Leichter Bau, starker Halt

Bernhard Madlener
11.04.2017

Trockenbauer sehen ihre Produkte immer mehr auch als Designelement. Hinter und in der (Gips-)Bauplatte versteckt sich effektive Schall-, Brand- und Einbruchsschutztechnik.

Deckensegel sollen Menschen vor allem in Büros, aber auch Lehrer und Schüler im schulischen Betrieb vor Lärm schützen.
Mit dem Silentboard hält Knauf auch eine lautstarke Drum-Session von weniger daran interessierten Mitbewohnern fern.

„Der Trockenbau hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem Schlüsselgewerk entwickelt und ist aus dem modernen Baugeschehen nicht mehr wegzudenken“, stellt Gregor Todt fest. Für den Präsidenten des Verbands der österreichischen Stuckateur- und Trockenbauunternehmungen (VÖTB) ist es deshalb „auch nicht gerechtfertigt, dass die Trockenbaubranche nach wie vor zu den Bauhilfsgewerben zählt“. Man müsse nur ein beliebiges Hotel, ein Verwaltungsgebäude, eine Schule oder einen großen Wohnbau besuchen: „Überall werden Sie Trockenbau finden“, so Todt. „Bevorzugt sogar dort, wo es um den Schutz von Leib und Leben geht.“ Womit er konkret den Brandschutz meine. „Wir können aber auch über Schallschutz und Akustik sprechen: alles Trockenbau.“

Kampagne für das Berufsbild

Vor dem Hintergrund dieser steigenden Bedeutung seiner Branche schmerzt Todt der Facharbeitermangel besonders: „Wir brauchen gutausgebildetes Personal, um die hohen Anforderungen an Schallschutz und Akustik, an Brandschutz und Wärmedämmung zu erfüllen. Gleichzeitig ist der Preiskampf auf den Baustellen mittlerweile so massiv, dass kaum noch jemand mit eigenem Personal arbeitet.“ Das Subunternehmertum führe jedoch allzu oft zu Qualitätsmängeln wie auch die europäische Entsenderichtlinie, „die es Unternehmen aus östlichen Nachbarstaaten ermöglicht, bei uns zu unglaublich günstigen Preisen anzubieten“. Wenn heimische Unternehmen allerdings „keine vernünftigen Preise erwirtschaften“ können, werde es zwangsläufig immer schwieriger, in eigenes Personal und dessen Ausbildung zu investieren. Ein Problem, das sich weiter verschärfen werde, wenn nicht – wie auch von der Wirtschaftskammer und der Gewerkschaft Bau-Holz jüngst vehement gefordert – bald politisch gegengesteuert werde.

Was den Nachwuchs betrifft, bedauert er, dass der Beruf des Stuckateur- und Trockenbauers zu wenig bekannt sei. Um das zu ändern, wolle man „künftig enger mit der Industrie als Systemhersteller, dem Handel sowie den personalsuchenden Unternehmen“ zusammenarbeiten. Es gelte, den Informationsfluss hin zur Jugend zu verstärken und zu vermitteln, wie viel man zu bieten habe: „Die Arbeit des Stuckateur- und Trockenbauers ist vielseitig und anspruchsvoll. Man muss technisch beschlagen sein und hat mit schönen Objekten zu tun. Unsere Arbeit prägt viele Bauten wie etwa die Lobbys von Hotels oder auch Bürogebäuden – das kann man herzeigen, darauf kann man stolz sein.“

Dieses Bestreben des VÖTB unterstütze man voll, sagt Stefan Pointl, Vertriebsleiter bei Knauf Österreich. Sein Unternehmen engagiere sich u. a. mit der „Knauf Junior Trophy“, einem regelmäßigen Lehrlingswettbewerb. Was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, ist Pointl sicher, dass 2017 „nach einem stagnierenden Jahr 2016“ nun „dank eines verstärkten Büro-, Hotel- und Schulbaus“ zum Erfolg führe: „Wir sind mit unseren strategischen Schwerpunktthemen auf dem richtigen Weg.“ Diesbezüglich nennt er etwa die Gipsplatte „Knauf Diamant X“, eine Beplankung für tragende Holzrahmen- und Holztafelbauwände. Sie erfülle erhöhte Schall- und Brandschutzanforderungen und kann in gemäßigten Feuchträumen eingesetzt werden. Die „Knauf Sicherheitswand“, bestehend aus beidseitig zwei- oder dreilagiger Diamantplatten-Beplankung an Stahlblecheinlagen, erreiche eine Einbruchsicherheit bis zur Widerstandsklasse WK3 (Abwehr von gewohnt vorgehenden Tätern). Auch schusssichere Trockenbauwände sind möglich. 

Hocheffektiver Wärmespeicher

Schallschutz und Akustik sind Themen mit wachsender Bedeutung: Das „Knauf Silentboard“ erziele „auch im tieffrequenten Bereich beste Basiswerte“. Besonders innovativ stellt sich das „Knauf Comfortboard“ dar, das für Decken und Wände verwendet wird und über einen Latentwärmespeicher verfügt. Es beinhaltet mikroskopisch kleine Perlen mit einem Wachskern. Ab 23 Grad Celsius schmilzt dieser Kern, es wird Wärme absorbiert. „Die Temperaturspitzen werden gekappt, und die Raumtemperatur reduziert sich je nach Fläche um einige Grad.“ Sobald die Temperatur fällt, kehre sich der Vorgang um: Das Wachs verhärtet und gibt Wärmeenergie ab. „Wir haben ein Seniorenheim in Höchst in Vorarlberg damit ausgestattet“, berichtet Pointl aus der Praxis, „und sehr gutes Feedback erhalten.“ Die Wärmespeicherkapazität des Comfortboard sei zwölfmal so hoch wie jene herkömmlicher Platten.
Fermacell stellt schon seit mehr als vier Jahrzehnten eine Fixgröße im Bereich des Trockenbaus dar. 1971 vom Hersteller Xella am deutschen Markt eingeführt, wurde die Fermacell AG 2009 schließlich als Tochterunternehmen von Xella gegründet. Statik, Schall- und Brandschutz sind zentrale Schlagworte des Herstellers, wenn es um die moderne Gipsplatte geht: So erreiche die Wohnungstrennwand „1S32 AT“ mit einer Stärke von 16 Zentimetern Leistungswerte im Bereich herkömmlicher Gipsplattenkonstruktionen in fünf Lagen und einer Stärke von 22 Zentimetern. Dabei verweist das Unternehmen auf entsprechende Prüfbelege u. a. der TU Wien.

Thomas Grudl, technischer Leiter bei Fermacell: „Wir erreichen also mit einer sechs Zentimeter dünneren Konstruktion die Anforderungen, die an Wohnungstrennwände in den Teilbereichen Schallschutz, Brandschutz und Statik gestellt werden.“ Die 1S32 AT gewähre alle von Gipsfaserplatten gewohnten Eigenschaften wie etwa „hohe Oberflächenfestigkeit, erhöhten Widerstand bei mechanischen Belastungen oder auch bei der Aufnahme von Konsollasten wie z. B. Bildern, Bücherregalen oder Küchenoberschränken“. Da nicht mehrere, sondern nur eine Plattenlage verspachtelt werden müsse, stehe das Produkt auch für eine raschere und leichtere Verarbeitung.

Nachhaltiger Baustoff  

„Mit der neuen Habito-Platte haben wir ein Produkt auf den Markt gebracht, das besonders hinsichtlich Stabilität, Robustheit und Einbruchsschutz beeindruckt“, sagt Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Saint-Gobain Rigips Austria. Pro eingebrachter Schraube halte sie eine Belastung bis 30 Kilogramm aus – wobei die Habito ohne Hohlraumdübel geschraubt wird. Der Trockenbau sei „prädestiniert für rasches Umgestalten in jedem Bereich“. Die Branche könne zudem mit einer besonderen Nachhaltigkeit punkten: „Restmengen, die bei der Produktion anfallen, werden schon von jeher wieder in den Kreislauf zurückgeführt“, stellt er für sein Unternehmen fest. Und auch saubere Restmassen von der Baustelle werden gern zurückgenommen. Was den Fachkräftemangel betrifft, „spüren wir das nicht so sehr wie unsere Kunden im Gewerbe“. Diese werden umfassend mit Seminaren und Produkt- bzw. Verarbeitungsvorführungen unterstützt: „Mit der Trockenbau-Akademie haben wir eine Institution geschaffen, die Grundlagenwissen und praktische Ausbildung verbindet. Der Anspruch der Teilnehmer sei sehr hoch, stellt Allesch fest – „aber das ist der Anspruch auf der Baustelle auch“.

„Funktionsdecken mit Integration von Klima und Licht, Designdecken und erdbebensichere Konstruktionen“ nennt Andreas Schiedeck, Bereichsleiter Forschung und Entwicklung beim Deckensystemprofi Knauf AMF, einem unabhängig von der Mutter agierenden Tochterunternehmen von Knauf. Produktionsgrundlage für die Rasterdecken sind vor allem Mineralstoffe und Holzwolle. Was die Kundenwünsche betrifft, entwickeln sich vor allem Deckensegel und Wandabsorber erfolgreich, so Schiedeck. Wobei diese immer mehr auch als Designelement definiert werden.
Wandabsorber, mit denen z. B. Lärm in Büros, Kliniken oder Schulen „geschluckt“ wird, können individuell bedruckt und in die Raumgestaltung integriert werden.

Hersteller Siniat ermöglicht mit der gegen Feuchtigkeit hoch­unempfindlichen Platte „La Hydra“ den Einsatz in Wellness- und Fitnessbereichen. „Ritzen und brechen“ ermöglicht die „einfache und saubere Verarbeitung“, wobei das Produkt auch für „nicht unmittelbar bewitterte Außenbereiche“ geeignet sei. Um Verarbeitern aus allen Bauberufen den richtigen Umgang mit Trockenbauelementen zu erleichtern, bietet Siniat auch ein Schulungsprogramm an. Hier wird vermittelt, wie „Form und Funktion mit Formteilen in Einklang gebracht werden und wie viel Zeit durch den hohen Vorfertigungsgrad gespart werden kann“, heißt es aus dem Unternehmen. Umkleidungen, Übergänge, Kanten und Rundungen, aber auch individuelle, architektonische Designlösungen werden dabei berücksichtigt.

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