Umweltproduktdeklaration
Warum man an EPDs nicht mehr vorbeikommt
Der ökologische Fußabdruck von Lebensmitteln und Ernährungsweisen ist in aller Munde. Auch bei Gebäuden bzw. Baustoffen spielt die ökologische Performance mittlerweile eine immer größere Rolle. Wie grün ist der verwendete Beton? Welchen CO₂-Fußabdruck hat der Baustahl? Und welchen Beitrag leisten Dämmstoffe zum Treibhauseffekt? Alles Fragen, auf die man künftig Antworten haben muss.
Strenge Vorgaben der EU
Im Zuge des 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellten Green Deals wurde auch die Bauwirtschaft mit Vorgaben konfrontiert, die es in sich haben. So verlangt u. a. die EU-Taxonomieverordnung seit Anfang 2022 Nachhaltigkeitsbewertungen auf Gebäudeebene. Dafür braucht es jedoch verifizierte Daten. Bauproduktehersteller sind zunehmend gefordert, sich eingehend mit der Ökobilanz ihrer Produkte auseinanderzusetzen.
In dieselbe Kerbe schlägt auch der am 30. März 2022 veröffentlichte Erstentwurf der neuen EU-Bauproduktenverordnung (CPR), die nach einer rund 20-jährigen Übergangszeit mit 1. Jänner 2045 vollständig die aktuell geltende CPR ablösen soll. Die geplante Neufassung ist derzeit mit mehr als 130 Seiten deutlich umfangreicher als die aktuelle Version. Ein großer Teil dieses Zuwachses umfasst neue Regelungen zur Nachhaltigkeit und insbesondere der Bereitstellung von entsprechenden Informationen dazu. Die sogenannten zentralen wesentlichen Merkmale enthalten 16 umweltbezogene, aus Ökobilanzen abzuleitende Indikatoren, wie sie auch in Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPD) nach der seit Oktober 2022 alleingültigen EN 15804:2014+Amendment 2:2019+Corr2022 veröffentlicht werden. Über diese Daten hinaus werden auch zu Aspekten der Kreislaufwirtschaft (wie z. B. Empfehlungen für Reparatur, Rückbau oder Recycling) umfangreiche Informationen gefordert
Was sind EPDs überhaupt?
Im Gegensatz zu Umweltzeichen (gemäß ISO 14024) und Eigendeklarationen der Hersteller (gemäß ISO 14021) enthalten EPDs keine Bewertung, sondern nur rein quantifizierte Daten, die von einer unabhängigen Drittstelle verifiziert wurden. Eine Bewertung dieser Daten kann durch externe Stellen vorgenommen werden, allerdings ist das keine Voraussetzung für die Gültigkeit. Für eine Benchmarkbildung braucht es klare, transparente Rahmenbedingungen und Systemgrenzen. Demnach können EPD-Daten in unterschiedlichen Bewertungsszenarien auch unterschiedlich gut oder schlecht abschneiden.
Die Ökobilanz ist der Kern einer EPD – dabei wird der gesamte Lebensweg des Produkts bilanziert: von der Rohstoffgewinnung und Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Alle benötigten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie entstandenen Abfälle und Emissionen werden erfasst und analysiert. Das Ergebnis zeigt die Umweltauswirkungen des Produkts, wobei die Daten bis zum Werkstor des Herstellers spezifische tatsächliche Werte ergeben. Die übrigen Module (Stationen) des Lebensweges eines Bauprodukts werden mittels möglichst realitätsnaher Szenarien dargestellt. EPDs beinhalten in der Regel 26 nur zum Teil verpflichtende Indikatoren, die wichtigsten davon sind das Treibhauspotenzial ("global warming potential"), das Versauerungspotenzial und der Primärenergiebedarf.
Verschiedene Möglichkeiten für EPDs
In Österreich werden die Umweltproduktdeklarationen von der Bau-EPD GmbH ausgestellt, die als akkreditierte und in Zukunft notifizierende Stelle für die unabhängige Verifizierung der Daten sorgt. Für die Berechnung der Umweltproduktdeklarationen gibt es derzeit noch zwei Möglichkeiten:
- Die Einzel-EPD ist eine individuelle und produktspezifische Umweltproduktdeklaration, die für ein einzelnes Produkt oder eine Produktgruppe eines Herstellers berechnet wird.
- Die Branchen-EPD beinhaltet die Daten verschiedener Hersteller und bildet Durchschnittswerte ab. Branchen-EPDs sind zwar hilfreich in den Frühphasen der Planung, eignen sich im Gegensatz von Einzel-EPDs jedoch nicht zur Erlangung von Umweltzeichen gemäß ISO 14024. Hinzu kommt, dass Branchen-EPDs im Entwurf der neuen Bauproduktenverordnung nicht mehr der bisherigen Form für die Leistungserklärungen herangezogen werden dürfen.
Die geprüften Ökobilanzdaten bzw. das drittverifizierte EPD-Dokument werden auf www.bau-epd.at und meistens auch auf der Website der Hersteller veröffentlicht. Zudem werden die Datensätze in den Datenbanken Baubook (in Österreich), Ökobaudat (in Deutschland) und Eco Platform (für Europa) hinterlegt.
Österreich noch bei den Nachzüglern
Umweltproduktdeklarationen sind demnach stark im Kommen. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der EDPs in Europa exponentiell gewachsen und lag Anfang 2022 bei über 12.000, wie die Eco Platform, die Dachorganisation der verschiedenen nationalen EPD-Programmhalter in Europa, auf ihrer Website festhält. Die meistens EPDs gibt es derzeit in Frankreich, dort sind die Umweltproduktdeklarationen verpflichtend, sobald im Marketing Aussagen über Ökologie und Nachhaltigkeit getroffen werden. Aber auch in anderen Ländern wie den Niederlanden oder Belgien gewinnen Umweltproduktdeklarationen zunehmend an Bedeutung. In Österreich liegt man mit 60 EPDs im hinteren Drittel, die Nachfrage steige aber auch hierzulande stark, betont Sarah Richter, Geschäftsführerin der EPD-Bau GmbH.
EPD ist nicht gleich EPD
Um EPDs miteinander vergleichen zu können, muss allerdings darauf geachtet werden, dass für die Produkte die gleichen Systemgrenzen gelten. Es macht keinen Sinn, das Gesamtergebnis einer EPD von einem Produkt, das nach dem Cradle-to-Gate-Prinzip analysiert wurde, mit einem Produkt zu vergleichen, das nach dem Cradle-to-Grave-Prinzip bemessen wurde.
In Österreich haben sich mehrere Stakeholder zusammengeschlossen und Produktkategorieregeln erarbeitet, auf deren Basis die Umweltproduktdeklarationen berechnet werden. Sie ergänzen bestehende Normen und Regelwerke. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der EPDs auf Gebäude- und Produktebene vergleichbar sind.
Etwas komplexer verhält es sich international, denn während in Europa die EN 15804 als Basisdokument gilt, wird im außereuropäischen Raum die ISO 21930 herangezogen. Seit ein paar Jahren werden beide Standards in regelmäßigen Abständen wieder miteinander harmonisiert, kleinere Abweichungen treten jedoch aufgrund der unterschiedlich zuständigen Normungsgremien immer wieder auf.
Nicht nur die Normenfassungen, auch unterschiedliche Hintergrunddatenbanken erschweren den Vergleich von EPDs. Für die Produktökobilanzen werden Grund- und Prozessdaten zur Rohstoffgewinnung, Energiebereitstellung, zu Transporten etc. benötigt, die üblicherweise aus Grundlagendatenbanken entnommen werden. Die Ecoinvent-Datenbank ist eine der weltweit führenden Hintergrunddatenbanken, in Deutschland ist jedoch die GaBi-Datenbank weitverbreitet. Die Ergebnisse dieser Datenbanken weichen zum Teil erheblich voneinander ab.
"Zum ersten Mal lässt sich die ökologische Performance gekoppelt an den Preis vergleichen "
Warum man am Bau an Umweltproduktdeklarationen künftig nicht mehr vorbeikommen wird und worauf Planer und Ausführende achten sollten und welche Chancen sich künftig auftun werden, erklärt Sarah Richter, Geschäftsführerin der Bau-EPD GmbH.
Das ganze Interview lesen Sie hier.
Grundlage für Zertifizierungen und Wohnbauförderungen
International dienen Umweltproduktdeklarationen als Grundlage für Gebäudezertifizierungen nach DGNB, LEED, BREEAM und BNB. Zudem finden sich EPDs heute immer häufiger als konkrete Anforderung in Ausschreibungen, sodass sich der Einsatz von EPDs für viele Hersteller lohnt. In Österreich fließen die Daten in die Gebäudezertifikate der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilien (ÖGNI), des BMK/Klimaaktiv-Zertifikats sowie die Total-Quality-Gebäudebewertung der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB).
Mittlerweile gehen auch die Wohnbauförderungen der Länder Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten, Steiermark und Niederösterreich auf Benchmarks, die auf Ökobilanzdaten beziehungsweise EPD-Daten basieren, ein.
Nicht mehr zögern
An Umweltproduktdeklarationen und LCA-Daten führt am Bau mittelfristig kein Weg mehr vorbei, die Zahl der Datensätze wird weiter rasant steigen, und immer mehr Hersteller springen auf den Zug auf, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. So schön, so gut für unsere Umwelt. Einen Haken hat die Sache allerdings. Denn wie in vielen anderen Branchen fehlt auch den EPD-Programmhaltern derzeit zunehmend das Fachpersonal für die kommenden Herausforderungen. Um die Pläne der EU-Kommission umzusetzen, bräuchte es laut Sarah Richter, Geschäftsführerin der Bau-EPD GmbH, ein Vielfaches an unabhängigen Verifizierer*innen. Wer als Baustoffhersteller also Interesse an Umweltproduktdeklarationen hat, sollte nicht mehr zu lange zögern, um sich ein Team zu sichern, bevor der große Run auf die EPDs beginnt und die Wartelisten lang werden.