Der siebte Baustammtisch debattierte Vorstöße zum Bauen außerhalb, aber nicht abseits der Norm. Ansätze wie der „Gebäudetyp e“ in Deutschland regen auch hierzulande zum Denken an: Sind weniger Regeln gut für die Baubranche?
Der siebte Baustammtisch zum Thema "Bauen außerhalb der Norm"
Am 26. März hat Austrian Standards zu seinem jährlichen Branchentreff, dem sogenannten „Baustammtisch“, geladen. Bei dem Event in Wien diskutierte man vor allem über Weniger: Weniger Regeln, Gesetze und Normen könnten kostengünstiges Bauen ermöglichen. Rund 200 Teilnehmende vor Ort und via Live-Stream waren dabei.
Land der Normen
Österreichs Bau- und Architekturtradition, sei laut Austrian Standards europaweit für ihre Verlässlichkeit, Sicherheit und vor allem für hohe Qualität bekannt. Wesentliche Basis dieser starken Positionierung? Vorschriften und Standards. Neben unterschiedlichen Bauordnungen der Bundesländer und dem Raumordnungsgesetz wird man in Österreich auch mit vielfältigen Normen konfrontiert. Von der Planung bis zur Ausführung sorgen diese Standards für Klarheit zwischen den Vertragspartner*innen. Ein konsequentes Qualitäts-, Wert- und Sicherheitsverständnis könne so aufrechterhalten werden. Doch nun werden die Rufe nach Bauen außerhalb dieser Normen lauter.
Bei Austrian Standards steht man jüngsten Strömungen grundlegend neutral gegenüber:
„Wir sind kein Gesetzgeber. Wir moderieren die Entstehung von Normen und kümmern uns um die Bereitstellung nationaler und internationaler Standards für die heimische Wirtschaft, die diese in den meisten Fällen freiwillig und gerne nutzt“, so Valerie Höllinger, CEO Austrian Standards.
„e“ wie einfach
Inspiration könnte der in Deutschland schon in Umsetzung befindliche Gebäudetyp-e sein, wie Fabian Blomeyer, Geschäftsführer Recht und Verwaltung der Bayerischen Architektenkammer, vorstellte. „e“ steht dabei ganz gezielt für „einfach“ oder „experimentell“ und somit für einen neuen Gebäudetyp als Planungsansatz für einfaches, kostengünstiges Bauen im Rahmen ausgewählter Bauprojekte.
„Wir sind in Deutschland mit dem Gebäudetyp-e schon sehr weit gekommen. Wenn jetzt eine neue Bundesregierung auch noch eine zivilrechtliche Absicherung des Gebäudetyp-e ermöglicht, stehen dem einfacheren Bauen keine Hindernisse mehr entgegen”, so Blomeyer.
Wie eine Umsetzung in Österreich diesbezüglich aussehen könnte, diskutierten die Expert*innen im anschließenden Panel. Robert Jansche (Vorstand, Österreichisches Institut für Bautechnik), Peter Maydl (Zivilingenieur für Bauwesen, Kammer der Ziviltechniker*innen), Andreas Pöschko (Jurist und Teamleiter, Mietervereinigung), Anton Rieder (Bundesinnungsmeister-Stellvertreter Bau, Wirtschaftskammer Österreich) sowie Stefan Wagmeister (Komitee-Manager und Team-Lead „Standards für das Bauwesen“, Deputy Head of Standards Development bei Austrian Standards) sind sich einig: Bauen außerhalb der Norm sei auch in Österreich in punktuellen Bereichen möglich, erfordere aber Professionalität, Kreativität, Geduld und eine enge Zusammenarbeit von Behörden und Expert*innen.
„Wohnraum ist nicht mehr leistbar. Es braucht eine Trendwende und das Ziel muss sein, Kosten zu sparen. Ich spreche nicht von Abschaffung von Normen, sondern es braucht andere Wege. Es braucht mehr Mut, Freiheit und Freiwilligkeit. Das Abweichen von Normen könnte hier ein Lösungsansatz sein,“ so Rieder.
Wer bereit sei, sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen und innovative Wege zu beschreiten, könne trotz strenger Vorschriften zukunftsweisende und individuelle Wohnprojekte verwirklichen.
Auch „Weniger“ braucht Standards
Bei Austrian Standards ist man laut eigenen Aussagen bereit, mitzugestalten. Ob der Vorstoß Früchte tragen wird, entscheidet sich zu guten Teilen in den Bundesländern und obliegt der Politik. Im House of Standards and Innovation in Wien beobachtet man die Weiterentwicklung des Themas mit Spannung und ist bei künftiger Einbindung in den Prozess bereit, Know-how als neutrale Plattform einzubringen. Denn auch das Bauen der Zukunft wird am Ende des Tages Standards brauchen.
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