Das Ende der Plastikflasche?
Seit Anfang des Jahres gilt in Österreich ein Pfand auf Einwegplastikflaschen. Das betrifft auch den Bau. Denn dort erfreuen sich die Kunststoff-Gebinde großer Beliebtheit – bislang jedenfalls. Das Pfand könnte zu einem Umdenken führen.

„Seit Anfang März ist die Nachfrage enorm – vor allem aus der Bauwirtschaft. Da erhalten wir eine Anfrage nach der nächsten.“ Robert Stolz, Geschäftsführer von Culligan Austria, kann sich derzeit nicht über mangelndes Interesse der Kundschaft beschweren. Das Unternehmen ist Marktführer in Österreich bei der Versorgung von Unternehmen und Privathaushalten mit Trinkwasser – sei es über Gallonen, die in einer eigenen Produktionsstätte in der Steiermark abgefüllt werden, oder über leitungsgebundene Zapfstationen, die das vorhandene Leitungswasser filtern und gekühlt, erhitzt oder mit Kohlensäure versetzt darreichen.
Starke Nachfrage
Den rasanten Anstieg der Nachfrage – allen voran aus der Bauwirtschaft – hat Culligan vor allem dem Einwegpfandsystem zu verdanken, das seit 1. Jänner 2025 in Österreich gilt: Pro Einweg-Plastikflasche oder Getränkedose mit einer Füllmenge von 0,1 bis drei Liter wird beim Verkauf ein Pfand von 25 Cent einbehalten. Hatten die Supermärkte zu Beginn des Jahres noch Restbestände von alten Gebinden in den Regalen, für die noch kein Pfand zu berappen war, kommen die Konsumenten nun an der neuen Verpflichtung nicht mehr vorbei – deshalb das gestiegene Interesse bei Culligan seit Anfang März.
Geschäftsführer Stolz ist daher zuversichtlich, den Absatz im laufenden Geschäftsjahr trotz der allgemein eher düsteren Wirtschaftslage deutlich steigern zu können. „Ich rechne beim Umsatz mit einem Plus von rund 15 Prozent.“ Culligan hat nach eigenen Angaben derzeit rund 32.000 Wasserspender im Markt. 85 Prozent davon sind bei Unternehmen aufgestellt, 15 Prozent in privaten Haushalten. Die meisten der Wasserspender, 75 Prozent, werden mit Gallonen befüllt, 25 Prozent sind leitungsgebundene Wasserspender. Heuer sollen insgesamt 4.000 neue Wasserspender aufgestellt werden – viele davon bei Betrieben aus der Bauwirtschaft.
Der Bau gehört bereits jetzt zu den besten Kunden von Culligan. Die großen Bauunternehmen des Landes sind längst treue Abnehmer. „Fast alle namhaften Baustellen in Österreich, die über ein Jahr hinausgehen, werden von uns beliefert“, so Geschäftsführer Stolz. Dazu gehören zum Beispiel die U-Bahn-Baustellen in Wien oder der Brenner-Basis-Tunnel in Tirol. Stolz: „Von den 500 größten Unternehmen Österreichs zählen 400 zu unseren Kunden“ – darunter auch die „fünf größten Bauunternehmen des Landes“.
Gewerbe- und Handwerksbetriebe gehören zu den Kernzielgruppen von Culligan. „Dort findet viel manuelle Arbeit statt. Die Leute haben einen höheren Bedarf an Flüssigkeit. Die Arbeit auf der Baustelle oder in einer Autowerkstätte ist körperlich enorm anstrengend. Diesen Mitarbeitern kann man mit unkompliziertem Zugang zu kühlem Wasser viel Gutes tun.“
Am Bau kommen die Trinkwasserspender aus dem Haus Culligan in den Aufenthaltscontainern und in den Bürocontainer zum Einsatz. Dort spielt auch das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle: „200 Bauarbeiter auf einer Baustelle produzieren tagtäglich so viel Müll, dass sie ein eigenes Abfallwirtschaftskonzept benötigen“, meint Stolz. „In den Bürocontainern finden zahlreiche Besprechungen statt. Wenn nach jeder Besprechung ein Plastikmüllberg hinterlassen wird, ist das in unserer modernen Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß.“
Die neue Pfandregelung für Einwegplastikflaschen führt nun auch zu einem gesteigerten Interesse bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen aus dem Baugewerbe und dem Handwerk. „Die Trinkwasserversorgung wird bislang auf kleineren Baustellen vor allem über Plastikflaschen abgedeckt“, erläutert Stolz. Die klassische Art der Versorgung: „Morgens werden vor der Arbeit massenweise 1,5-Liter-Flaschen im Sechserpack gekauft.“ Die Entsorgung des Plastikmülls mag bislang lästig gewesen sein. Die neue Pfandregelung erzeugt nun allerdings einen echten logistischen Aufwand. Und den scheuen viele Betriebe. Daher die erhöhte Nachfrage nach Trinkwasserspendern.
Neben den Argumenten, dass das Wasser aus dem Spender besser schmeckt und die Reduktion des Müllbergs ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit ist, verweist der Culligan-Geschäftsführer auch auf den Kostenfaktor. Er berichtet dabei über ein Erlebnis mit einer größeren Autowerkstätte in Oberösterreich mit mehr als 150 Mitarbeitern: „Der Geschäftsführer war uns gegenüber ablehnend und hat gesagt, sie haben eh Mineralwasser. Jeder kann nehmen, wenn er will“, erzählt Stolz. „Unser Vertriebsmitarbeiter hat gefragt, ob er überhaupt weiß, was ihm das Mineralwasser pro Jahr kostet. Er ist kurz in die Buchhaltung gegangen und war selbst erstaunt über die Antwort: 22.000 Euro für Mineralwasser pro Jahr.“
Dieser Kunde hat laut Stolz durch den Umstieg auf Trinkwasserspender „mit einem Schlag“ eine Kostenersparnis von 90 Prozent erzielt: „Jetzt sind fünf Wasserspender positioniert. Im Kundenbereich, im Aufenthaltsbereich und in der Werkstatt. Er hat viel Geld gespart, hat ein herzeigbares Nachhaltigkeitsprojekt und er hat die Mitarbeiterzufriedenheit gestärkt, weil die Leute nicht mehr lauwarmes Mineralwasser trinken müssen, sondern gekühltes Wasser zapfen können.“
Potenzial für weiteres Wachstum ist vorhanden. Denn Österreich zählt bei der Verwendung von Trinkwasserspender bislang noch zu den Nachzüglern. Laut den Zahlen des Culligan-Managers sind in Österreichs Betrieben und privaten Haushalten derzeit rund 36.000 Wasserspender aufgestellt. In Belgien und der Schweiz – von der Einwohnerzahl vergleichbar groß – sind es mit rund 70.000 praktisch doppelt so viele.
Trotz der aktuell gesteigerten Nachfrage nach seinen Produkten ist Stolz kein großer Freund der Pfandlösung: „Das Pfand macht die Einwegflasche unattraktiver, aber es löst das Problem nicht. Das Pfandsystem sehe ich als eine Art Freifahrtschein für Plastik, denn es suggeriert den Konsumenten, dass es in Ordnung ist, weiterhin Plastikmüll zu produzieren, solange er recycelt wird“, meint er. Doch echte Kreislaufwirtschaft beginne bei der Vermeidung von Abfällen – nicht bei deren Rückgabe. Stolz: „Die beste Plastikflasche ist jene, die nie produziert wird.“