Außergewöhnliche Ursachen
Glasbruch kann eine Vielzahl an Ursachen haben. Grundsätzlich kann Glas jedoch nur zu Bruch gehen, wenn äußere Einwirkungen dazu führen, dass Spannungen im Glas aufgebaut werden und diese größer sind, als die materialspezifischen Eigenschaften. Kein Glas bricht ohne äußere Einwirkungen. In manchen Fällen sucht man lange nach den Ursachen.
Text: Ekkehard Wagner
Es gibt eine Vielzahl an Bruchursachen, sowohl häufigere und bekannte, wie zum Beispiel den Steinwurf oder die Kantenbeschädigung, aber auch seltenere Ursachen, die oft auch den mit Glas täglich Beschäftigten unbekannt sind. Davon sind nicht nur Fenster und Fassaden aus Glas betroffen, sondern in zunehmendem Maß auch Photovoltaik-Elemente (PV-Module). Unabhängig davon, ob deren Aufbauten aus 2 x 3 Millimeter Glas, aus Glas-/Folien-Verbund oder bei objektspezifischen Sonderanfertigungen aus beispielsweise 2 x 10 Millimeter oder gar 12 Millimeter Glas bestehen, bleiben deren Eigenschaften der verwendeten Glasart untergeordnet. Verwendung finden dabei alle Glasarten, von nicht vorgespanntem Floatglas über TVG bis hin zu ESG. In den meisten Fällen handelt es sich um extraweißes, eisenoxidarmes oder -freies Glas, um eine möglichst hohe Energieausbeute der PV-Zellen zu erreichen. Bei all diesen Glasarten und -kombinationen gibt es eine Vielzahl an Einwirkungen, die Glasbruch verursachen können, wie z. B. Hagel, zu starke Einspannung, Verwindungen der Unterkonstruktion, Überhitzung durch elektrischen Kurzschluss oder Ähnliches. Da diese PV-Module, vor allem wenn es sich um objektspezifische Sonderkonstruktionen mit unterschiedlichen Abmessungen handelt, wesentlich teurer sind als ein Standard-Zweifach-Isolierglas, können die Kosten bei Glasbruch schnell im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen. Ist nicht nur ein Element, sondern sind mehrere beschädigt, summiert sich die Schadenshöhe rasant. Bei derart großen Summen ist es immer besonders wichtig, die Schadensursache und den wirklich Schuldigen festzustellen, um Regressforderungen stellen zu können.
Einbaufehler, zu dünn dimensionierte Gläser, Konstruktionsfehler oder auch Vandalismus können einige der Ursachen des Glasbruchs bei solch hochwertigen PV-Modulen sein.
Außergewöhnlicher Schadensfall
Ein etwas außergewöhnlicher Fall soll hier beschrieben werden: Bei einem Bank-Verwaltungs- und Repräsentationsgebäude wurden über dem Eingangsbereich in ca. sechs Meter Höhe 22 PV-Module eingebaut. Da es sich um eine Art Lichtdach im Flachdach des Gebäudes handelt (siehe Foto links), sind diese semi-transparent. Hinter diesem (begehbaren) Flachdach des Eingangsbereichs mit den PV-Modulen ragt in ca. fünf Meter Abstand der 26-stöckige Verwaltungsturm in die Höhe. Die PV- Module wurden korrekterweise nicht waagrecht, sondern mit leichtem Neigungswinkel eingebaut, um stehendes Wasser und dadurch verursachte starke Verschmutzung zu vermeiden. Es handelt sich dabei um PV-Module des Aufbaus 2 x 10 Millimeter TVG und 1,52 Millimeter PVB mit eingebetteten Photovoltaik-Zellen.
Statisch von einem Ingenieurbüro korrekt dimensioniert und sorgfältig blasenfrei vom Modulhersteller produziert, wurden die einzelnen Elemente flächenbündig in der Unterkonstruktion eingebaut. Eine äußere Versiegelungsfuge anstelle eines Deckprofils sorgt dafür, dass an keiner Stelle stehendes Wasser oder eine Schattenbildung auf den PV-Modulen entstehen kann. Damit wird die Leistung der PV-Module nicht durch konstruktive Einbaudetails reduziert und somit eine bestmöglich Produktion von Solarstrom, abhängig von der Einbausituation, erzielt.
Suche nach dem Schuldigen
Der Einbau erfolgte 2010 durch den Fachunternehmer, der auch die Metallunterkonstruktion erstellt hat. Bei der Abnahme ergaben sich keinerlei Probleme. Im Jahr 2012 wurden erste Schäden an den Glasscheiben – 10 Millimeter TVG aus Weißglas als Deckscheibe – entdeckt, 2013 wurde eine weitere starke Zunahme der Glasschäden registriert und deshalb beim Ersteller der Konstruktion und der Verglasung dieser Glasschaden reklamiert.
Der Bauherr reklamierte hierbei Glasbruch in erheblichem Umfang – über 50 Prozent der eingebauten PV-Elemente waren betroffen – und forderte den Metallbaubetrieb auf, den Schaden im Rahmen seiner Gewährleistung durch Austausch aller beschädigten PV-Module zu beheben. Da sich die Schadenshöhe inzwischen im oberen fünfstelligen Bereich befand, war ein schneller und kulanzmäßiger Austausch einiger weniger PV-Module nicht mehr möglich – es musste der eigentliche Verursacher gefunden werden.
Dabei wurden alle Parameter der Planungsphase nochmals überprüft: Statik der PV-Elemente, Verglasung, Einspannung, Verwindungen der Konstruktion, Glasart und Glasdicke – wobei dies zu dem Schluss führte, dass keine erkennbaren Fehler vorhanden waren.
Spezialist für Glasschäden
Zur Klärung der Glasbruchursache wurde schließlich ich eingeschaltet, da ich als Autor des Fachbuchs „Glasschäden“ für besonders geeignet zur Feststellung der Schadensursache befunden wurde. Bei der Begehung vor Ort stellte ich Folgendes fest:
- Der Verlauf der Glasbrüche lässt keinen eindeutigen Schluss zu, es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Bruchverläufen. Während einige Elemente nur einen durchgehenden Sprung aufweisen, zeigen andere eine starke Zerstörung mit diversen Brüchen.
- Es war immer nur die äußere Glasscheibe betroffen, bei keinem Element zeigte die untenliegende Scheibe irgendeine Beschädigung.
- Ein spinnennetzähnliches Bruchbild war an keinem Element vorhanden.
- Besondere, auffällige Kantenbeschädigungen konnten im eingebauten Zustand an keinem PV-Element erkannt werden, die Kanten waren absolut sauber und ohne sichtbare Beschädigungen.
- Der Bruchverlauf mit kaum Bruchinseln und einigen, parallel zur Kante laufenden Sprüngen weist klar auf die Verwendung von TVG hin, da TVG einige typische Sprungverläufe zeigt, die weder bei nicht vorgespanntem Floatglas, noch bei ESG zu beobachten sind.
- Auf der Dachfläche und vereinzelt auch auf zwei PV-Elementen lagen runde Kieselsteine in Haselnuss- bis maximal Walnussgröße.
- Größere Steine, die eventuell von der Straßenseite auf die Verglasung geworfen worden wären, konnten nicht festgestellt werden.
Da diese oberflächliche Betrachtung natürlich noch keinen Rückschluss auf die Bruchursache gab, wurden jedes PV-Element und jeder Glasbruch genau untersucht, um den Bruchausgangspunkt und die Bruchlaufrichtung feststellen zu können.
Dabei ergaben sich einige interessante und eindeutige Ergebnisse:
- Bei allen Sprungverläufen konnte der Sprungbeginn eindeutig festgestellt werden. Sowohl aufgrund einiger erkennbarer Wallner’scher Linien, wie auch anhand von Sprungverzweigungen war der Ausgangspunkt unzweifelhaft feststellbar.
- Alle Ausgangspunkte der Glasbrüche zeigten ein nahezu identisches Erscheinungsbild mit ca. 2 Millimeter bis 6 Millimeter großen, meist kreisrunden Flächenbeschädigungen.
- Auch an den PV-Elementen ohne Glasbruch zeigten sich bei genauer Untersuchung solche ca. 1 Millimeter bis 3 Millimeter große, kreisrunde Flächenbeschädigungen, von denen jedoch kein Sprung ausging.
Ein Bruchspiegel konnte leider deshalb nicht exakt festgestellt werden, da am Sprungbeginn die Glasoberfläche eine meist kreisrunde Beschädigung mit feinen Glaskrümeln auf der Oberfläche zeigte und die VSG-Elemente nicht zerlegt werden konnten, um die Bruchoberfläche am Bruchbeginn genauer untersuchen zu können.
Vandalismus aus der Luft
Aus diesen ganzen Untersuchungen und Feststellungen kann nur folgender Schluss gezogen werden: Vogelvandalismus ist die Ursache. In Fachkreisen ist hinlänglich bekannt, dass vor allem Möwen Muscheln aus größerer Höhe fallen lassen, um die Außenhülle zu zerstören und an das Fleisch im Inneren zu gelangen. Es ist ebenfalls bekannt, dass Rabenvögel wie Krähen, Dohlen oder auch Elstern Nüsse aus größerer Höhe abwerfen, um die harte Schale zum Platzen zu bringen und an den Kern zu gelangen.
Die kreisrunden Oberflächenbeschädigungen an den gesprungenen, aber auch an den nicht zerstörten Scheiben können nur mit dem senkrechten Aufprall eines sehr harten, kleinen und runden (kugelförmigen) Gegenstands auf die Glasoberfläche erklärt werden. Dieser muss allerdings aus größerer Höhe abgeworfen werden, um die Oberfläche von 10 Millimeter dicken Glas in der beschriebenen Form zu beschädigen.
Auf dem Flachdach neben den PV-Elementen befanden sich runde Kieselsteine in der Größe von Haselnüssen bis Walnüssen. Dieses Flachdach hatte keine Kiesschüttung, sondern bestand nur aus verschweißten Dichtbahnen. Der 26-stöckige Büroturm im Abstand von ca. fünf Meter hinter diesem PV-Dach hat ebenfalls ein Flachdach, allerdings mit Kiesschüttung. In Gebäudenähe konnte eine Vielzahl an Dohlen, aber auch Krähen und Elstern, aber auch einige Möwen beobachtet werden.
Somit können die Oberflächenbeschädigungen, die ursächlich zum Glasbruch geführt haben, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur von Vögeln verursacht worden sein, die Kiesel vom sehr hohen Flachdach des Büroturms abwerfen, vermutlich in der Annahme, dass es sich hierbei um Nüsse handelt. Ob der Spieltrieb der Krähenvögel eine weitere Rolle spielt, ist unbekannt. Diese Kiesel erreichen aufgrund der großen Höhe eine sehr hohe Aufprallenergie, die die Oberflächenbeschädigungen verursachen und eventuell sofort oder bei weiterer thermischer Belastung der PV-Elemente zum Glasbruch führen.
Die grob geschätzte Schadenshöhe lag in diesem Fall bei ca. 60.000 bis 70.000 Euro – die dem Bauherr zur Last fallen. Zur Vermeidung von weiteren „Vogelsteinschlagschäden“ wurde darüber diskutiert, im Abstand von ca. 10 bis 20 Zentimeter zu den PV-Modulen ein sehr feines, hoch belastbares Netz zu spannen, das die PV-Elemente möglichst wenig abschattet, aber den Steinschlag auf die Glasoberfläche vermeidet.
Zum Autor
Ekkehard Wagner leitet das Vertriebsbüro Deutschland der österreichischen Ertl Glas AG in Allersberg. Ekkehard Wagner ist außerdem als Referent, Lehrbeauftragter und kompetenter Fachbuchautor in der Glasbranche bekannt.