Brennpunkt

Oldie but Goldie

16.09.2022

Alle reden über die Förderung junger Arbeitskräften – aber was ist eigentlich mit all jenen, die seit vielen Jahren ihr Know-how zur Verfügung stellen? Und was braucht es für ein gelungenes, generationenübergreifendes Handwerk?

Handwerk ist gelerntes Wissen und gerade die ältere Generation blickt auf einen enormen Erfahrungsschatz zurück, den es gilt, zu erhalten und weiterzugeben. Angesichts der demografischen Entwicklungen und der damit zusammenhängenden Veränderung der Altersstrukturen müssen Unternehmen das Potenzial älterer Generationen (besser) nutzen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Und gerade das ist ein Thema, das in Zeiten von Fachkräftemangel und dem Fokus auf jungen Arbeitskräfte und der Nachwuchsförderung im Handwerk oft in den Hintergrund rückt. Wie wichtig sind erfahrene Mitarbeiter*innen im Betrieb? Wie erlebt die ältere Generation die Entwicklungen des Handwerks? Und mit welchen Herausforderungen sind sie im Berufsalltag konfrontiert? Zukunftsforscher und Soziologe Andreas Reiter berichtet über Werte und Perspektiven, Tischlermeister Thomas Feuerstein und sein erfahrener Mitarbeiter Bertram Neyer erzählen über Herausforderungen und Chancen, die ein gut ausgewogener Altersmix im Handwerk mit sich bringen.

Fokus gemeinsames Arbeiten

Die Bedeutung von
Die Bedeutung von „mixed Teams“, also Gruppen von Mitarbeiter*innen unterschiedlichen Alters, wird immer zentraler. © Bokan76 / iStock / Getty Images Plus via Getty Images

„Wenn es um die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt geht, müssen wir von Personalmangel sprechen, der weit über den Fachkräftemangel hinausgeht“, skizziert Andreas Reiter. Im Zuge dessen stehe natürlich die Generation Z – also jene jungen Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind – im Fokus – und die Frage, welche Werte und Bedürfnisse dabei zentral sind. Eine ausgewogene Work-Life-Balance zählen genauso dazu wie ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte. „Betrachten wir den demografischen Wandel im Hintergrund, muss uns klar sein, dass Arbeitsmodelle umfassender und vielseitiger gedacht werden müssen“, so Reiter. „Dazu brauchen wir Reservetanks: ältere und erfahrene Mitarbeiter*innen, Wiedereinsteiger*innen, Frauen und Männer um die 40 – all das sind wichtige Punkte angesichts des Mangels“. Die so genannten Silver Worker sind es also, die im Handwerk – und in der Arbeitswelt generell – eine wichtige Rolle spielen. Ganz generell laufe es auf Co-Working-Modelle hinaus, die sich auf unterschiedlichen Ebenen zeigen: „Einerseits wird das Zusammenwirken von Mensch und Maschine immer bedeutsamer, aber auch die Bedeutung von mixed Teams, also Gruppen von Mitarbeiter*innen unterschiedlichen Alters, wird immer zentraler.“ Dabei ist für den Soziologen klar: Je bunter, desto besser. „Diversität auf allen Ebenen ist ein wichtiger Faktor, der zu einem resilienten Team beiträgt“. Einseitige Entwicklungen seien dabei nie zielführend: „Natürlich brauchen wir Jung und Alt – beide Gruppen befruchten sich“.

Arbeit, anders verteilt

„Unsere Arbeitswelt ist keine Roadmap, die die nächsten 40 Jahre gleich bleibt“, sagt Andreas Reiter, Zukunftsforscher und Soziologe. © ZTB Zukunftsbüro

Ältere Mitarbeiter*innen punkten oft mit einem enormen Erfahrungsschatz, jüngere hingegen hätten oft noch mehr Mut und auch die Unverfrorenheit, Dinge anders zu denken. „Das Interessante ist ja: Wir haben immer gelernt, dass die Jungen von den Alten lernen. Aber vielleicht geht es auch umgekehrt?“, stellt Reiter eine Frage in den Raum. Soll heißen: Erfolgreiche Betriebe profitieren vom Wissenstransfer in beide Richtungen – allerdings gilt es, die Herausforderungen im Blick zu haben, zum Beispiel jene, die sich aufgrund der Technologisierung und des digitalen Wandels ergeben haben. „Ältere Mitarbeiter*innen schaffen den technologischen Sprung nicht immer – oder nicht so schnell – wie die junge Generation. Hier heißt es, Rücksicht zu nehmen und konkrete Unterstützung anzubieten.“ Auch die Leistungsorientierung sei ein wesentlicher Punkt: Die ältere Generation ist es gewohnt, viel Energie und Zeit in Beruf und Erfolg zu investieren und dabei auch Freizeit und Familie hintanzustellen. Der Vorwurf, dass die junge Generation faul sei und weniger arbeitswillig, ist für Reiter allerdings problematisch: „Wenn es beispielsweise um die Vier-Tage-Woche geht, reden wir immer von Arbeitszeitverkürzung, dabei geht es eigentlich um eine Arbeitszeitverdichtung'“, erklärt er. „Junge arbeiten nicht zwingenderweise weniger, sondern die Verteilung ist einfach eine andere.“ Und genau diese Gegenentwicklung sei auch eine Irritation für die Älteren. Verständlicherweise: Gerade die Nachkriegsgeneration hat viel Aufbauarbeit geleistet. Und so schwierig die derzeitige krisenhafte Entwicklung auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene auch sein mag – sie könnte „den Jungen“ auch helfen, Verständnis für „die Alten“ aufzubringen.

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