Wer suchet, der findet?
Arbeitskräftemangel ist in aller Munde. Maßgeschneiderte Lösungen gibt es nicht, aber Hebel, mit denen Unternehmen ansetzen können, sagt Personalberaterin Isabella Pachinger-Döberl.
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© Iventa
Das Selbstbild eines Unternehmens spielt eine wichtige Rolle für die Entscheidung von Bewerber*innen. Dabei ist es aber essenziell, dass die CI aber nicht nur eine hübsche Marketingfloskel bleibt, denn, wenn die Sicht eigener und ehemaliger Mitarbeiter*innen auf Firmenbewertungsportalen eine ganz andere ist, werden all diese Marketingmaßnahmen als unglaubwürdig empfunden.
Pachinger-Döberl: Ein wenig fordernder, vor allem aber überlegter. Wenn für gewisse Positionen etwa kein Homeoffice angeboten wird, so können sie schlichtweg nicht mehr besetzt werden. Gerade auch die Kurzarbeit hat vielen gezeigt, dass man mit gewissen Abstrichen beim Gehalt, aber mehr Freizeit im Gegenzug sehr glücklich leben kann. Die Pandemie hat sicherlich dazu geführt, dass Menschen ihre Karriere nicht mehr über alles stellen, sondern auch überlegen und genauer abwägen, wo ihre persönlichen Grenzen liegen und wie viel sie zu leisten bereit sind. Da hat sich ein wenig die Wertehaltung verschoben.
Pachinger-Döberl: Geld ist nicht mehr das wesentlichste Kriterium, es geht mittlerweile viel stärker auch um Rahmenbedingungen. Flexibilität ist momentan das Schlagwort schlechthin – und die braucht es auch. Allem voran mehr Selbstbestimmung bezüglich der Arbeitszeiten. Die Vier-Tage-Woche ist durchaus in einigen Unternehmen schon länger Usus, sie wird gerade aber zu einem immer größeren Thema und deutlich mehr gefragt. Auch Vertrauen und nachhaltige Werte haben in Zeiten der Corona-bedingten Kurzarbeit und den mit der Pandemie einhergehenden Unsicherheiten an Bedeutung gewonnen. Allerdings lässt sich die Frage nach Werten nicht pauschal beantworten, da Unternehmen sich diese nicht einfach überstülpen können. Die Überlegung sollte vielmehr sein, was einen besonders macht, wofür man steht und was einem als Unternehmen wichtig ist. Eigentlich: Warum ist es schön, bei uns zu arbeiten?
Regelmäßige Aus-, Fort- und Weiterbildung sind wesentliche Faktoren im Arbeitsleben von Mitarbeiter*innen und können auch als ein Alleinstellungsmerkmal des eigenen Unternehmens gegenüber Bewerber*innen aufgeführt werden. In der Baubrache sind mittlerweile einige Unternehmen dazu übergegangen, ihre eigenen Ausbildungsstätten für Lehrlinge und Mitarbeiter*innen zu betreiben.
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Pachinger-Döberl: Zuerst einmal sollte stark darauf geschaut werden, bestehende Mitarbeiter*innen zu halten. Wenn es weitere Mitarbeiter*innen braucht, müssen Unternehmen ihre Optionen genau ausloten. Einerseits sind das finanzielle Überlegungen, andererseits aber müssen sich Unternehmen auch zusammenhängend Gedanken darüber machen, wie flexibel sie sind und was tatsächlich geboten werden kann. Welche Perspektiven zur Entwicklung kann es geben, welche internen Möglichkeiten gibt es etwa zum Thema Weiterbildung, oder kann ein eigenständiger Aufgabenbereich angedacht werden? Die wesentliche vorangestellte Fragestellung ist: Welche Optionen können Arbeitgeber*innen noch ausschöpfen, um attraktiver zu werden?
Pachinger-Döberl: Um als Arbeitgeber*in am Markt auch wahrgenommen zu werden, ist vor allem Mundpropaganda nach wie vor wichtig. Gerade in der Bauwirtschaft kann es zielführend sein, wenn Mitarbeiter*innen andere Mitarbeiter*innen werben. Klassische Inserate sind hier nur bedingt zielführend. Wichtiger ist es, sich als Arbeitgeber*in klar zu positionieren und überhaupt einmal auf sich aufmerksam zu machen, sei es durch Social-Media-Aktivitäten oder auch Werbetafeln. Gerade bei kleineren Unternehmen ist oft das Problem, dass sie gar nicht gesehen werden. Sie müssen erst einmal wahrgenommen werden, um die Chance zu haben, aufzuzeigen, wie viel sie zu bieten haben und in welch spannenden Bereichen man bei ihnen mitwirken könnte. Natürlich haben diese nicht die Möglichkeit, eine großangelegte Kampagne zu starten, aber dennoch ist es wichtig, in diesem Bereich anderweitig anzusetzen. Oft sind es Multiplikatoren, wenn die eigenen Mitarbeiter*innen die Botschaft nach außen tragen, dass sie sich im Betrieb wohlfühlen und gerne ein Teammitglied sind. Größere Unternehmen haben zwar mehr Präsenz, aber aktuell stehen sie nichtsdestotrotz vor den gleichen Herausforderungen, da schließlich alle im selben Teich fischen.
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Das Angebot einer 4-Tage-Woche kann in Bezug auf die Wahl eines Arbeitsplatzes genauso wie die Möglichkeit, Remote-Work zu nutzen, ausschlaggebend sein und als wesentlicher Benefit gewertet werden. Als erstes Unternehmen der Baubranche in Österreich führte Leithäusl das Modell Mitte März ein. Ziel war es, den Mitarbeiter*innen eine „bessere Work-Life-Balance“ zu ermöglichen.
Pachinger-Döberl: Gerade im ländlichen Raum zählt die Regionalität. In dieser Hinsicht können Arbeitgeber*innen sicherlich gut punkten, da einerseits ökologische Aspekte, andererseits aber auch Familie und Work-Life-Balance wichtiger geworden sind. Die Nähe zum Arbeitsplatz, kürzere Anreisewege oder Transportmittel zur Verfügung zu stellen, um auf das Auto verzichten zu können, sind ebenso wichtige Themen, wie mehr Zeit zu Hause mit der Familie zu verbringen.
Pachinger-Döberl: Natürlich kann man daran arbeiten, die Rahmenbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten, aber die Arbeitsbedingungen an sich können nur bedingt beeinflusst werden. Die Tätigkeiten auf einer Baustelle oder im produzierenden Bereich können nicht von Grund auf verändert werden. Betriebe können sich darum bemühen, passende Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, vielleicht auch eine Kantine anbieten oder etwas im Arbeitsbereich angenehmer gestalten. Aber den Arbeitskräftemangel sehen wir quer durch alle Branchen und nicht nur in spezifischen Tätigkeiten. Es darf auch nicht vergessen werden, gerade der Bau hat etwas Faszinierendes. Viele Menschen würden trotz der körperlichen Anstrengung niemals mit jemandem im Büro tauschen wollen. Draußen sein zu können, etwas zu errichten, selbst zu erschaffen, greifbare Ergebnisse zu haben, miterleben zu können, wie etwas entsteht, das übt auch eine große Faszination aus. Aber aktuell herrscht einfach Arbeitskräftemangel quer durch alle Branchen, und der Bau boomt. Diese Tatsache in Zeiten hoher Nachfrage, das ist schwierig zu vereinbaren.
Pachinger-Döberl: Wichtig ist, sie abzuholen. Natürlich kann das kein Wunschkonzert sein, aber oft lässt sich auch durch kleine Veränderungen viel bewirken. Es ist schließlich nicht mehr rein der monetäre Aspekt, der zählt. Man muss hinhören, was sich Mitarbeiter*innen eigentlich wünschen, und dann überlegen, wie man in diesen Bereichen etwas verbessern kann. Flexibilität und Selbstbestimmung sind stark in den Vordergrund getreten, da bietet sich die Möglichkeit, etwas zu verändern.
Pachinger-Döberl: Wir gehen davon aus, dass es zum Thema Arbeitskräftemangel nur bedingt Besserung geben wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass in Kürze plötzlich ein großer Pool an neuen Mitarbeiter*innen zur Verfügung stehen wird. Daher müssen die bestehenden Strukturen vermehrt hinterfragt werden. Unternehmen müssen einen genaueren Blick auf die Qualifikationen einzelner Positionen werfen, sie müssen überlegen, wie Zuständigkeiten und Aufgaben(bereiche) besser aufgeteilt werden können.