Low-Tech Bauen

Wenig Technik – viel Gebäude

04.03.2025

Getrieben durch die gestiegenen Baukosten und die Dekarbonisierung der Bauwirtschaft gewinnt ein Trend immer mehr an Bedeutung – die Rückbesinnung auf die alten Tugenden. Im Neudeutschen heißt das: Low-Tech-Gebäude.

Für Anton Rieder ist die Sache klar: „Wir haben in der Branche vergessen, effizient zu planen. Wir müssen uns wieder auf die guten alten Tugenden besinnen“, meint der Tiroler Bauunternehmer und erläutert, was er damit meint. „Mein Vater hat Gebäude von innen nach außen konstruiert. Erst kommt der Nutzen, dann die Optik. Der Fokus lag dabei auf einem möglichst sparsamen Einsatz der Ressourcen.“ In den vergangenen Jahren, so Rieder weiter, sei das oftmals genau andersherum gewesen. „Die Architekten haben von außen nach innen geplant. Hauptsache, das Gebäude war möglichst hübsch – ob das mehr Aufwand bei der Ausführung bedeutet hat, war nicht so wichtig.“

Low-Tech als Lösung

Diese Haltung beginnt sich seit einiger Zeit zu ändern – getrieben vor allem durch die steigenden Baukosten und den Druck zur Dekarbonisierung der Bauwirtschaft. Dabei wird von Planern und Ausführenden immer öfter ein bestimmter Begriff verwendet: Low-Tech-Gebäude. Was sich dahinter genau verbirgt, ist wissenschaftlich nicht exakt festgeschrieben. Aber die Definition von Bauunternehmern Rieder trifft gut, was die meisten sich darunter vorstellen: „Ein möglichst sparsamer Umgang der eingesetzten Ressourcen bezogen auf die geplante Nutzung.“

Für Eike Roswag-Klinge, Architekt bei ZRS Architekten Ingenieure und Professor für konstruktives Entwerfen und klimagerechte Architektur an der TU Berlin, hat Low-Tech Bauen vor allem zwei Aspekte: „Es geht einerseits darum, das Gebäude so zu planen, dass es mit möglichst wenig Gebäudetechnik auskommt. Viele Gebäude werden immer noch so geplant, als wenn Energie für Kühlen und Heizen endlos zur Verfügung stehen würde.“  Beim zweiten Aspekt handelt es sich um das verwendete Material. „Energetisch optimierte Gebäude sind oftmals sehr dicht. Man benötigt eine Lüftungsanlage, um Schimmelbildung zu vermeiden“, so Roswag-Klinge. „Bei intelligenter Planung und dem Einsatz von Materialien, die Feuchtigkeit aufnehmen können – wie Lehm, Holz oder Stroh – braucht man keine Lüftungsanlage.“

Bauunternehmer Rieder hat konkrete Vorstellungen, was unter „intelligenter Planung“ und Rückbesinnung auf die „guten alten Tugenden“ zu verstehen ist. Bei Riederbau hat man einen eigenen „Planungsleitfaden“ entwickelt, in dem man wichtige Grundsätze festgehalten hat, die vor allem beim Riederbau-Holzbausystem in Hybridbauweise zum Einsatz kommen. Einige Beispiele aus diesem Leitfaden: Die Stützweiten werden so optimiert, dass man mit einer möglichst schlanken Decke auskommt – und damit bei vergleichbarer Statik weniger Material einsetzen muss. Wände werden übereinander geplant – das hilft ebenfalls der Statik. Und auch die Sanitärzellen stehen übereinander – so kommt man mit einem Steigstrang aus. Auskragungen und verspringende Wände werden vermieden – diese mögen im Einzelfall nett ausschauen, erhöhen aber den Aufwand bei der Ausführung.

Ein weiterer Punkt, der bei Riederbau wichtig ist: Das Gebäude wird integriert konstruiert. „Ich habe immer wieder erlebt, dass die einzelnen Ebenen eines Hauses isoliert voneinander geplant werden: Das Gebäude unter der Erde hat nichts mit dem über der Erde zu tun. Am Ende muss das dann irgendwie zusammengebracht werden, um die Traglasten abzustimmen“, so Rieder. „Dass das keine besonders kluge Vorgangsweise ist, liegt wohl auf der Hand.“

Der Berliner Architekt Roswag-Klinge verweist auf einen Aspekt, der beim Holzbau relevant ist. „Wir achten darauf, dass wir beim Decken und Wänden mit möglichst wenig Schichten auskommen. Das reduziert die Komplexität, spart Zeit und Material.“ Bislang sei es oftmals üblich, „dass für jede technische Anforderung eine eigene Schicht vorgesehen wird. Dadurch entsteht eine hohe Komplexität bei der Ausbildung der Anschlussdetails“, so Roswag-Klinge weiter. Die Vereinfachung bei einem Low-Tech-Gebäude kann aus seiner Sicht so weit gehen, dass Kabel und Steckdosen wieder über Putz verlegt werden: „Das haben wir im Wohnbau noch nicht realisiert, aber im Gewerbebau wird das bereits umgesetzt.“

Ein großes Thema für die Verfechter des Bauens mit Low-Tech besteht in der Reduktion der Haustechnik auf das notwendige Mindestmaß. Dazu gehört der Verzicht auf eine Lüftungsanlage.  „Als ich vor vielen Jahren in die Branche kam, hat man über die Fenster gelüftet – und die waren nicht zu hundert Prozent dicht“, erinnert sich Bauunternehmer Rieder. „In den 90er Jahren wurden die Gebäude dann energetisch optimiert und die Fenster immer dichter.“ Das Ergebnis: „Wir haben jetzt Wohnungen, die so dicht sind wie eine Thermoskanne. Die alten Wohnungen waren im Vergleich dazu wie die Glaskanne, in die man den Filterkaffee gefüllt hat.“

Um diese energetisch optimierten „Thermoskannen“ zu belüften, setzt man seit Jahren verstärkt auf Haustechnik. Konkret: immer komplexere Lüftungsanlagen mit einem aufwendigen Leitungssystem in allen Zimmern eines Hauses. Rieder vertritt auch hier das Motto „Back to the Roots – auf ein vernünftiges Maß.“ Darunter versteht er den Einsatz von relativ einfachen Abluftgeräten, „die energetisch vielleicht nicht so perfekt sind wie die komplexe Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, aber dafür deutlich weniger aufwendig und sparsamer im Betrieb.“

Zur Haustechnik gehört natürlich auch die Klimaanlage – und die hat in einem echten Low-Tech-Gebäude ebenfalls nichts verloren. Dafür ist nach Sicht von Experten kluge Planung entscheidend. „Die Gebäude, die uns die Moderne gebracht hat, sind Treibhäuser, in denen die Wärme unnötig hochgetrieben wird – um sie dann im Sommer mit hohem Energieeinsatz durch Klimaanlagen wieder zu senken“, meint Architekt Roswag-Klinge. „Wenn man auf die Gebäudegeometrie und auf die Ausrichtung des Gebäudes achtet, kann man viel erreichen.“ So weisen Low-Tech-Gebäude einen niedrigeren Glasanteil auf als herkömmliche Häuser. „Der Glasanteil kann unter 30 Prozent liegen, viel mehr als 40 Prozent sollte es jedenfalls nicht sein“, so Roswag-Klinge. Sein Fazit: „Eine Klimaanlage sollte in unseren Breitengraden nicht notwendig sein.“

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