Bau-Cycle
Baustoffe im Kreislauf
Die Umsetzung nachhaltiger Materialkreisläufe im Baustoffsektor lässt häufig (noch) zu wünschen übrig. Obwohl die Kreislaufwirtschaft aktuell eine globale Priorisierung erfährt, gibt es in diesem Bereich immer noch viele Unsicherheiten und Hürden. In dem Forschungsprojekt Bau-Cycle entwickeln die Holzforschung Austria (HFA), das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie (IBO), alle drei Mitglieder des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research), hierzu Know-how und praxisorientierte Lösungen.
Sortenrein ohne Schadstoffe
Was ist zu tun mit ausgedienten Baumaterialien, die im Zuge von Abbruchs-, Sanierungs- oder Umbauprojekten in rauen Mengen anfallen? Ob diese als Abfall entsorgt werden oder einen zweiten Lebenszyklus erfahren dürfen, hängt von mehreren Faktoren ab. Voraussetzung für ein hochwertiges Recycling ist zunächst die sortenreine Trennung einzelner Materialsegmente. Das alleine reicht aber nicht aus: Oft stehen im Material vorhandene Schadstoffe einer nachhaltigen Verwertung im Weg.
Hier setzt das Forschungsprojekt "Bau-Cycle: Nachhaltige Baustoff-Kreisläufe durch Materialanalyse und Schadstoffabtrennung" an. Gemeinsam forschen die HFA, das OFI und das IBO an Lösungen für die Materialgruppen Altholz, Altfenster (Holz/Kunststoff) und gealterte Dämmstoffe. Das mehrjährige Projekt der ACR-Programmlinie Strategische Projekte läuft noch bis Ende 2022 und wird vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gefördert.
Im Rahmen des Forschungsprojekts generieren die drei ACR-Institute neues Wissen und etablieren gemeinsam ein kooperatives Baustoff-Analysenlabor (BAL), das die Entwicklung materialspezifischer und praxisorientierter Analysemethoden für relevante Schad- und Störstoffe in den Vordergrund stellt. Damit soll es gelingen, ausgediente Baumaterialien rasch und unkompliziert auf mögliche Schadstoffe zu untersuchen und so Materialkreisläufe zu optimieren.
Altholz, Altfenster und Dämmstoffe
In einem ersten Schritt wurden im Projekt Bau-Cycle die definierten Materialgruppen analysiert und häufig auftretende Stör- bzw. Schadstoffe erfasst sowie spezifische Erkenntnisse gewonnen.
Altholz, insbesondere aus dem Außeneinsatzbereich, kann mit unterschiedlichsten Problemstoffen belastet sein. Biozide oder Halogene können aus vorangegangenen Holzschutz- und/oder Flammschutzmittelbehandlungen stammen. Im Zusammenhang mit Recycling sind aber auch herkömmliche Beschichtungsanstriche kritisch zu betrachten. Insbesondere historische Applikationen stellen oftmals eine Quelle für Schwermetalle, z. B. Blei, Chrom, Cadmium oder Zink, dar.
Altfenster aus Holz werden in Österreich ausschließlich thermisch verwertet. Die Recyclingholzverordnung (BGBl. II Nr. 160/2012) spricht für diese Produktgruppe ein dezidiertes Recyclingverbot aus. Primäre Problemstoffquellen sind auch hier etwaige Holzschutzmittelbehandlungen und historische Beschichtungen. Asbesthaltige Fensterkitte stellen ein zusätzliches Risiko dar. Kunststofffenster werden zwar großflächig rezykliert, ein Ausschlusskriterium für das Vorhandensein von Schadstoffen ist dies jedoch nicht. Blei oder Cadmium, die in der Vergangenheit häufig zur Stabilisation von PVC-Kunststoffen eingesetzt wurden, bleiben über das Rezyklat jahrelang im Kreislauf und stellen damit auch heute noch ein aktuelles Problem dar. Verbundfenster werden kaum einer nachhaltigen Verwertung zugeführt, da eine sortenreine Trennung der einzelnen Materialfraktionen oft nicht möglich ist.
Für Dämmstoffe lässt sich aufgrund der Inhomogenität der Materialgruppe kaum ein gemeinsamer Nenner finden. Je nach Kategorie wurden in der Vergangenheit hochhalogenierte Flammschutz- oder Treibmittel verarbeitet, deren Einsatz nun schon seit Jahren verboten ist (z. B. Hexabromcyclododekan-Flammschutz in XPS- und EPS-Platten) und die vor einem Materialrecyclingschritt ausgeschleust werden müssen. Auch Biozidbehandlungen sind fallweise möglich. Die selektive Separation einzelner Materialfraktionen ist besonders bei Wärmedämmverbundsystemen eine zusätzliche Hürde. Im Dämmstoffbereich gibt es zudem kaum spezifische Regulative, auf die man zurückgreifen könnte.
Kooperatives Baustoff-Analysen-Labor
Ein kooperatives Analysenlabor mit speziellem Fokus auf die Kreislauffähigkeit von Baumaterialien macht somit aus mehreren Gründen Sinn. Einerseits zielen legislativ geregelte Parameter vorrangig auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte ab, im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufführung sind derartige Betrachtungen aber oft unvollständig. Andererseits ist aufgrund der großen Diversität von Baumaterialien die Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzen zielführend, wenn nicht unabdingbar.
So können im BAL alle relevanten Problemstoffe der genannten Materialgruppen und anderer Baustoffe analysiert werden. Eine Besonderheit ist die mobile Laboreinheit, die auf der Baustelle zum Einsatz kommt. Portable Röntgenfluoreszenz- und Infrarot-Spektroskopiegeräte können ohne aufwendige Probenvorbereitung eine Vielzahl von Elementen und Materialien nachweisen und unterstützen damit auch eine Klassifizierung von Materialfraktionen vor Ort. Spezifische Detailuntersuchungen werden hingegen im stationären Labor durchgeführt. Für organische Schadstoffe wie Biozide kommen chromatografische Analysentechniken wie die Flüssig- oder Gaschromatografie (HPLC, GC) zum Einsatz. Schwermetalle und andere Elemente werden mit der ICP-OES (optische Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma) untersucht. Halogene und Schwefel werden ionenchromatografisch analysiert. Für die Strukturanalyse von Baustoffproben stehen zudem eine Vielzahl an mikroskopischen Techniken zur Verfügung.
[Autorinnen: Christina Fürhapper, Gabriele Eder, Hildegund Figl]
Zu den Autorinnen
DI (FH) Christina Fürhapper ist Projektleiterin im Fachbereich Bioenergie und Chemische Analytik der Holzforschung Austria.
Dr. Gabriele Eder ist Expertin für Materialanalytik und forscht als Senior Researcher am OFI.
Mag. Hildegund Figl forscht am IBO zu den Schwerpunkten Life-Cycle und Umweltverträglichkeit.
Event-Tipp
Für alle, die mehr über die Ergebnisse des Forschungsprojekts Bau-Cycle und das entwickelte Baustoff-Analysenlabor erfahren wollen, veranstalten die Projektpartner am 11. Oktober 2022, 13 Uhr bis 16 Uhr, ein Onlineseminar. Die Teilnahme ist kostenlos.
Details & Anmeldung