Forschungsprojekt

Die digitale Baugenehmigung

Einreichung
18.12.2023

Von: Redaktion Handwerk + Bau
Mit dem Forschungsprojekt Brise-Vienna will die Stadt Wien Einreichungen und Genehmigungen erleichtern und beschleunigen. Das Projekt befindet sich mittlerweile auf der Zielgeraden.
3D-Einreichplan
3D-Einreichplan
In Zukunft sollen 3D-Gebäudepläne zur Prüfung eingereicht werden.

Ohne baurechtliche Genehmigung geht es nicht. Egal, ob ein Swimmingpool gebaut oder ein Hochhaus errichtet werden soll. Der Standard bei den Baueinreichungen in Österreich ist noch immer ein papierbasierter Prozess. In dreifacher Ausführung müssen die Pläne der bauwilligen Partei an die Baupolizei zur Prüfung übermittelt werden. Damit entstehen jährlich viele Tonnen und hohe Stapel an Papier. Der Genehmigungsprozess ist dadurch sehr aufwendig und die Verfahrensdauer benötigt in Wien bis zu einem Jahr, wie die Bundeshauptstadt wissen lässt.
Das soll sich in Zukunft allerdings ändern und daher gibt es in Wien seit 2019 das Projekt Brise-Vienna. Durch die Kombination der Planungsart Building Information Modelling (BIM), künstlicher Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR) sollen Papierberge reduziert und die Referent*innen entlastet werden. Mit Fördermittel in der Höhe von 4,8 Millionen Euro aus der EU-Initiative "Urban Innovative Actions" wird seit vier Jahren gemeinsam von der TU Wien, der Verwaltung der Stadt Wien, dem Office for Digital Engeneering (ODE), der Ziviltechnikerkammer (ZK) sowie der A-NULL Bausoftware GmbH an der Baueinreichung und -genehmigung der Zukunft gearbeitet.

Wachstum bewältigen

Wien ist allein im Jahr 2022 um über 50.000 Personen gewachsen. Um dieses Wachstum bewältigen zu können, muss viel gebaut werden. Was bedeutet, dass die zuständige Behörde Unmengen von Baueinreichungen zu bewältigen hat.

Knapp 86 Prozent aller Prüfpunkte der Bauordnung können durch unser Modell in Zukunft digital geprüft werden.

Christian Schranz, TU WIen

Christian Schranz, TU WIen
Christian Schranz, TU WIen

In Wien liegen die baupolizeilichen Aufgaben bei der Magistratsabteilung 37 (MA 37) und den dafür verantwortlichen Referent*innen, die sich durch Berge von Papier arbeiten müssen und alle Bauvorhaben im Detail zu prüfen haben. "Durch eine digitale Baueinreichung von geplanten Bauprojekten kann die Bearbeitung der zuständigen Behörden und Referent:innen erleichtert werden. Die Voraussetzungen für eine digitale Einreichung zu schaffen ist aber nicht zu unterschätzen", sagt Christian Schranz, Professor an der TU Wien am Institut Bauingenieurwesen und Informatik. Die TU ist beim Projekt Brise für den wissenschaftlichen Teil zuständig.

Digitaler Rathausmann 
Digitaler Rathausmann: Die Visualisierung durch Augmented Reality ist bei Brise-Vienna ein zentraler Bestandteil

Aus 2D mach 3D

Bei Brise-Vienna arbeitet man daran, dass die Einreichung von 2D-Prüfungsunterlagen in absehbarer Zukunft der Vergangenheit angehören soll und stattdessen 3D-Gebäudepläne zum Einsatz kommen. Ein großes technisches Vorhaben, das auch die Einbindung unterschiedlichster Steakholder und eine Kooperation auf Augenhöhe verlangt. "Wichtig ist es, mit den Ziviltechnikern zusammenzuarbeiten, da diese das Know-how bei der Planung mitbringen, und auch die Behörden müssen gut eingebunden werden. Mit dem Projekt Brise-Vienna entstand dadurch ein Lerneffekt für alle Seiten", so Schranz.
Brise-Vienna kam nicht aus dem Nichts, sondern es gab ein Vorgängerprojekt, das Brise erst ermöglichte. "Bei dem Vorgängerprojekt Digitale Baueinreichung 37 ging es um die digitale 2D-PDF-Einreichung von Bauvorhaben. Hier wurden die Grundlagen geschaffen, um mit einem Open-BIM-Modell zu arbeiten. Aus diesem Projekt heraus entwickelte sich Brise", sagt Harald Urban von der TU Wien, Experte für digitale Gebäudeprozesse.
Mit Brise-Vienna geht die Stadt Wien und ihre Projektpartner allerdings noch um einiges weiter und 2D-PDFs sind nur der Übergang. Denn das ganze Verfahren von der Einreichung bis zur Fertigstellung soll in Zukunft digital abgewickelt werden. Ausschlaggebend dafür ist das angesprochene Open-BIM-Modell. So wird durch BIM ein digitaler Gebäudezwilling erstellt. Die KI unterstützt in weiterer Folge die Expert*innen bei ihrer Arbeit, in dem beispielsweise Rechtsquellen effektiv und schneller herangezogen werden können oder eine Klassifizierung bei den Bestimmungen des Wiener Flächenwidmungs- und Bebauungsplans erfolgt. Die AR ist schließlich für die Veranschaulichung des geplanten Bauobjekts zuständig. Eine Visualisierung ersetzt die analogen, abstrakten 2D-Pläne. "Knapp 86 Prozent aller Prüfpunkte der Bauordnung können durch unser Modell in Zukunft digital geprüft werden", nennt Schranz die Größenordnung.

Beschleunigung durch Software

Die Referent*innen der MA 37 müssen bei dem klassischen Verfahren viele sehr zeitaufwendige Prüfungsschritte durchführen. So müssen etwa Türbreiten auf den Plänen genau abgelesen werden, um zu sehen, ob diese auch dem Baurechtsgesetz entsprechen. Gleiches gilt für Fluchtwege, Belichtungsflächen in Aufenthaltsräumen und andere baurechtlich relevante Bestimmungen. Handelt es sich um große Wohnbauprojekte, dann kann sich diese Prüfung in die Länge ziehen und hohe Personalressourcen verursachen. Diese Prüfungen übernimmt bei Brise hingegen die Software. Die TU Wien hat die Leistungsstärke bereits getestet und die Prüfungsergebnisse waren in kürzester Zeit ausgewertet und aufbereitet. "Wir haben anhand eines Beispiels von Fluchtwegen in einem Gebäude mit 300 Wohnungen die Berechnungen von der Software durchführen lassen und innerhalb von 16 Sekunden erhielten wir das Ergebnis", so Schranz über die beeindruckende Geschwindigkeit.
Dadurch, dass die Software die Prüfungen vieler Komponenten automatisch durchführen kann, stehen den Referent*innen bei der Baupolizei zukünftig zeitliche Ressourcen zur Verfügung, die für andere Prüfungen, wie zum Beispiel beim Brandschutz, intensiver verwendet werden können. Die Arbeit geht der Baupolizei also trotz Brise-Vienna sicher nicht aus. Sie wird vielmehr umgelagert und mühseliges Klein-Klein, wie das Ablesen bei Plänen, kann stark reduziert werden. "Alles, was automatisch geprüft werden kann, soll automatisch geprüft werden", meint Schranz. Eine mögliche Einführung wird laut Stadt Wien  für das Jahr 2025 in Aussicht gestellt. Aber natürlich muss zuvor sichergestellt werden, dass das Open-BIM-Modell in Kombination mit der künstlichen Intelligenz und der Augmented Reality auch den Anforderungen entspricht. "Es braucht die Garantie, dass das System fehlerfrei funktioniert, da damit eine rechtssichere Baubewilligung erteilt werden soll", betont Schranz.

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