“Ein klarer Plan mit klaren Zielen”
Anton Glasmaier, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Betonfertigteilwerke (VÖB) und Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich, im Interview mit der Bauzeitung. Er spricht die schwierige Wirtschaftslage, erste Anzeichen der Besserung und einen besonderen Wunsch an die Regierung an: ein klarer Plan mit klaren Zielen.

Copyright: Stefan Seelig
Herr Glasmaier, wie geht es Ihrer Branche zurzeit? „Schon mal besser“ dürfte es treffend bezeichnen, oder?
Anton Glasmaier: So kann man es formulieren. Das verdeutlicht der Konjunkturbarometer, den wir unter den Mitgliedern des VÖB halbjährlich erheben. Der Umsatz der Branche ist 2024 um 15 Prozent gesunken. Rechnet man noch die Inflation hinzu, kommt man auf fast 20 Prozent. Besonders stark ging das Geschäft im Wohnbau zurück. Der Industriebau und Bürogebäude haben sich im ersten Halbjahr noch gut entwickelt, gingen im zweiten aber auch zurück. Gehalten hat sich 2024 die Infrastruktur: Bahn, Straße, Tunnel, große Wasserhaltebecken, Aufschließungen – da war die Auftragslage noch gut.
Noch nie so uneinheitlich
Noch? Heuer nicht mehr?
Nicht in den ersten Monaten des Jahres. Für das erste Quartal sehen wir auch bei der Infrastruktur eine Stagnation. Das zeigt unser Konjunkturbarometer. Wir führen diese Umfrage seit 2011 durch, und noch nie waren die Ergebnisse so uneinheitlich: Während die Hälfte der Betriebe über einen sinkenden Umsatz berichtet, und er bei 30 Prozent stagniert, konnten 20 Prozent den Umsatz steigern.
Woher kommt der Anstieg bei den 20 Prozent, wenn die Aufträge in allen Bereichen schwächeln?
Er ist nicht auf ein Mengenwachstum zurückzuführen, sondern auf Preiserhöhungen. Diesen Unternehmen ist es gelungen, die gestiegenen Kosten bei Einkaufpreisen und Löhnen zumindest teilweise weiterzugeben. Bei einigen Unternehmen laufen Infrastrukturgroßprojekte. Hier konnten Umsatzzuwächse erarbeitet werden. Alles in allem gehen wir aber davon aus, dass die Umsätze unserer Mitglieder im ersten Quartal noch einmal um zehn Prozent gesunken sind. Jetzt kommt allerdings eine Aussage, die sie möglicherweise überraschen wird: Die Stimmung ist aber trotzdem gut.
Das überrascht wirklich. Ich hätte vermutlich keine allzu gute Laune.
Möglicherweise schon, wenn Sie erste Anzeichen der Erholung sehen. Und das ist der Fall. Die Auftragsbücher beginnen sich langsam wieder zu füllen. Es wird noch dauern, bis die Fertigteile produziert sind und geliefert werden. Aber wir rechnen damit, dass die Umsätze im zweiten Halbjahr wieder anziehen werden. Die Hälfte der Betriebe geht laut unserer Umfrage für das Gesamtjahr von einem Anstieg aus.
Sie erwähnen die Befragung der VÖB-Mitglieder. In einer anderen Umfrage, die Sie als Beton Dialog Österreich vor kurzem veröffentlicht haben, ging es um Umweltschutz und Dekarbonisierung. Die Befragten räumen dem Thema eine hohe Priorität ein. Wenn ich das richtig verstanden habe, stellt die Dekarbonisierung die Zement-, Beton- und Fertigteilwerke allerdings vor ganz besondere Herausforderungen. Welche sind das?
Wir drehen an einer Reihe von Schrauben. Die Zementindustrie stellt uns neue, CO₂-reduzierte Zementsorten zur Verfügung, die weniger Klinker enthalten. Wir mussten nun bei der Produktion der Fertigteile lernen, mit diesen Produkten gezielt umzugehen. Hier geht es einerseits um die langfristigen Betoneigenschaften – wir garantieren ja Bauwerke, die 100 Jahre oder länger halten sollen. Andererseits haben wir das Thema der Frühfestigkeit: Das Ziel ist, bei der Produktion in einer angemessenen Zeit die notwendige Festigkeit zu erhalten, damit das Produkt ausgeschalt werden kann. Je schneller das geht, desto effizienter ist der Prozess. Diese Frühfestigkeit erfordert bei den neuen Zementsorten gezielte Wärmebehandlungen oder den Einsatz von Härtekammern …
… was mehr Energieeinsatz bedeutet.
Genau. Es stellt sich daher die Frage, wie man möglichst nachhaltige Energie zu möglichst niedrigen Kosten beschafft. Das geht beispielsweise, indem man selbst mit einer PV-Anlage Solarstrom produziert. Es gibt aber durchaus auch Alternativen zur Härtekammer, indem man den Produktionsprozess anpasst. Wir haben bereits Werke, die die klinkerreduzierten Zementsorten gezielt am Freitag einsetzen. Der Beton bleibt übers Wochenende in der Schalung und hat bis Montag Zeit auszuhärten. Das funktioniert sehr gut, solange 20 Prozent des Absatzes auf diese Sorten entfällt.
Wenn die Nachfrage weiter steigt, muss man allerdings doch wieder die Härtekammer einsetzen?
Das ist eine Variante. Die Betriebe arbeiten aber daran, die Überwachungssysteme in der Produktion weiter zu verbessern – damit man noch besser ermitteln kann, wie sich der Beton im Härtegrad entwickelt hat: Welches Element kann ich schon ausschalen? Welches muss ich noch eine Stunde aushärten lassen? Durch ein verbessertes Monitoring lässt sich der Einsatz der Härtekammern und damit der Stromverbrauch senken.
Sprechen wir abschließend über die Politik. Österreich hat eine neue Regierung. Was wünschen Sie sich von ihr?
Ich wünsche mir vor allem drei Dinge. Erstens: Dass die Regierung einen klaren Plan zeichnet, der festlegt, wo die Reise hingehen soll: Was ist das Ziel? Welche Maßnahmen sind notwendig? Und was kostet das? Das hilft nicht nur der Industrie, sondern auch der Bevölkerung. Wenn sie weiß, wohin es geht, trägt es sich leichter, Einsparungen hinzunehmen. Im nächsten Schritt muss dann der notwendige Betrag für die Umsetzung dieses Plans zur Verfügung stehen.
Sie sprachen von drei Wünschen. Gibt es einen, der speziell die Betonindustrie betrifft?
Ja, wir wünschen uns eine faire Behandlung aller Baustoffe. Dem Beton wird der CO₂-Ausstoß bei der Produktion vorgehalten. Dabei fallen aber oftmals die Vorteile unter den Tisch: Beton ist sehr langlebig, er ist komplett kreislauffähig und er ist ein ausgesprochen regionales Produkt mit geringen Transportemissionen. Zudem besitzt er hervorragende Eigenschaften wie die Tragfähigkeit, die Flexibilität oder die Möglichkeit zur Bauteilaktivierung. Wir schlagen daher vor, dass bei Ausschreibungen nicht ein bestimmter Baustoff festgelegt wird, sondern die gewünschte Eigenschaft. Das wäre der sinnvolle Weg.
Was bedeutet das konkret?
Der Bauherr legt fest, welche Eigenschaften ihm besonders wichtig sind. Bei einem Pensionistenheim kann das die Möglichkeit zur energiesparenden Kühlung sein, bei einem Tunnel die Langlebigkeit, bei einem Kindergarten möglichst niedrige CO₂-Emissionen, und bei einem Gebäude aus dem sozialen Wohnbau können schlicht und ergreifend die Kosten im Vordergrund stehen. Der Bauherr gibt die Vorgaben. Die Anbieter legen ihre Lösung mit den dahinterliegenden Berechnungen vor. Die öffentliche Hand könnte hier vorangehen. Dabei ist allerdings ein Punkt wichtig.
Ich bin gespannt.
Die geforderten Eigenschaften sollten einander nicht ausschließen: Der CO₂-reduzierteste Beton im langlebigsten Brückenpfeiler wird sich nicht ausgehen.