Das Baugrundrisiko – Unterschiede zwischen Vergabe- und Zivilrecht
Die zumindest teilweise Überwälzung des Baugrundrisikos auf Auftragnehmer ist ein regelmäßiges Praxisthema mit weitreichenden Folgen.
Da dieses Thema in letzter Zeit häufig diskutiert wurde, folgt eine grobe Übersicht über die Unterschiede zwischen Vergabe- und Zivilrecht.
Vergaberecht und Baugrundrisiko
Das Bundesvergabegesetz (BVergG) verpflichtet den Auftraggeber, die Leistung vollständig zu beschreiben und sicherzustellen, dass die ausgeschriebenen Leistungen und deren Umstände für die Bieter kalkulierbar und (als Folge davon) die Angebote vergleichbar sind.
Der Auftraggeber muss daher auch den Baugrund, soweit dies möglich ist, vollständig beschreiben. Das Risiko, dass die ausgeschriebenen Bauleistungen durch den Baugrund beeinträchtigt werden, muss er grundsätzlich selbst tragen.
Zivilrecht und Baugrundrisiko
Das Zivilrecht kennt weder eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Beschreibung des Baugrunds noch die Anforderung, dass Angebote kalkulierbar oder vergleichbar sein müssten.
Allerdings gibt es auch im Zivilrecht Regeln, die ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgleichen sollen. Hinsichtlich des Baugrundrisikos ist das vor allem § 879 Abs 1 bzw. 3 ABGB, der die Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung oder auch des gesamten Vertrages wegen Verstoßes gegen die guten Sitten oder wegen gröblicher Benachteiligung eines Vertragspartners vorsieht.
Die Judikatur zu dieser Bestimmung ist sehr einzelfallbezogen, aber es gibt eine Entscheidung, in der sich der Oberste Gerichtshof konkret mit dem Baugrundrisiko beschäftigt hat (10.9.1997, 7 Ob 2382/96m) und die noch heute für Verwirrung sorgt: Darin hat der OGH insbesondere gesagt, dass die Überwälzung eines unkalkulierbaren und nach oben hin unbegrenzten Baugrundrisikos nichtig ist. Auf dieser Basis meinen manche, dass kein wesentlicher Unterschied zwischen Vergabe- und Zivilrecht bestehe, weil auch im Zivilrecht die Kalkulierbarkeit des Baugrundrisikos wesentlich sei.
Dies ist allerdings meines Erachtens nicht zutreffend:
- Erstens zeigt die genauere Betrachtung dieser Entscheidung, dass der OGH ein falsches Verständnis von Bauleistungen und deren Kalkulation hatte. Er sagte nämlich auch, dass im Anlassfall das Baugrundrisiko kalkulierbar gewesen wäre, weil die Aushubmenge errechenbar gewesen sei. Das ist falsch, denn aus der bloßen Bekanntheit der Aushubmenge folgt keine Kalkulierbarkeit des Baugrundrisikos. Das Baugrundrisiko besteht aus einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Risiken (Bodeneigenschaften im engeren Sinne, Kontaminationen, archäologische Funde, Kriegsrelikte, etc.). Ohne vertragliche Annahmen ist eine konkrete Kalkulation nicht möglich.
- Zweitens zeigt die Entscheidung durch den Verweis des OGH, dass nur die Übernahme eines „nach oben hin unbegrenzten“ Baugrundrisikos nichtig wäre, einen deutlichen Unterschied zum Vergaberecht. Solange es eine Obergrenze gibt, wäre eine Überwälzung auf den Auftragnehmer zivilrechtlich zulässig. Vergaberechtlich reicht aber eine bloße Obergrenze nicht aus, um der Anforderung der vollständigen Beschreibung von Leistungen und Risiken zu genügen.
Zivilrechtlich stellt sich die Frage, was der OGH mit einer Obergrenze gemeint haben könnte. Darüber kann mangels konkreter Aussagen in der Entscheidung nur spekuliert werden. Was wohl dafür nicht ausreichen wird, ist die bloße Kalkulierbarkeit nach vom Bieter anzunehmenden Wahrscheinlichkeitswerten (Multiplikation der Kosten eines Worst-Case-Szenarios mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit), denn diese Möglichkeit besteht praktisch immer, sodass keine unkalkulierbaren Risiken mehr verbleiben würden. Das kann der OGH-Entscheidung aber nicht unterstellt werden.
Werkvertragsnormen und Baugrundrisiko
Die Vorgaben der ÖNormen B 2110 oder 2118, die nur gelten, wenn sie vereinbart werden, entsprechen im Wesentlichen jenen des Vergaberechts. Gemäß Punkt 4.2.1.3 sind die Baugrundverhältnisse in der Ausschreibung anzugeben, und gemäß Punkt 7.2.1 trägt der Auftraggeber das Baugrundrisiko wie auch das Risiko einer nicht vollständigen Leistungsbeschreibung im Sinne von Punkt 4.2.1.3.