Smart Glass News
Smart Glass ist inzwischen ein breiter Begriff. Wurden so vor allem tönbare Verglasungen bezeichnet, umfassen "intelligente Gläser" heute eine vielfältige Range. Wir haben uns umgehört, welche smarten Innovationen der Markt bietet.

Elektrochromes Glas, das klassische “Smart Glass”, ist bereits seit Anfang der 1990er Jahre auf dem Markt. Seine Lichtdurchlässigkeit wird durch das Anlegen einer elektrischen Spannung verändert. Einsatz finden elektrochrome Gläser vor allem an Glasfassaden, in großen Fenstern oder Trennwänden in Innenräumen. “So haben Museen zum Beispiel oft das Problem, genügend natürliches Licht in die Ausstellungsräume zu lassen und dabei gleichzeitig das schädliche UV-Licht draußen zu halten. Mit EC-Glas optimiert man den natürlichen Lichteinfall und schützt gleichzeitig die wertvollen Exponate”, erklärt Robert Jagger, Halio Verkaufsleiter für Europa und Middle East. Auch Bürogebäude, Einkaufszentren, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, denkmalgeschützte Gebäude und hochwertige Wohnimmobilien sind für den Einsatz schaltbarer Gläser prädestiniert.
“Schaltbare Gläser erlauben die präzise Dimmung und Steuerung von Lichttransmissions- und Energiedurchlassgrad – und damit des Ug-Wertes – ohne mechanischen Sonnenschutz wie Lamellen oder Jalousien”, erläutert Jagger. Sie dienen also dem Sonnenschutz, Wärmeschutz, Blendschutz und Sichtschutz, und sie reduzieren die Energiekosten für das Heizen oder Kühlen der Räume.
Die elektrochromen Beschichtungen werden zusammen mit Schichten, die als Ionenleiter, Anode und Kathode fungieren, zwischen zwei dünnen Floatglasscheiben aufgebracht. Bei Anlegen einer geringen Gleichspannung wird zwischen den Schichten ein Ionenaustausch aktiviert und es verändern sich Farbe und Transparenz der elektrochromen Schicht. Fällt die Spannung weg, wird die Scheibe wieder völlig klar.
Robert Jagger ist sicher, intelligent schaltbare Gläser werden eines der Erfolgsprodukte der nächsten Jahre: “Abtönbare Gläser zahlen auf mehreren Ebenen auf das Thema nachhaltiges Bauen ein. Da ist zum einen natürlich die Verbesserung der Energieeffizienz. Zum anderen erhöhen sie messbar den visuellen und thermischen Komfort und tragen damit auch zu Gesundheit und Leistungsfähigkeit bei.” Dimmbare Gläser rücken auch immer mehr in den Fokus, wenn eine Zertifizierung nach Green-Building-Standards angestrebt wird.

Das smart tönende Halio Glas ist mit einem Farbwiedergabeindex von 97 komplett farbneutral und entwickelt auch mit zunehmender Abdunkelung keinen unnatürlichen Blaustich, kein Raster und keine sprunghaften Verläufe. Die Tönung erfolgt gleichmäßig in dezenten Graunuancen und ermöglicht einen ungestörten, blendfreien Blick ins Freie bei gleichzeitig optimalem Grad an Tageslicht im Raum. Ungetönt weisen Halio Isolierglaseinheiten einen Lichtdurchlassgrad von 65 Prozent auf. Bis auf zwei Prozent kann der Lichtdurchlass reduziert werden, bis zu 97 Prozent der Wärmeenergie wird im Maximum geblockt.
Die Intelligenz des Halio Glassystems steckt in der Halio Cloud Plattform, die die Steuer- und Regelungskomponenten mit den Glaseinheiten verbindet und die Bedürfnisse und Anforderungen hinsichtlich Komfort, Tönungsgrad und Energieeffizienz erfüllt. Die Halio Cloud kann mit Sprachsteuerungssystemen sowie mit allen gängigen Gebäudeautomations- und Hausautomationssystemen kommunizieren. Die Bedienung erfolgt wahlweise über Apps, lokale Bedienpanels oder per Handsender.
Das elektrochrome Glas-Produkt von Saint-Gobain “SageGlass Harmony”. Es erzeugt einen stufenlosen Tönungsverlauf, von 60 Prozent Lichtdurchlässigkeit im klaren, bis zu weniger als einem Prozent im getönten Bereich. Die Tönung kann von oben nach unten oder von unten nach oben verlaufen, um die Anwender dort zu schützen, wo sie es brauchen. Bei Bedarf lässt sich auch die komplette Scheibe abdunkeln.
“Wir gehen davon aus, dass die Gebäudehülle selbst immer mehr zu einem vernetzten Objekt wird. Dies bietet der Bauindustrie auch enorme Möglichkeiten. In sogenannten intelligenten Gebäuden lässt sich der verfügbare Raum in der Regel besser nutzen und damit auch höhere Erträge erzielen. Die Nutzer profitieren von niedrigeren Betriebskosten und der Unterstützung bei Sicherheit, Komfort oder Produktivität”, sagt Andreas Bittis, International Market Manager bei Saint-Gobain Building Glass.
Darüber hinaus arbeitet Saint-Gobain derzeit an einer spannenden Entwicklung bei smarten Prozesslösungen für die Bau- und Immobilienbranche, bei der die Fenster- und Fassadenverglasungen im Mittelpunkt stehen: “iWin”, ein Glas mit RFID-Transponder. Bei diesem digitalen Service, der aktuell in ersten Projekten erprobt wird, sind RFID-Chips unsichtbar in die Verglasung integriert. Diese Chips lassen sich über Scanner auslesen, was je nach Rahmenkonstruktion in einem Abstand von ca. 30 Zentimetern aber auch darüber hinaus geschehen kann. Der Clou: Die bereitgestellten Daten können das Gesamtgebäude im Sinn eines digitalen Zwillings abbilden und liefern detaillierte Informationen über die eingebaute Verglasung.


“iWin” hat weitreichendes Potential: Der Glasverarbeiter baut den Chip in das Isolierglas ein und “hinterlegt” gewissermaßen sämtliche Daten zur Bestellung, der Verglasung und zur Logistik. Die Bandbreite dieser Informationen reicht dabei etwa von den spezifisch technischen Werten samt Umweltdeklarationserklärung der Isolierglaseinheit, über Herstellungsdatum und -ort bis hin zu den Versanddaten. Allein durch diese Basisdaten lässt sich das Bauelement wie ein DHL-Paket tracken und damit jederzeit nachvollziehen, wo sich welches Glas befindet. Sei es beim Fassadenbauer, der wiederum seine “Rahmendaten” über die RFID-Nummer dem Isolierglas genau zuordnen und dem Generalunternehmer als Gesamtpaket zur Verfügung stellen kann, in einem Zwischenlager oder unterwegs. “Ein weiterer Punkt, der vor allem bei Großbaustellen mit engem Logistikkorsett relevant ist, sind die Daten, wann dieses Bauelement angeliefert werden muss und wo genau es sich später ohne Zeitverzug wieder finden lässt”, erklärt Andreas Bittis.
Die elementbezogenen Basisdaten lassen sich natürlich mit dem BIM-Modell des Planers koppeln. Das Element bekommt einen eindeutigen Platz am Gebäude zugewiesen. Das unterstützt die Qualitätssicherung in der Ausführung und eröffnet zugleich Möglichkeiten für eine präzise und gut dokumentierte Bauabnahme.
Auch im Betrieb des Gebäudes helfen die Daten dem Facility Management. Ist ein Element beschädigt, lassen sich sofort die relevanten Daten zum Hersteller, zu den technischen Werten etc. auslesen. Damit wird auch die Wartung von Elementen unterstützt.
Von zunehmender Bedeutung ist auch die Perspektive am Lebensende eines Gebäudes. Die hinter “iWin” stehende Datenbank zeigt einem Recyclingunternehmen die wirtschaftlichen Potenziale des Bauwerks als Materialdatenbank. “Alles in allem zeigt iWin ein enormes Potenzial für die Bauwirtschaft, weil es als digitaler Zwilling ein echtes as-built-Modell bereitstellt”, so Bittis.
Auch die NSG/Pilkington Gruppe schläft nicht, wenn es um die intelligente Nutzung von Gläsern geht. Eine interessante Entwicklung gibt es aktuell etwa im Bereich der leitfähigen Gläser, wo NSG/Pilkington mit dem Produktdesignunternehmen Cohda zusammenarbeitet. Die Idee: “Glass as a wire” – Glas wird zum unsichtbaren Kabel. Damit lassen sich nicht nur Komponenten im Glas elektrisch versorgen, es können auch Signale über das Glas übertragen werden.
Die Gläser der “NSG TEC”-Familie haben eine robuste Online-Beschichtung, die elektrisch leitfähig und gleichzeitig transparent ist. Die verschiedenen Typen unterscheiden sich hinsichtlich ihres elektrischen Widerstandes, der durch die Dicke der Beschichtung bestimmt wird. Je dicker die Schicht, desto besser ist die Leitfähigkeit. “NSG TEC” kann auch als Einfachscheibe eingesetzt werden. Es eignet sich für technische Anwendungen genauso wie für Solaranwendungen, dazu gehören etwa: beheizbare Glasanwendungen im Interieur als Isolierverglasung oder in Schwimmbädern und Wellnessbereichen, Verglasungen von Verkehrsmitteln zur Erhöhung der Sicherheit durch die Verhinderung von Kondensatbildung auf Scheiben, EMI/RFI-Abschirmung, industrielle Kühlschränke, Touchscreens und Displayverglasungen oder auch Dünnschichtphotovoltaik.


Außenwerbung und Informationsdarstellung wird zunehmend von digitalen Medieninhalten bestimmt, die über Displays kommuniziert werden. Digitale Werbe- und Informationssysteme wie Großbildprojektionen, elektronische Plakate oder Infoterminals – betitelt mit dem englischen Überbegriff “Digital Signage” (deutsch: digitale Beschilderung) – machen die Welt bunter und bieten Informationen und Interaktionen in Echtzeit. “Wir sehen den Trend, dass viele Digital Signage Gerätehersteller bei ihren Geräten zunehmend auf Anti-Reflektionsglas zurückgreifen”, sagt Wolfgang Pichler, Vertriebsleiter von Pilkington Austria. Den Grund dafür sieht er in der stetigen Verbesserung der Bildschirme – die neuen 4K- und 8K-Geräte stellen erhöhte Anforderungen an das Glas. Mit einer Anti-Glare-Oberfläche (geätztes Glas), macht man diese hohe Auflösung zunichte. “Die Anforderungen dieser Industrie an die Verglasung sind sehr hoch und sind für uns sehr herausfordernd in der Produktion”, so Pichler.
Die “Pilkington OptiView”-Produktfamilie und “Pilkington OptAR Plus” bieten im Bereich Digital Signage ein umfassendes Angebot an hochleistungsfähigen Funktionsgläsern, um die hohen Ansprüche an Transparenz, Neutralität und Farbwiedergabe für unterschiedliche digitale Anwendungen zu erfüllen. “Die Entspiegelungswirkung ist optimal bei direkter Draufsicht auf das Glas. Falls es die Anwendung vorgibt, gibt es ebenfalls touchfähige Aufbauten mit Pilkington OptiView”, erläutert Wolfgang Pichler.
Für Präsentationen auf großen Spiegelflächen eignet sich die “Pilkington MirroView”-Familie. “Pilkington MirroView” ist ein spezielles, semi-transparentes Spiegelprodukt und kann Inhalte von dahinterliegenden Displays perfekt darstellen bzw. Bildschirme verbergen, wenn diese ausgeschaltet sind.
Bei “SmartWindow”, der neuesten Entwicklung der NSG Group mit den Technologieexperten von Physee, handelt es sich um eine innovative Verglasungstechnologie, die Nachhaltigkeit, Ergonomie und Produktivität am Arbeitsplatz kombinieren möchte. Die “SmartWindows” können Energie erzeugen und Daten zu Umgebungsparametern wie z. B. Temperatur liefern.
Denn das von Physee entwickelte “SmartWindow” enthält Sensoren, die Daten wie Licht, Luftqualität und Temperatur messen – Informationen, die genutzt werden, um Gebäude optimal zu kühlen, zu heizen und/oder zu beleuchten. “Wenn die Sensoren in die Isolierglaseinheiten der NSG Group integriert werden, sind die Optimierungsoptionen in Bezug auf Komfort, Lärmschutz, Sicherheit und Schutz praktisch unbegrenzt”, so die Entwickler von Physee.

Derzeit befindet sich das Produkt in der internen Testphase. “Ausgewählte Verarbeitungsstandorte der NSG Group werden die Physee-Sensoren in Standard-Doppel- oder Dreifach-Isolierglaseinheiten integrieren, die von uns für SmartWindows hergestellt werden. Dies bietet die Flexibilität, alle Arten von Glaskombinationen zu verwenden – unser Glas mit niedrigem Emissionsgrad für eine verbesserte Wärmedämmung, unser Sonnen- und Schallschutzglas, Sicherheitsglas und andere funktionale Verglasungsprodukte”, erklärt Alderlan Vitalino, Value Added Director Architectural Glass Europe der NSG Group. Und weiter: “Das Ergebnis ist eine Senkung der Energiekosten um bis zu 30 Prozent und ein höheres Maß an Komfort im Gebäude – all das trägt zur Zufriedenheit, Gesundheit und einer 18-prozentigen Produktivitätssteigerung im Arbeitsumfeld bei”. Ziel der Zusammenarbeit ist es, mehrere Bürogebäude in ganz Europa mit insgesamt 15.000 “SmartWindows” auszustatten.
Diese Produkte und Produktstudien, die nur eine Auswahl an aktuellen Entwicklungen rund um intelligente Glaslösungen darstellen, zeigen eindrucksvoll, welche Bedeutung dem Werk- und Baustoff Glas heute und in Zukunft zukommt. Glas ist einfach smart.