Studierende im Wettbewerb

TU Wien
02.11.2017

Von: Redaktion Architektur & Bau Forum
Mehr als 300 Master- und Diplomarbeiten hat der Architekt Manfred Berthold – seit 2009 außerordentlicher Professor am Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien – in den vergangenen acht Jahren betreut. Dabei stellt sich stets die Frage nach der Qualität der Leistungen der Architekturabsolventen im außeruniversitären Vergleich – genau diese universitätsübergreifende Qualitätsbewertung ist Grundlage des von Baunetz ausgelobten europaweiten Wettbewerbs „Campus Masters“. 
3. Platz Campus Masters Mai/Juni 2016: Markus Stürzenbacher, Diplomarbeit neuer Typus einer autarken Schutzhütte
3. Platz Campus Masters Mai/Juni 2016: Markus Stürzenbacher, Diplomarbeit neuer Typus einer autarken Schutzhütte

„Campus Masters“, zu dem alle Master-, Bachelor- oder Diplom-Absolventen (auch Teams) der Fachrichtungen Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur und verwandter Studiengänge europäischer Hochschulen ihre Arbeiten einreichen können, bewertet im Vergleich unterschiedlicher Universitäten die Qualität der Abschlussarbeiten aus Master- und Diplomarbeiten und nominiert die besten unter ihnen. Aus zahlreichen Einreichungen von mehr als hundert teilnehmenden Universitäten und Hochschulen werden drei Mal pro Semester die besten zwanzig Arbeiten von einer Fachjury ausgewählt und zusätzlich einer interessierten Öffentlichkeit zur Bewertung präsentiert. Die Tatsache, dass sich darunter auch bereits Dutzende von Manfred Bertold betreute Master- und Diplomarbeiten befinden, stellt für ihn als Lehrenden durchaus auch eine gewisse Bestätigung der Qualität der universitären Leistungen dar und gibt Anlass, einige dieser prämierten Abschlussarbeiten vorzustellen.

Modell einer flexiblen Architektur
In seiner Diplomarbeit entwickelt Georg Hrabanek ein kinematisches Modell für eine flexible Architektur, mit dem Ziel für die jeweilige Anforderung durch die Wandelbarkeit der Architektur den optimalen Grundriss zu schaffen. Spontan können räumliche Strukturen an die wechselnden Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer angepasst werden. In diesem dynamischen Architekturkonzept werden Räume durch Drehmechanismen und unter Zuschaltung von Ebenen erweitert und neu gruppiert. Dieses Architekturprojekt stellt einen Gegensatz zur üblichen, „für die Ewigkeit“ geplanten statischen Architektur dar. Georg Hrabaneks Diplomarbeit wurde mit Platz 1 im Campus Masters Wettbewerb Juli/August 2014 ausgezeichnet.

Automatisierte Modularität
Matthias Danzmayrs innovative Diplomarbeit setzt sich mit der Automatisierung des Architekturschaffens auseinander, indem er über architektonische Prototypen ansatzweise Algorithmen architektonischer Artefakte schafft, frei von architektonischen Einflüssen aus der Vergangenheit. Das Ergebnis ist ein hochdynamisches Architekturkonzept auf Basis einer völlig neuen Idee der Modularisierung. Dieses außergewöhnliche Projekt war u.a. auch durch die einjährige Forschungstätigkeit des Diplomanden am Institut von Carlo Ratti am Massachusetts Institute of Technology geprägt. Mit dem 1. Platz für die Diplomarbeit von Matthias Danzmayr im Campus Masters Wettbewerb Sep./Okt. 2015 wurde seine Leistung prämiert.

Erschließung der Stadt
Ein neues Architektur-Stadtgewebe, das die Erschließungswege zu Gebäuden transformiert, hat Erwin Zeisel in seiner Diplomarbeit verwirklicht. Deren Ziel ist die Schaffung großzügiger verkehrsberuhigter Grünanlagen inmitten einer neuen hochverdichteten Stadtstruktur. Das Projekt dockt an die Battersea Power Station in London an und entwickelt den Nine Elms on the South Banks~Masterplan vollkommen neu. Die Architektur wirkt wie ein Brückennetz, auch im übertragenen Sinn, und schafft die Verbindung zu seiner Umgebung – von der Freifläche des Battersea Parks und der Themse, bis zu den neukonzipierten Freiflächen und Parks des Projekts. Platz 1 im Campus Masters Wettbewerb März/April 2016 ging an die Diplomarbeit von Erwin Zeisel.

Mutable Architektur
Franz Moses Driendls Diplomarbeit befasst sich mit dem Entwurf veränderbarer und beweglicher Architektur für Künstler der Gegenwart. In seinem Projekt „Architecture in Residenz“ leben und arbeiten ein bis zwei Künstler der Gegenwartskunst jeweils in kleinen Raummodulen für eine begrenzte Zeit mitten im Stadtgebiet von Wien. Ein sich durch die Stadt bewegendes Mutterschiff versammelt nach Ablauf der Residency sämtliche Module zu einer Gesamt-Ausstellung als künstlerische Momentaufnahme. Der architektonische Entwurf implementiert dabei den lebendigen Austausch zwischen Kunstschaffenden und Stadtbewohnern. Die Diplomarbeit von Franz Moses Driendl landete auf dem 3. Platz des Campus Masters Wettbewerb März/April 2016 ausgezeichnet.

Dynamik und Veränderbarkeit
Ein Projekt, welches ebenso die Dynamik der Bewegung und Veränderbarkeit von Architektur zum Inhalt hat, ist jenes von Barbara Bangerl. Ausgangspunkt ihrer Diplomarbeit ist das Problem des fortwährenden Bodenverbrauchs von Landschaftsräumen, im vorliegenden Fall der Kurzzeit-Wohn- und Hotelbauten in Lech am Arlberg. Während sich Touristengemeinden in der Hauptsaison einer hohen Auslastung erfreuen, weisen diese in der Nebensaison Großteils ungenutzte Flächen auf. Auf der Idee einer zeitweisen kompakten geschlossenen und aufgelockerten offenen Bauweise basierend, um den saisonbedingten Bedürfnissen zu entsprechen, wurden Lösungen einer mobilen Architektur entwickelt, die immer neue Gebäudefiguration durch die Konzeption verschiebbarer Häuser ergeben. Der Campus Masters Wettbewerb Mai/Juni 2016 hat die Diplomarbeit von Barbara Bangerl mit Platz 1 prämiert.

Kräfte aus der Natur nutzen
Ein neuer Typus einer autarken Schutzhütte am steirischen Zirbitzkogel in 2.376 Meter Höhe ist das Ziel der Diplomarbeit von Markus Stürzenbacher. Das Projekt befindet sich an derselben windexponierten Stelle wie sein Vorgängerbau. Die Gebäudehülle ist aus einer mehrlagigen Membrane aufgebaut und erzeugt durch die vom Wind herbeigeführte mechanische Zug- und Druckbelastung der Fasern, die elektrische Ladung zur Speisung der Akkus für die Innenbeleuchtung. Die Windkraft dient der expressiven Architektur somit als Entwurfsparameter und Energielieferant. Die „windschlüpfrige“ Gebäudeform steht auch symbolisch für das Aufbrechen konventioneller Vorstellungen einer alpinen Architektur. Im Campus Masters Wettbewerb Mai/Juni 2016 landete die Diplomarbeit von Markus Stürzenbacher auf dem 3. Platz.

Als Architekt begeistert Manfred Bertold vor allem der kreative Prozess vom ersten Aufglimmen einer Idee bis zum fertigen Plan, da jeder Entwurf eine Möglichkeit zur Erneuerung und Entwicklung darstellt. Als Hochschullehrer liegt ihm die Unterstützung seiner Studenten genau bei dieser kreativ-schöpferischen Arbeit besonders am Herzen und er genießt es, Entwicklungs- und Entstehungsprozesse sowohl der Architekturprojekte als auch der jungen Kollegen begleiten zu dürfen. Zeitaufwendige Auseinandersetzung und intensive Diskussionen mit den Diplomanden führen letztlich zu den oben angeführten außergewöhnlichen Leistungen. Selbst nach über dreihundert persönlich betreuten Diplomarbeiten gilt Bertolds Bestreben, jede einzelne Lehrveranstaltung denkwürdig und lebendig zu gestalten. Er sieht seine Aufgabe darin, gemeinsam mit seinen Diplomanden Wege zu finden, deren eigenen Fragen zu entdecken und nachzuspüren und somit schließlich deren persönlichen Entwicklungsprozess anzuregen.

Manfred Berthold ist seit 2009 außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Architektur und Entwerfen. Er ist Autor des Buches Architektur kostet Raum (2010, Springer-Verlag). Er wurde im Mai 2017 mit dem Best Teacher Award der der Technischen Universität Wien als bester Lehrer an der Fakultät für Architektur und Raumplanung ausgezeichnet.

http://www.baunetz.de/campus-masters

Branchen
Architektur