Helmut Poppe im Interview

Architektur als großer Player in Sachen Nachhaltigkeit

Nachhaltiges Bauen
12.07.2024

Wie wird Architektur zum maßgeblichen Baustein, um innovativ in die Zukunft zu schauen? Allgemeiner Konsens ist, dass die Wahl der Baumaterialien und geringstmögliche Versiegelung wichtig sind. Es braucht aber vor allem ein Umdenken. Susanne Karr traf den Architekten Helmut Poppe zum Interview.
Helmut Poppe
Mag. Arch.Dr.Helmut Poppe

Handwerk und Bau: Auf Ihrer Website fordern Sie eine ästhetisch und sozialverträgliche Architektur. Aber Sie schreiben auch, dass ökologisch ausgeführte Projekte ökonomisch sind. Demgegenüber stehen die Aussagen von Bauherren, die ökologische Aspekte zwar befürworten, aber ökonomisch als Challenge betrachten, weil jedes Bauprojekt teurer wird, wenn man es nachhaltig machen will. Wie sehen Sie das? Wie können Sie die Leute überzeugen, anders zu agieren?

Helmut Poppe: Es gibt verschiedene Ansätze zu dem diametralen Paar von Ökologie und Ökonomie.Bei manchen von uns realisierten Projekten, beispielsweise Metro oder Schachinger, hatten wir direkte Vergleiche mit Gebäuden, die ein paar Jahre zuvor gebaut worden sind. Unsere ökologischen Gebäude mussten tatsächlich einen Elchtest beim Vergleich der jeweiligen Baukosten bestehen.
Beim Projekt Schachinger hat sich ein nur sehr geringfügiger Unterschied der Projektkosten herausgestellt. Wir reden von fünf bis sieben Prozent, die aus ökologischen, aber auch damit verbundenen effizienzsteigernden Maßnahmen, entstehen. Bei einem ökologischen Gesamtkonzept nach den Maßstäben der Ökologie liegt der durchschnittliche Return of Invest bei 7 Jahren. Dann geht im zitierten Rechenbeispiel die Kurve rechnerisch in die entgegengesetzte Richtung und es werden in Zukunft Gewinne eingefahren. Diese Projekte rechnen sich also und sind hocheffizient. Wir wollen keine Leuchtturmprojekte bauen, die mit Förderungen und allerlei Extras ausgestattet sind und nur ein Mal gebaut werden, sondern wir wollen einen multiplizierungs Effekt erreichen. Dabei wollen wir unter Beweis stellen, dass unsere Gebäude mit einem weitaus höheren Standard mit konventionell gebauten Gebäuden mehr als konkurrenzfähig sind.

Für die Auftraggeber*innen wird es interessant, wenn man das mit Zahlen belegen und beweisen kann. Gibt es inzwischen ein größeres Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft? Fühlen Bauherr*innen einen inneren Ruf, ökologisch etwas beizusteuern?

Wir sind bestrebt zeitgemäße Architektur mit zeitgemäßen Anforderungen zu entwickeln mit einem ganzheitlichen Anspruch. Nachhaltigkeit, soziale Fragen und ästhetische Anforderungen sind wesentliche Themen. Die Zeit hat uns recht gegeben. Wir realisieren Projekte, die architektonisch hoch attraktiv sind, und zugleich den Grundbedingungen der Baukultur entsprechen. Unsere damals vorausschauenden Ansprüche sind heute teilweise richtige Standards. Wir gehen diesen Weg nachhaltiger Baukonzepte sehr konsequent und geradlinig.
Der Klimawandel kann der Motor für einen gesamtheitlichen Ansatz sein, wie wir ihn mit der Familie Landsteiner entwickelt haben. Am Beispiel LUKS ging es um viel mehr als nur ein Firmengebäude zu errichten. Mit diesem Projekt stellten wir uns den wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen, um ein Gebäudekonzept zu entwickeln, die sozialer, architektonischer, energieeffizienter und nachhaltiger Ansprüche gerecht werden. Aus diesem Konzept entstehen neue Möglichkeiten der Kommunikation, der Zusammenarbeit und ein maßgeschneidertes  Corporate Idenity für das Unternehmen Landsteiner – LUKS. Die Konzeption zielt darauf ab, dass ein gesamtheitliches System aus den genannten Aspekten hervorgeht.

Welche Rolle spielt die Begrünung von Gebäuden auch im Stadtzusammenhang? Immer noch begegnet man manchmal einer ablehnenden Haltung, die in urbanen Gegenden Häuser und Fassaden sehen will, aber nicht zu viel Grün. Wie kann man da Überzeugungsarbeit leisten?

Wir beobachten die Phänomene des Klimawandels als Büro für Stadt und Dorfentwicklung, aber auch als Architekturbüro sehr genau. Starkregenereignisse, lange Hitzeperioden und Tropennächte sind die aktuellen Schlagwörter für den Klimawandel. Aus diesen Ereignissen heraus entwickeln wir architektonische Konzepte, wie beispielsweise Nachtlüftungen in Büro und Gewerbegebäuden aber auch begrünten Fassaden dieser Gebäude oder eine Verstärkung zur Stärkung der Sommertauglichkeit die Gestaltung eines grünen Umfeldes rund und im Gebäude selbst.
Bei großflächigen Bepflanzungen in Stadt- oder Gewerbegebieten werden wir fachlich beispielsweise durch Meteorologen unterstützt, die den Nachweis führen, mit welcher Anzahl von Bepflanzungen das Mikroklima in diesen Räumen verbessert werden kann. Dachbegrünungen und die Reduktion von versiegelten Flächen helfen uns bei Starkregenereignissen, Überschwemmungen vorzubeugen. Diese Maßnahmen fließen in ein gesamtheitlich entwickeltes Konzept ein und sind der Schlüssel dafür, um Siedlungsgebiete, Stadträume aber auch Gebäudekonzepte klimafitter zu machen. Es ist kein Widerspruch, Landschaftsräume und Gebäude miteinander in Einklang zu bringen. Bei unseren Stadt- und Dorfentwicklungsprojekten stellt die Grünraumgestaltung eine bedeutende Maxime dar. Bei der Planung von Lebens- und Kommunikationsräumen spielt die Gestaltung des Außenraumes mit Grünbepflanzungen eine zentrale Rolle.

Sie haben soziale Aspekte angesprochen, aber auch Kommunikationsflächen, offene Räume und Aufenthaltsqualität, die durch Grün sehr stark unterstützt wird. Wie kann man noch mehr Öffentlichkeit erreichen? Der Trend zur Versiegelung hält trotz allem an. Es ist immer noch so, dass gefühlt jeder Quadratzentimeter verbaut wird, den man noch erwischt. Aber die Stimmen dagegen werden lauter, und zu den Vorreitern gehören Büros wie Ihres.

Bei der Analysephase von Stadtentwicklungskonzepten vergleichen wir das Verhältnis von versiegelten und unversiegelten Flächen. Sehr häufig stellen wir fest, dass der versiegelte Flächenanteil in den untersuchten Gebieten weit über 90 Prozent liegt. Bei der Analyse zählen zu den versiegelten Flächen auch unterirdisch versiegelte Flächen (Tiefgaragen), wo eine nachhaltige Begrünung mit großkronigen Bäumen nicht mehr vernünftig möglich ist. Mit diesen erhobenen Kennzahlen können wir den Verantwortlichen in den Kommunen die Entscheidung über den Bau von Tiefgaragen oder zusätzlich versiegelten Flächen – z. B. Parkplätze – wertvolle Entscheidungsgrundlagen liefern, die sich in der Regel dagegen aussprechen.
Für Begrünungen im innerstädtischen Bereich zeigen wir immer wieder gerne vorbildliche Referenzbeispiele aus Städten und Dörfern. Meist sind es Beispiele, die unser Team selbst besucht hat und in den Sommermonaten auch hautnah erleben konnte. Diese Referenzen sind für eine positive Vermittlung einer nachträglichen Stadtbegrünung ein wertvoller Beitrag.

Bemerkenswert ist das Thema unterirdische Versiegelung durch Garagen. Gibt es dazu Alternativen? Der Individualverkehr soll stärker reduziert werden, aber noch fahren viele Menschen mit ihren Autos herum, und wollen die auch irgendwo abstellen.

Hierfür haben wir unterschiedliche Lösungsansätze entwickelt, die ein weitgehendes innerstädtisches Versiegeln vermeiden (Parkplätze, Tiefgaragen).cEine Strategie ist die Entwicklung eines innerstädtischen Parkraumkonzeptes samt Parkleitkonzept. Hierfür werden geeignete innerstädtische Flächen für Parkmöglichkeiten identifiziert und zu einem Netz für ein künftiges Parkraumkonzept zusammengeführt. Die Wege zwischen den einzelnen Parkplätzen und den innerstädtischen Haupträumen werden zusätzlich architektonisch und landschaftsplanerisch neu gestaltet und aufgewertet, sodass die Fußwege von A nach B attraktiviert werden. Ein weiteres Beispiel ist die Erarbeitung eines Parkraummanagements mit unterschiedlichen Handlungsschwerpunkten, die zentral verwaltet und gesteuert werden.
Bei diesem Konzept lassen sich die Anzahl der Stellplätze signifikant reduzieren. Gleichzeitig werden Fuß- und Radverkehr wesentlich attrakiviert. Gezielte Maßnahmen innerhalb des Stadtgebietes wie Carsharing, ausreichend gesicherte Stellplätze für Fahrräder, E-Tankstellen für Fahrräder und ein attraktives Wegenetz für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen sind nur einige Beispiele für die Aufgabenstellung des Parkplatzbewirtschaftungsmanagements. Mit diesen strategischen Ansätzen versuchen wir, für möglichst alle Beteiligten eine Win- Win Situation in der Stadtenwicklung und -gestaltung zu erreichen. In vielen Fällen können wir gleichzeitig Kosten einsparen und flächenschonend beplanen, unnötige Versiegelungen vermeiden und die Qualität der Aufenthalts- und Verkehrsräume für die Benützerinnen attraktiver und effizienter gestalten. Zusätzlich werden Freiräume zur Kommunikation und Erholung in den Stadtraum implementiert.

Es gäbe sicherlich in Städten und in Dörfern noch mehrere Möglichkeiten zu entsiegeln. Sehen Sie den Trend schon, oder ist das noch ein bisschen Geheimprojekt von einigen wenigen?

In Städten und Dörfern ist die Bodenversiegelung ein häufiges Problem. Das gezielte Entsiegeln kostet zwar Geld, aber es ist wichtig, vorausschauend zu denken. Wir entwickeln Masterpläne für Städte und Dörfer, die auf einen Zeitraum von zehn Jahren ausgelegt sind. Im Rahmen dieser Pläne können wir festlegen, dass bei der Sanierung von Straßen oder Parkplätzen diese Flächen nicht erneut versiegelt werden. Im Zuge der Umsetzung des Masterplans wird somit entsiegelt. Es gibt viele Möglichkeiten, auf Grün- oder Kiesflächen sowie auf durchlässigen Oberflächen zurückzugreifen, wo immer es praktikabel ist. Besonders bei großen, zusammenhängenden Flächen, die sich im Sommer stark aufheizen, ist eine Entsiegelung unerlässlich. Hier können wir beginnen, Flächen zu entsiegeln, zu begrünen oder mit Bäumen zu bepflanzen.

Poppe*Prehal Architekten

Helmut Poope und Alexander Drehal
Helmut Poppe und Andreas Prehal (rechts)

Das Architekturbüro ist seit seiner Gründung im Jahr 2000 für seine nachhaltige und hochwertige Architektur bekannt. Mit einem erfahrenen Team und einem Netzwerk von Spezialisten realisiert das Büro Projekte in ganz Österreich. Die Architekten legen großen Wert auf wirtschaftlich sinnvolle Lösungen und ästhetisches Design. Zu den Projektbereichen gehören öffentliche Gebäude, Wohnbauten, Einfamilienhäuser und Stadtentwicklungsprojekte.

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