Duale Ausbildung

Im Brennpunkt: Karriere mit Lehre

Lehrlingsausbildung
01.08.2024

Aktualisiert am 06.08.2024
Der Slogan ist keineswegs in die Jahre gekommen, sondern aktueller denn je. Dafür stehen viele spannende Tischler-Karrieren und neue Ausbildungsvarianten, die dem Berufsnachwuchs eine große Vielfalt in Sachen Weiterentwicklung und Spezialisierung bieten.
Lehrausbildung
Karriere mit Lehre: Der Slogan ist keineswegs in die Jahre gekommen, sondern aktueller denn je. Dafür stehen viele spannende Tischler-Karrieren und neue Ausbildungsvarianten, die dem Berufsnachwuchs eine große Vielfalt in Sachen Weiterentwicklung und Spezialisierung bieten.

Bald ist es soweit und ein neues Lehrjahr beginnt: Berufseinsteiger*innen und Ausbildungsbetriebe stehen in den Startlöchern, bereit für eine "Karriere mit Lehre". Denn auch wenn der Werbeslogan schon einige Jahre auf dem Rücken hat, ist er heute aktueller denn je. Zwar bietet eine Lehrausbildung seit jeher eine Vielzahl an Karrierechancen. Doch durch neue Varianten sowie die Gleichstellung der Abschlüsse mit schulischen Ausbildungen werden die Möglichkeiten laufend mehr, die Attraktivität der dualen Ausbildung weiter erhöht. Auch wenn das Image sukzessive steigt – in vielen Köpfen ist all das leider nach wie vor nicht verankert. Umso wichtiger ist es, immer wieder auf die Vorteile einer praktischen Berufsausbildung und die Chancen, die eine solche bietet, hinzuweisen. Unabhängig davon, ob der Einstieg direkt nach dem Pflichtschulabschluss, nach der Matura oder im zweiten Bildungsweg erfolgt.

Drei Karrieren, eine Ausbildung

Unterschiedliche Karrierewege, Betriebsgrößen, Standorte und Ausrichtungen – doch eines haben die vorgestellten Tischler allerdings gemeinsam: Sie haben eine Tischlerlehre absolviert und mit dieser Ausbildung einen soliden Grundstein für ihr heutiges erfolgreiches Wirtschaften gelegt. Eine weitere Gemeinsamkeit: Sie engagieren sich aus tiefster Überzeugung in der handwerklichen Ausbildung und Lehrlingsförderung.

Ausbilder mit Leidenschaft

Tischlerei Kurz
"Karriere mit Lehre ist bei uns keine leere Worthülse: Ich bilde Lehrlinge aus, weil mir das Handwerk und eine wertschätzende Teamarbeit am Herzen liegen", sagt Tischlermeister Thomas Kurz links im Bild bei der Türsanierung gemeinsam mit einem Mitarbeiter. 

Für Thomas Kurz selbst war von klein auf klar, dass er den Familienbetrieb übernehmen wollte – in seiner Mutter, der ersten praktizierenden Tischlerin Österreichs, hatte er auch ein besonderes Vorbild. „Ich bin im Betrieb aufgewachsen, war diesem immer verbunden und wollte nie etwas anderes machen“, reüssiert der und froh ist, "einen bestehenden Betrieb übernommen zu haben – auch wenn er damals sehr klein war." Seit 2008 führt er nun die 1934 gegründete Bau- und Möbeltischlerei Kurz in Elsbethen bei Salzburg. Der auf den Sonderfensterbau und die Sanierung – u.a. in denkmalgeschützten Gebäuden in der Salzburger Altstadt – sowie den Möbelbau spezialisierte Betrieb wurde 2014 umfassend umgebaut – inklusive maschineller "Aufrüstung", unter anderem mit einem CNC-Bearbeitungszentrum. In den nächsten Jahren möchte man den Geschäftsbereich des exklusiven Innenausbaus für Privatkunden erweitern. Für all das ist man mit 16 Mitarbeiter*innen gut gerüstet, deren innerbetriebliche Karrieren Kurz ja nach Veranlagung gerne unterstützt. In den Anfängen sah die Situation noch anders aus, werkte der heute 42-Jährige doch nach der Übernahme alleine mit einem Halbtagsangestellten: "Bei so einem kleinen Betrieb haben sich damals kaum Lehrlinge beworben, außerdem hätte ich mich nicht auf die Ausbildung konzentrieren können". Aber genau das ist dem Tischlermeister ein großes Anliegen, denn "ich bin ein leidenschaftlicher Ausbilder und überzeugter Anhänger der Lehre".

Natürliches Wachstum

Mittlerweile hat man sich einen entsprechenden Ruf erarbeitet, der den Tischlermeister in Sachen Bewerbungen "aus dem Vollen schöpfen" lässt. "Wir hören vor, es gibt einen praktischen und theoretischen Test zur Aufnahme und ein abschließendes Gespräch mit mir. So stellen wir sicher, dass der Neuzugang und wir die gleichen Ziele haben – nämlich gute Handwerker*innen zu sein und zu werden", beschreibt Kurz sein professionelles Recruiting-System. Pro Jahr nimmt der Salzburger ein bis zwei, manchmal auch drei Lehrlinge auf, im Durchschnitt verbleibt einer langfristig im Betrieb. Über 90 Prozent der Mitarbeitenden haben bereits bei Kurz gelernt – ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass das System funktioniert. "Wir setzen auf natürliches Wachstum mit Leuten, die wir selbst ausgebildet haben. Die Abläufe im Betrieb werden so von der Pieke auf mitgelernt und ein Um- oder Aufstieg – z. B. zum Partieführer, Werkstättenleiter, in die Arbeitsvorbereitung oder den Verkauf – funktioniert fast übergangslos."

Zeit nehmen für eine gute Ausbildung

Kurz selbst absolvierte die Tischlerausbildung in der vierjährigen Fachschule in Hallein, "ein sehr guter Weg, um das Handwerk zu erlernen – der aber leider oft verkannt wird". Er machte die Matura im College für Möbeldesign, sammelte Erfahrungen im Möbelhandel und Direktverkauf, absolvierte die Meisterprüfung und trat danach in den elterlichen Betrieb ein. "Ich bin ein Anhänger des lebenslangen Lernens. Es ist besser, sich in der Ausbildung immer auf eines zu konzentrieren und einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Das heutige System der Lehre mit Maturmöglichkeit und Meisterprüfung im Anschluss ist für mich ideal aufgebaut."

Vom Lehrling zum Chef

Peter Witzlsteiner
"Die Lehre war für mich genau das Richtige, das ist mir im Nachhinein noch viel klarer als früher", sagt Peter Witzlsteiner, Geschäftsführer der Tischlerei Reichhart & Partner.

Als Peter Witzlsteiner 1992 in der Tischlerei Reichhart im oberösterreichischen Engerwitzdorf nahe Freistadt als Lehrling antrat, dachte er wohl nicht daran, dass er den Betrieb einmal übernehmen würde. Heute ist der 47-Jährige Geschäftsführer des 49 Mitarbeiter*innen zählenden Betriebs, der auf hochwertige Innenausstattung im Privatbereich und Messebau spezialisiert ist. "Die Lehre war für mich genau das Richtige, das ist mir im Nachhinein noch viel klarer als früher. Denn die handwerklichen Skills, die man sich aneignet, kann einem niemand mehr nehmen. Zudem kann mir kein Mitarbeiter sagen, dass etwas nicht möglich ist", so Witzlsteiner über die nachhaltige Wirkung. Bei seinem Lehreinstieg führte Christian Reichhart seit kurzem den 1963 gegründeten Betrieb mit rund 20 Mitarbeitenden. Nach einem Lehrabschluss mit Auszeichnung, der Unternehmerprüfung und kontinuierlichem zielstrebigem Arbeiten stieg Witzlsteiner 2005 in die Geschäftsführung ein, gemeinsam richtete man den Betrieb neu aus und vergrößerte sukzessive. Durch den Pensionsantritt Reichharts übernahm er 2021 das gesamte Unternehmen. Dieser Weg zeigt beispielhaft, was mit einer Lehrausbildung alles möglich ist, großes Engagement vorausgesetzt. "Es hat sich immer eins ins andere gefügt, manchmal ist es aber auch zu schnell gegangen. Dadurch blieb mir leider keine Zeit, die Meisterprüfung abzulegen. Und jetzt als alleiniger Geschäftsführer ist mir das auch nicht mehr möglich bzw. besteht der Bedarf nicht mehr", so Witzlsteiner.

"Aufblühen" in der Lehre

Auch Peter Witzlsteiner kann sich nicht über zu wenige Bewerber*innen beklagen, allerdings fällt auf, dass „die Jungen mit weniger Vorwissen aus den Schulen kommen als zu meiner Zeit. Aber was wir auch merken: Viele "schlechte" Schüler*innen blühen in der Lehre regelrecht auf. Das zeigt wiederum, dass "gut" nicht (nur) von Schulnoten abhängt, sondern Interesse und Spaß viel bewirken können." Ob Betrieb und Lehrling zueinander passen, klärt man im Rahmen von Schnuppertagen ab. Heuer werden zwei weitere Lehrlinge aufgenommen, insgesamt sind es dann neun Auszubildende in der klassischen Tischlerei und beiden Varianten der Tischlereitechnik. "Mehr als die Hälfte bleibt nach der Lehre bei uns im Betrieb. Das passt hervorragend, um unseren Personalstand konstant zu halten."

Späterer Start?

Auch wenn die klassische Tischlerlehre der am häufigsten gewählte Weg ist, tut sich viel in den Angeboten – und das ist für die Ausbildenden klar der richtige Weg. "Die Ausbildung zum Tischlereitechniker sowie Lehre mit Matura sind bei uns schon lange gut etabliert. Wir hätten auch einen Platz im Rahmen der Dualen Akademie anzubieten (Anmerkung: eine verkürzte Lehrform für Studienabbrecher*innen und Maturant*innen mit zusätzlichen Ausbildungen und höherem Gehalt)", sagt Peter Witzelsteiner. Dass sich noch niemand angemeldet habe, sei der Neuheit des Angebots geschuldet – aber in jedem Fall etwas, das sich durchsetzen werde. Bei Thomas Kurz hat ein Großteil der Lehranfänger bereits andere Erfahrungen gesammelt: "Ältere Berufseinsteiger wählen ihren Beruf bewusster, als es die ganz Jungen tun. Deshalb entscheide ich mich bei gleichwertigen Bewerber*innen zumeist für die oder den Älteren." Auch grundsätzlich fände es Kurz gut, würde eine Lehrausbildung später beginnen bzw. sollte der Kündigungsschutz gelockert werden, um "Fehler in der Berufswahl" einfacher korrigieren zu können: "Der strenge Kündigungsschutz für Lehrlinge ist gut gemeint, aber er zwingt auch beide Seiten in ein Abhängigkeitsverhältnis, das durchaus quälend sein kann." Ein weiterer Vorteil der "Älteren": Sie unterliegen nicht mehr dem Jugendbeschäftigungsgesetz, dürfen somit gleich an Maschinen arbeiten. Zudem haben viele schon einen Führerschein, das werten viele Betriebe als weiteren Pluspunkt.

Bei den Jüngsten ansetzen

Tischler Trophy OÖ 2024
Das Nachwuchsprogramm Tischler Trophy setzt bei den Jüngsten an und läuft in vielen Bundesländern seit vielen Jahren äußerst erfolgreich. Im Bild die Siegerehrung der Tischler Trophy Oberösterreich 2024.

In Richtung der Jüngsten zielen Nachwuchsförderprogramme wie die Tischler Trophy, die in einigen Bundesländern seit ein paar Jahren erfolgreich läuft. Peter Witzlsteiner ist als sogenannter Patronanztischler von Anfang an dabei und "schwer begeistert von der Kreativität und dem Engagement der Kinder". Selbst hat er über die Trophy auch schon einen Lehrling gefunden: Dieser ist jetzt im 4. Lehrjahr und hat sich für das Modell mit Matura entschieden. "Damit ist genau der Zweck erfüllt und für mich als Tischler die beste Motivation, weiterhin dabei zu sein." Tischlermeister Raimund Vesselsky setzt beim Heranführen an den Werkstoff Holz sogar noch früher an: "Wir laden schon Kindergärten und Volksschulen zu Betriebsbesichtigungen ein und fördern die Kreativität in den Schulen, indem wir z. B. Holzreste zum Verarbeiten zur Verfügung stellen. Das kostet wenig und zeigt viel Wirkung." Auch mit dem NÖ Ideenforum Holzberufe – einer Plattform unterschiedlicher Bildungseinrichtungen und Interessenvertretungen – habe man "den Stein ins Rollen gebracht". Der von der Innung NÖ neu aufgestellte Eignungstest wiederum biete Unterstützung und Sicherheit für potenzielle Berufseinsteiger*innen, Betriebe und Eltern, die hier u.a. über Rechte und Pflichten eines Lehrlings aufgeklärt werden.

Motivierender Lehrherr

Raimund Vesselsky
"Wir spüren, dass die Lehrausbildung wieder an Renommee gewinnt und es einfacher wird, Tischlernachwuchs zu finden", sagt Tischlermeister Raimund Vesselsky.

Raimund Vesselsky hat sich ebenso "schon immer für Holz interessiert": Seine Lehre startete er 1983 in einem kleinen Familienbetrieb in Niederösterreich und schwärmt noch heute davon: "Ich hatte einen tollen Lehrherren, der mir vom ersten Tag an viel zugetraut hat. Und ich bin nach wie vor sehr glücklich mit meiner Wahl, die ich gegenüber meinem Vater durchgesetzt habe. Dieser wollte nämlich, dass ich Mechaniker werde." Nach der Meisterprüfung blieb der heute 56-Jährige bis 2000 im Betrieb, dann war es Zeit für einen Wechsel. "Ich habe drei Jahre im Außendienst Tischlereien in Sachen Lacke und Leime betreut, dabei extrem viel gelernt und viele bleibende Kontakte geknüpft." 2003 folgte die Selbständigkeit als EPU, 2006 kam der erste Mitarbeiter, seit fünf Jahren bildet er gemeinsam mit Sohn und Tischlermeister Bernhard Vesselsky ein Vater-Sohn-Gespann im auf Vollholz spezialisierten Betrieb in Schiltern bei Langenlois. Die Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen den Generationen ab und an gibt, lassen sich durch Vesselskys Tätigkeit als Geschäftsführer und Lehrer u.a. an der Meisterschule Pöchlarn "einfacher nehmen": "Hier sehe ich, wie die Jungen ticken und ich kann mein Wissen weitergeben. Das ist eine Win-Win-Situation und das Unterrichten macht zudem großen Spaß."

Betriebe sind in der Pflicht

"Die Unterschiede zwischen den Lehrlingen sind größer geworden. Es gibt sehr viele unmotivierte Jugendliche, aber auch sehr viele engagierte. Und diesen stehen heute weitaus mehr Möglichkeiten offen", so Raimund Vesselsky, der als NÖ LIM-Stellvertreter für den Ausbildungsbereich zuständig ist. Aber auch die Betriebe sind in die Pflicht zu nehmen: "Vielfach werden Lehrlinge immer noch nicht entsprechend gefördert und dagegen gibt es leider keine Handhabe"  In der Meisterschule wiederum sei die Situation eine ganz andere: "Hier geht es um Erwachsenenbildung und um Menschen, die wirklich weiterkommen wollen." Thomas Kurz regt ergänzend eine regelmäßige Evaluierung der Ausbildungsbetriebe an: "Bietet ein Unternehmen selbst nicht den ganzen Umfang der Tischlerei an, muss es Lehrwerkstätten geben, um eine umfassende Ausbildung zu gewährleisten. Dann wäre die Lehre weniger inflationär."

Branchen
Tischlerei