Zum Sicherstellungszweck des Deckungsrücklasses

DDr. Katharina Müller, TEP
19.05.2018

Ein Deckungsrücklass dient zur Sicherung des Auftraggebers bei Abrechnungsungenauigkeiten. Mit der Frage, ob der Deckungsrücklass auch Sicherstellung für die Vertragserfüllung ist, beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst. Hier ein Überblick.

Zum Deckungsrücklass im Sinne der ÖNorm A 2050 Pkt 3.20.3 ist der Deckungsrücklass eine Sicherstellung gegen Überzahlungen aufgrund von Rechnungen (Abschlagsrechnungen oder Zahlung nach Plan), denen nur annähernd ermittelte Leistungen zugrunde liegen. Ferner dient der Deckungsrücklass gemäß ÖNorm A 2050 der Sicherstellung für die Vertragserfüllung durch den Auftragnehmer, sofern diese nicht durch eine Kaution gesichert ist. In der Entscheidung des OGH zu 9 Ob 9/16p bestätigte der OGH die ständige Rechtsprechung, wonach die für den Deckungsrücklass beigebrachte Bankgarantie mangels anderer vertraglicher Anhaltspunkte nicht zur Durchsetzung des Haftrücklasses ausgeübt werden darf. Ein Haftrücklass diene der Sicherung von Gewährleistungsansprüchen. Vor dem Hintergrund, dass Gewährleistungs­ansprüche auch vertragliche Erfüllungsansprüche des Auftraggebers sind, muss der Umfang einer Bankgarantie und der Wille der Parteien stets im Einzelfall geprüft werden. 

Oftmals werden Bankgarantien ohne weitere Prüfung abgerufen. Für den Fall, dass die Bankgarantie für ein Ereignis gezogen wird, für das sie nicht gelegt wurde, liegt Rechtsmissbrauch vor. In diesem Fall kann die Rückzahlung der Garantiesumme und allenfalls Schadenersatz gefordert werden. Ist strittig, welche Forderungen die Bankgarantie sichern soll, und ist der Begünstigte (subjektiv) der Meinung, seine Forderungen seien von der Bankgarantie gedeckt, liegt kein Rechtsmissbrauch vor. 

Advertorial

Zur aktuellen Entscheidung

Die beklagte Partei beauftragte ein Bauunternehmen als Generalunternehmer eines Bauvorhabens. Zur Besicherung des Deckungsrücklasses sämtlicher Teilrechnungen erklärte die klagende Garantiegeberin im Auftrag des Bauunternehmens gegenüber der begünstigten Beklagten, die Garantie zur Zahlung von 450.000,00 Euro zu übernehmen. Während der Ausführungsphase wurde über das Vermögen des Bauunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet. Die beklagte Partei musste ein anderes Unternehmen mit der Fertigstellung beauftragen. Für die dabei entstandenen Mehrkosten nahm die Beklagte die Garantie in Anspruch. Die klagende Partei zahlte den Garantiebetrag aus. 

Der Klage auf Rückzahlung des Garantiebetrages wurde – auch in der Berufungsinstanz – stattgegeben.

Aus der Begründung

Im vorliegenden Fall verwendete die Garantieerklärung die Formulierung „Garantie zur Besicherung des Deckungsrücklasses für sämtliche Teilrechnungen“ und sprach ergänzend von einer „Sicherstellung aller Rechte, die [der Begünstigten] aus dem (…) Bauvorhaben im Zusammenhang mit den gelegten Teilrechnungen zustehen“. Die Vorinstanz legte dies im Sinn einer reinen Deckungsrücklass­garantie aus. Der OGH billigte diese Auslegung und wies das dagegen gerichtete Rechtsmittel mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.

Der OGH führte mit Hinweis auf die Entscheidung des OGH 7 Ob 121/16v weiters aus, dass in der Baubranche der Begriff „Deckungsrücklass“ bzw. „Deckungsrücklassgarantie“ so verstanden wird, wie es bereits seit Jahrzehnten jenem der ÖNorm B 2110 bzw der 

ÖNorm A 2050 entspricht, wonach der Deckungsrücklass auch Sicherstellung für die Vertragserfüllung durch den Auftragnehmer ist, sofern diese nicht durch Kaution abgesichert ist. Im Verfahren wurde aber kein Verständnis der Parteien im Sinne der ÖNormen­ festgestellt. Der OGH bestätigte unter Hinweis auf die Recht­sprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts.

Fazit

Ob die Voraussetzungen zur Ziehung der Bankgarantie vorliegen, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Je nach Vereinbarung der Parteien kann die Garantie enger oder weiter ausgelegt werden. In der ­Praxis sollte die Formulierung der Garantieerklärungen zwischen den ­Parteien jedenfalls abgestimmt und nicht „blind“ unterfertigt ­werden, um späteren Auslegungsschwierigkeiten entgegen­zutreten.