Vertretung am Bau – Umfang der Vollmacht
Die Frage der Vertretungsbefugnis von Projektbeteiligten ist für die Abwicklung von Bauvorhaben von erheblicher Bedeutung. Nicht immer ist der Umfang der Vollmacht aber klar.
Die Parteien können ihre eigenen vertraglichen Beziehungen grundsätzlich selbst durch rechtsgeschäftliche Erklärungen gestalten. Um den Handlungsradius zu erweitern, bedienen sich die Vertragspartner in der Praxis aber häufig Stellvertretern. Gerade bei Bauvorhaben berechtigen die Parteien daher in der Regel einen oder mehrere Vertreter, um für sie Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, als wären sie von ihnen selbst abgegeben oder entgegengenommen worden. Die ÖNorm B 2110 verpflichtet sogar zur Namhaftmachung von Personen, die alle Erklärungen abgeben und entgegennehmen sowie alle Entscheidungen treffen können, die zur Vertragsabwicklung erforderlich sind.
Vollmacht und ihre Erteilung
Die Vollmacht berechtigt den Vertreter gegenüber Dritten zu Vertretungshandlungen (Außenverhältnis). Davon zu unterscheiden ist das interne Verhältnis zum Vertretenen (Innenverhältnis). Diesem können nämlich unterschiedliche Rechtsverhältnisse (etwa ein Auftrag, ein Dienstverhältnis oder eine gesonderte Ermächtigung) zugrunde liegen. Je nach Rechtsverhältnis sowie der konkreten Vereinbarung kann der Vertreter in unterschiedlichem Umfang zu Vertretungshandlungen berechtigt sein. Die Erteilung einer Vollmacht kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Sie ist formfrei und bedarf nicht der Zustimmung des Vertreters. Sie muss auch nicht im Außenverhältnis erklärt werden. Für die Rechtssicherheit empfiehlt es sich aber, die Erteilung von Vollmachten sowie deren Umfang seinem Vertragspartner mitzuteilen und umgekehrt von seinem Vertragspartner abzufragen (siehe Pkt 5.2.1 ÖNorm B 2110). Wurde keine ausdrückliche Vollmacht erteilt, kommt es auf den Einzelfall an. Der Dritte darf auf die Erteilung einer Vollmacht vertrauen, wenn der Vertretene mit seinem Verhalten den Anschein erweckt, dass eine solche vorliegt (Anscheinsvollmacht). Weiters kann der Dritte auch bei Duldung von Vertretungshandlungen auf die Erteilung einer Vollmacht vertrauen, sofern der Vertretene davon Kenntnis hatte oder haben musste (Duldungsvollmacht).
Umfang und Überschreitung der Vollmacht
Sofern der Umfang der Vollmacht im Außenverhältnis nicht ausdrücklich bekanntgegeben wurde, darf der Vertragspartner im Zweifel davon ausgehen, dass der Vertreter zur Vornahme jener Handlungen berechtigt ist, die gewöhnlich mit der anvertrauten Funktion verbunden sind. So hat der OGH judiziert, dass etwa der technische Bauleiter im Zweifel nicht als bevollmächtigt anzusehen ist, einen geschlossenen Vertrag in wirtschaftlich bedeutenden Punkten zu ergänzen oder abzuändern (OGH 2 Ob 43/10b); oder der mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragte Architekt zwar zur Schlussrechnungskorrektur, im Zweifel aber nicht zum Abschluss eines Vergleichs über den nach der Korrektur strittigen Werklohn als bevollmächtigt anzusehen ist (OGH 8 Ob 78/17d). Bei Überschreitung der Vollmacht im Außenverhältnis ist die Abgabe oder Entgegennahme einer Erklärung durch den Vertreter unwirksam. Der Vertreter haftet gegenüber dem Dritten für den erlittenen Vertrauensschaden. Ist die Vollmachtshandlung im Außerverhältnis zwar wirksam, aber im Innenverhältnis nicht gedeckt, haftet der Vertreter gegenüber dem Vertretenen.
Fazit
Nimmt eine Partei nicht alle rechtsgeschäftlichen Handlungen im Zuge der Projektabwicklung selbst vor, hat sie einen Vertreter zu bestellen. Diese Vertreter sind entweder ausdrücklich bestellt oder werden aufgrund des vom Vertretenen erweckten Anscheins diesem zugerechnet. Der Umfang richtet sich im Zweifel danach, welche Rechtsgeschäfte gewöhnlich mit der anvertrauten Funktion verbunden sind. Nicht gedeckt sind ungewöhnliche Maßnahmen. So kann ein Bauleiter wirtschaftlich bedeutende Punkte im Zweifel nicht ergänzen oder abändern und ein mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragter Architekt nur bei gesonderter Vollmacht einen Vergleich über strittigen Werklohn schließen. Es ist darauf zu achten, welcher Projektbeteiligte (zum Beispiel ÖBA) den Auftraggeber wie weit vertreten darf.