Funktionale Leistungsbeschreibung in Ausschreibung und Vertrag

06.07.2015

Öffentliche Auftraggeber setzen zunehmend die funktionale Leistungsbeschreibung ein, die sich grundsätzlich von der konstruktiven Leistungsbeschreibung unterscheidet.

Paragraf 95 Abs 3 Bundesvergabegesetz (BVergG) definiert die funktionale Leistungsbeschreibung als „Festlegung von Leistungs- und Funktionsanforderungen“ anstatt der Aufgliederung der zu erbringenden Teilleistungen.

Ein einfaches Beispiel: In einer konstruktiven Leistungsbeschreibung werden im Leistungsverzeichnis nicht nur die Höhe der Mauer, sondern auch Baumaterialien und Baumethode festgelegt. Bei der funktionalen Leistungsbeschreibung werden nur Höhe und Zweck (Funktion) der Mauer beschrieben. Materialien und Baumethode bleiben dem Bieter überlassen. Schwierig ist die Abgrenzung allerdings fallweise durch die Tatsache, dass Mischformen eingesetzt werden, die überwiegend konstruktiv oder überwiegend funktional sind.

Vergaberechtliche Unterschiede

• Bei funktionaler Leistungsbeschreibung dürfen auch „umfangreiche Vorarbeiten von den Bietern“ verlangt werden (§ 78 Abs 3 BVergG).

• Im Gegenzug muss die Angebotsfrist ausreichend sein (§ 57 Abs 1 BVergG). Weiters müssen gemäß § 111 Abs 3 BVergG dem Bietern die Kosten für ausschreibungsgemäße Angebote ersetzt werden, wenn „besondere Ausarbeitungen“ verlangt werden.

• Bei funktionaler Leistungsbeschreibung in einem Verhandlungsverfahren dürfen zu Beginn noch Lücken und Unschärfen enthalten sein, die erst im Zuge des Verhandlungsverfahrens beseitigt werden; auch für die Angebote gibt es in § 109 Abs 5 BVergG eine entsprechende Einschränkung.

• § 97 BVergG legt detailliert fest, was in einem konstruktiven Leistungsverzeichnis beschrieben werden muss. Für die funktionale Leistungsbeschreibung sind in § 96 Abs 3 bis 6 BVergG nur Grundsätze festgelegt.

• Gemäß § 109 BVergG muss bei funktionaler Leistungsbeschreibung der Bieter ein Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisen sowie sonstige Erläuterungen erstellen, damit sein Angebot auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft werden kann.

Vertragsrechtliche Unterschiede

Der (künftige) Auftragnehmer trägt bei funktionaler Leistungsbeschreibung das Risiko für die Richtigkeit der von ihm selbst ermittelten Mengen (§ 109 Abs 3 BVergG).

Aus den „Eigenheiten“ der funktionalen Leistungsbeschreibung, die einen Teil der Planungsleistung dem (künftigen) Auftragnehmer überlässt, folgt auch, dass die ÖNorm B 2110 entsprechend zu verändern bzw. zu ergänzen ist, da sie nur für Bauleistungen konzipiert ist, nicht aber für Planungsleistungen. Weiters trägt der (künftige) Auftragnehmer regelmäßig das Vollständigkeits- und Funktionsrisiko für die Erreichung der funktional beschriebenen Ziele (dass dies nicht nur zulässig, sondern auch eine logische Folge aus der funktionalen Leistungsbeschreibung ist, hat die Judikatur zuletzt ausdrücklich bestätigt: BVwG 26. 3. 2015, W187 2017416-2/26E). Im zuvor erwähnten Beispiel kann er sich daher, wenn die Mauer nicht die festgelegte Funktion erfüllt, nicht darauf ausreden, dass das selbst gewählte Baumaterial nicht geeignet oder die selbst gewählte Methode der Errichtung falsch war; und er kann nicht Mehrkosten für den Mörtel zwischen den Ziegeln verlangen, wenn er vergessen hat, diesen zu kalkulieren (anders als bei der konstruktiven Leistungsbeschreibung, wenn der Auftraggeber vergessen hat, den Mörtel auszuschreiben).

Praxistipps

Bei der Teilnahme an Ausschreibungen mit funktionaler Leistungsbeschreibung sollte einem Bieter bewusst sein, dass er das entsprechende (Planungs-)Know-How benötigt, um den freigestellten „Weg zum Ziel“ bestmöglich zu erreichen. Wenn dies im eigenen Unternehmen nicht abgedeckt werden kann, ist es vergaberechtlich zulässig, sich entsprechend durch Bietergemeinschaftspartner oder Subunternehmer zu verstärken. Ziviltechniker dürfen allerdings nur als Subunternehmer auftreten, da ihnen das Eingehen einer Bieter- bzw. Arbeitsgemeinschaft mit ausführenden Firmen gemäß § 21 Abs 3 Ziviltechnikergesetz untersagt ist.

Branchen

Bau

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