man nur bis zu einem gewissen Punkt. Die zweite Möglichkeit: Innovationen entwickeln und neue Geschäftsmodelle etablieren.

Was braucht es aus Ihrer Sicht, um die notwendigen Innovationen zu forcieren?
Klare Antwort: Dazu brauchen wir Mut. Den wünsche ich mir. Und den haben wir.

Dieser Mut dürfte dem einen anderen Bauschaffenden derzeit etwas vergangen sein. 2024 war für weite Teile der Bauwirtschaft ein höflich formuliert bescheidenes Jahr. Und 2025 wird nicht besser.
Mir ist schon klar, dass sich ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, der derzeit in der Krise steckt, mit dem Tagesgeschäft ausreichend Herausforderungen hat. Mit dem Steigern der Effizienz und dem Optimieren des Bestehenden allein ist es jedoch nicht getan. Gerade, wenn der Wettbewerb so hart ist, wie jetzt, benötigt man als Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem ich mich abhebe.

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