Nachhaltig trotz Krise
Die heimische Zement- und Betonbranche setzt auf Nachhaltigkeit. Daran ändert auch die aktuelle Flaute am Markt nichts. Damit die grüne Transformation gelingt, benötigt es aber aus Sicht ihrer Vertreter aber vor allem eines: Klare Vorgaben von der Politik – und mehr Mut von Auftraggebern und Bauherren.

„Als einer der größten Treibhausgasemittenten weltweit muss sich die Bauindustrie weiterentwickeln. CO₂-reduzierter Beton ist ein wichtiger Motor für den Wandel.“ Harald Zulehner, Geschäftsführer des Schalungsanbieters Doka in Österreich hat zum Thema Nachhaltigkeit in der Betonbranche eine klare Meinung – und sich einiges vorgenommen: „Wir setzen uns für eine kohlenstoffärmere Zukunft im Bauwesen ein, und verfolgen auch selbst das ambitionierte Ziel, bis 2040 Net Zero zu erreichen.“
Aktuelle Umfrage
Trotz Flaute am Markt und mitunter widersprüchlicher Signale aus der Politik hält das Unternehmen an diesem Ziel fest. Dabei befindet es sich in bester Gesellschaft. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage, die im Auftrag der Branchenvereinigung Beton Dialog Österreich durchgeführt worden ist: Wenn es um die Prioritäten der Branche geht, belegen Umwelt- und Klimaschutz in der Umfrage Spitzenplätze. Daran ändert auch das derzeit schwierige wirtschaftliche Umfeld offenbar nichts.
So geben 93 Prozent der Befragten an, dass die Ressourcenschonung ein „sehr“ oder „eher“ wichtiges Thema für diesen Wirtschaftszweig ist. Gefolgt von der Entwicklung neuer CO₂-reduzierter Zemente mit 84 Prozent und neuer Betonrezepturen mit 80 Prozent. „Die österreichischen Zement-, Transportbeton- und Betonfertigteilhersteller setzen seit Jahren konkrete und transparente Maßnahmen, um den CO₂-Ausstoß in der Produktion und im Betrieb ihrer Standorte kontinuierlich zu senken“, meint Anton Glasmaier, Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich und Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Betonfertigteilwerke (VÖB). „Diese Maßnahmen tragen dazu bei, Beton als unersetzbaren Baustoff in der Transformation der österreichischen Bauwirtschaft hin zum klimaneutralen Bauen zu positionieren.“
Zu den Unternehmen, die sich nicht von der aktuellen Flaute am Bau irritieren lassen, gehört auch das niederösterreichische Bauunternehmen Leyrer + Graf. Firmenchef Stefan Graf auf die Frage, ob die aktuelle Wirtschaftslage etwas an der Ausrichtung seines Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit ändert: „Nein, denn zum einen ist es zu tun und zum anderen sollte man die allgemeine strategische Ausrichtung beziehungsweise die Haltung des Unternehmens keinen konjunkturellen Wellen unterwerfen.“ Man denke und handle, so Graf weiter, „mit Blick auf kommende Generationen“ und setze dabei auf „innovative Lösungen, die nicht nur unsere Produktivität steigern, sondern auch den Weg zur Klimaneutralität unterstützen“. Und er verstärkt die Aussage noch: „Nachhaltigkeit ist mehr denn je das Gebot der Stunde, und ich sehe es als unsere gesellschaftliche Verantwortung, unseren ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten.“
Das dürfte auch Peter Radel unterschreiben. Der Österreich-Geschäftsführer des Schalungs- und Gerüstbau-Anbieters Peri: „Nachhaltigkeit spielt für Peri eine zentrale Rolle und ist fest in der Unternehmensstrategie verankert.“ Die wirtschaftliche Situation der Bauwirtschaft, so Radel weiter, „ändert nichts an der nachhaltigen Ausrichtung unseres Unternehmens. Peri verfolgt konsequent seine Nachhaltigkeitsziele.“
Für Michael Wardian, Geschäftsführer der Kirchdorfer Gruppe, ist Nachhaltigkeit „der Gamechanger“ in der Baubranche. „Es geht um Widerstandsfähigkeit, Langlebigkeit und Ressourceneffizienz – von der Herstellung über die Nutzung bis zur Wiederverwertung.“ Dies gelte nicht nur für Gebäude, sondern auch im gesamten Infrastrukturbereich. Wardian ist daher überzeugt: „Auch Langlebigkeit ist eine Form der Nachhaltigkeit.“ Das schwierige Umfeld sieht er eher als Anlass, die Nachhaltigkeitsmaßnahmen weiter zu forcieren. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigt sich: Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern ein Stabilitätsfaktor“, so der Kirchdorfer-Chef. „Investitionen in CO₂-reduzierte Technologien, Kreislaufwirtschaft, Sicherheit und Langlebigkeit stärken unsere Wettbewerbsfähigkeit und sichern langfristig unseren Standort.“
Die aktuelle wirtschaftliche Lage habe „natürlich Auswirkungen auf unser Unternehmen. Glücklicherweise haben wir bereits vor der Krise in neue Produktionsanlagen investiert, sodass wir weiterhin fortschrittliche Produkte anbieten und entwickeln können“, erläutert Moser. Seine klare Aussage: „Trotz geopolitischer Herausforderungen und möglicher Entschleunigung bei den EU-Vorgaben bleibt Nachhaltigkeit eine zentrale Säule unserer Ausrichtung. Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der europäischen und österreichischen Entwicklung spielen wird. Daher bleiben wir unserer Strategie treu und denken voraus, um den zukünftigen Bedarf zu decken.“
Und auch der Bauchemie-Anbieter Mapei hält am eingeschlagenen Weg fest. „Nachhaltigkeit ist für Mapei kein Schlagwort, sondern ein zentraler Unternehmenswert, der unsere tägliche Arbeit maßgeblich prägt“, sagt Andreas Wolf, Geschäftsführer von Mapei Austria. „Wir investieren seit Jahren konsequent in umweltschonende Produktentwicklungen und ressourcenschonende Technologien.“ Besonders stolz ist er „auf unsere Zero-Linie, deren CO₂-Emissionen durch zertifizierte Maßnahmen vollständig kompensiert werden“.
Die aktuelle Marktlage stelle zwar neue Anforderungen an die Branche, aber, so Wolf weiter, „an unserer nachhaltigen Ausrichtung ändert das nichts – im Gegenteil: Wir haben die Herausforderung genutzt, um uns intern noch stärker zu organisieren.“ So haben man 2023 bei Mapei Austria ein interdisziplinäres Nachhaltigkeitsteam gegründet, das die ökologische Performance der Produkte analysiert und interne Prozesse evaluiert und optimiert. Wolf: „Dadurch ergeben sich neue organisatorische Strukturen und Synergien, die es uns ermöglichen, noch gezielter auf ökologische sowie wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren.“
Beim heimischen Schalungs- und Gerüstbau-Anbieter Doka ist die Nachhaltigkeit laut Österreich-Geschäftsführer Zulehner kein „loses Schlagwort, sondern tief in der Unternehmensstrategie verankert“ und ein „zentraler Treiber“ des Wandels, um den Betonbau fit für die Zukunft zu machen. Um sein strategisches Ziel „Net Zero bis 204″0 zu erreichen, fokussiert sich das Unternehmen vor allem auf die Themen Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft.
Doka hat den Carbon Footprint für mehr als 7.000 Produkte berechnet. Die Ergebnisse liegen seit 2024 vor. „Die gewonnenen Erkenntnisse unterstützen Kundinnen und Kunden bei der Auswahl emissionsärmerer Produkte und fließen bereits gezielt in die Produktentwicklung ein“, so Doka. Als „treibende Kraft“ sei man auch „maßgeblich“ an der Entwicklung von Mindeststandards für die Berechnung von Product Carbon Footprints beteiligt gewesen – „Ein Meilenstein für die Schalungs- und Gerüstbaubranche und ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Baubranche.“
Auf der Baumaschinenmesse Bauma in München hat das Unternehmen vor wenigen Wochen mehr als 40 Innovationen präsentiert, von denen eine Reihe auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen. Dazu zählt auch die neue Xlife Top-Platte. Sie ist die erste Schalungsplatte von Doka, deren Kern vollständig aus recyceltem Kunststoff besteht. Der Vorteil für Kunden und Umwelt: „Aufgrund ihrer besonders langen Lebensdauer und der mehrfachen Wiederverwendungszyklen reduziert sie den Materialverbrauch und die Instandhaltungskosten“, so Doka. Am Ende ihrer Nutzungsdauer „wird die Platte zurückgenommen und wieder in denselben Kreislauf zurückgeführt, wo sie zu neuen Plattenkernen verarbeitet wird“.
Beim Konkurrenten Peri setzt man auf die leichte Systemschalung Duo. „Sie zeichnet sich durch eine nachhaltige Herstellung ohne Abfall aus, da der gesamte eingesetzte Rohstoff zum Produkt verarbeitet wird“, erklärt Peri Österreich-Chef Radel. Alle Bauteile, so Radel weiter, „sind zudem wiederverwertbar und lassen sich zur Herstellung neuer Produkte einsetzen.“
Bei allen Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit – wie wirksam sie sind, hängt davon ab, wie sehr sie sich am Markt durchsetzen und die Kundschaft sie annehmen. Und hier gibt es laut Kirchdorfer-Geschäftsführer Wardian beim CO₂-reduzierten Beton durchaus noch „Luft nach oben“. Die „günstigste Produktion allein“ reicht aus seiner Sicht nicht mehr aus. „Die Gesellschaft fordert zusätzliche Parameter wie Transparenz bei Transportwegen und Regionalität.“ Wardian verweist dabei auf Pilotprojekte mit der ÖBB und im mineralischen Wohnbau. Diese „zeigen das Potenzial von Recycling-Beton und CO₂-reduzierten Rezepturen“. Der Kirchdorfer-Manager appelliert an die Kundschaft: „Ein entscheidender Faktor ist die Bereitschaft der Branche, mutiger zu handeln. Wir liefern die Lösungen, aber es braucht mehr Entschlossenheit von Auftraggebern und Bauherren, diese konsequent einzusetzen.“
Leyrer + Graf-CEO Graf beobachtet, dass Nachhaltigkeit zunehmend zum Kriterium bei Ausschreibungen wird – „vor allem bei öffentlichen Auftraggebern“. Er begrüßt das sehr: „Schließlich sind wir alle, sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber, den gleichen Richtlinien und Vorgaben am Weg zur Klimaneutralität unterworfen.“ Wopfinger Transportbeton-Geschäftsführer Moser hat eine ähnliche Wahrnehmung: „CO₂-reduzierte und Recycling-Betone werden vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen im Hochbau und in der Infrastruktur sowie im gewerblichen Hochbau immer stärker nachgefragt“.
Weniger stark sei die Nachfrage allerdings im privaten Bereich. Hier gebe es „nur vereinzelte Anfragen“. Moser: „Es ist wichtig, Kunden gezielt auf die neuen Möglichkeiten hinzuweisen.“ Das Merkblatt CO₂-Klassen für Beton der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) biete Planern und Bauherren „eine gute Basis, um CO₂-optimierte Betone neutral auszuschreiben“.
Kommunikation und Information hält auch Mapei Österreich-Chef Wolf für wichtig. „Das Bewusstsein für nachhaltige Lösungen wächst kontinuierlich, aber wir beobachten eine differenzierte Nachfrage“, meint Wolf. „Besonders Betonfertigteilhersteller zeigen sich sehr offen – hier werden unsere EPD-zertifizierten Produkte bereits gezielt nachgefragt.“ In anderen Segmenten sehe man bei Mapei ein wachsendes Interesse. Aber: „Es besteht nach wie vor Erklärungsbedarf, was Ökobilanzen, Zertifizierungen und langfristige Einsparpotenziale betrifft. Wir setzen daher stark auf Transparenz und Beratung, um unseren Kunden die Vorteile nachhaltig hergestellter Bauchemie näherzubringen.“
Peri Österreich-Geschäftsführer Radel beobachtet, dass „das schwierige Marktumfeld“ die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen derzeit bremst. „Ich bin mir allerdings sicher, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um in Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit zu investieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Von der Politik wünschen sich die Branchenvertreter beim Thema Nachhaltigkeit vor allem zwei Dinge. Leyrer + Graf-Chef Graf stellvertretend für viele seiner Kollegen: „Ich wünsche mir deutlich weniger Bürokratie bei diesem Thema und klare Standards.“ Kirchdorfer-Geschäftsführer Wardian drückt es aus: „Klare Vorgaben, weniger Bürokratie, mehr Förderungen für Innovationen.“ Doka Österreich-Chef Zulehner ist ein weiteres Thema besonders wichtig, in einem Interview im Rahmen der Serie „Klare Worte“ in der Bauzeitung formuliert hat (siehe Bauzeitung 5/2025). Die Bauwirtschaft benötigt von der Politik aus seiner Sicht eine „langfristige, verlässliche Strategie“. Das sieht auch Wopfinger Transportbeton-Geschäftsführer Moser so: „Wir wünschen uns von der Politik, dass sie trotz kurzfristiger Probleme das langfristige Ziel der Erhaltung unserer Lebensbedingungen nicht aus den Augen verliert.“