Baulogistik

Die Lust an der Logistik

Baulogistik
23.10.2024

Die Logistik hat lange ein stiefmütterliches Dasein auf den heimischen Baustellen geführt. Aber das ändert sich. Baulogistiker werden immer mehr gefragt. Sie können erheblich zur Steigerung von Effizienz und Produktivität beitragen.
Baulogistik: gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Baulogistik: immer wichtiger.

Ohne Logistik geht auf einer Baustelle nichts. Dieser Meinung ist auch James Denk. „Keine Baustelle kommt ohne logistische Überlegungen aus“, sagt der Teamleiter Baumanagement beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer in Österreich: „Wer macht wann was? Welche Geräte und Materialien werden wann benötigt? Wie kommen Sie zum gewünschten Zeitpunkt zum gewünschten Ort? Was passiert mit dem Abfall? Diese Fragen müssen geklärt werden.“

Noch nicht richtig institutionalisiert

Mit seiner Einschätzung steht Denk nicht allein. Wie auch – jeder, der sich etwas näher mit der Organisation einer Baustelle befasst hat, weiß, wie wichtig derartige Überlegungen sind. Dennoch spielt die Logistik im heimischen Bauwesen vielfach noch eine eher untergeordnete Rolle. Dazu Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU): „Das Thema Logistik ist von zentraler Bedeutung, aber in den Bauunternehmen oftmals noch nicht richtig institutionalisiert. Je kleiner die Unternehmen sind, desto mehr wird improvisiert.“

Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental, einem Unternehmen, das für seine Kunden das Management der Baulogistik übernimmt, stimmt dem zu. Er sieht aber durchaus Licht am Ende des Bauschachts: „Als ich vor 13 Jahren nach Österreich gekommen bin, war die Baulogistik so gut wie nicht präsent. Einige Jahre später gab es dann 2014 die erste große Baulogistik-Ausschreibung. Das heißt: Für ein großes Bauvorhaben wurde eine umfassende Leistungsbeschreibung für die Logistik erstellt und ein externer Spezialist beauftragt, der das managt.“

Seitdem, so Müller weiter, habe die Logistik langsam aber doch an Beachtung gewonnen – „vor allem in den vergangenen Jahren“. Wenn bei 100 die perfekte Umsetzung der Logistik-Anforderungen liegen würde, „stehen wir in der österreichischen Bauwirtschaft derzeit insgesamt wohl bei 50“, schätzt der Logistik-Experte. Eine Studie der ETH Zürich bestätigt diese Einschätzung. Demnach wird auf den Baustellen im Schnitt nur 60 Prozent der Arbeitszeit in tatsächliche Bauleistungen umgesetzt. Der Rest geht durch personal, oder störungsbedingte Unterbrechungen Auf- und Umräumen, Materialsuche oder Personalstehzeiten verloren.

Logistikspezialisten sind vor allem dann gefragt, wenn es bei komplexen Projekten keinen Generalunternehmer gibt, der das gesamte Projekt managt, sondern die Gewerke einzeln vergeben werden. „Die Architekten und Planer konzentrieren sich auf das Bauwerk selbst und die ausführenden Unternehmen auf ihre jeweiligen Gewerke“, mein der Zeppelin Rental-Chef. „Die Baulogistiker kümmern sich um die Schnittmengen zwischen den Gewerken sowie die Sekundärprozesse rund um das Gebäude und außerhalb des Gebäudes.“

Ein großes Thema ist vor allem bei innerstädtischen Baustellen das Management der enormen Verkehrsströme, den ein großes Bauvorhaben erzeugt: „Wer kommt wann mit seinem LKW auf die Baustelle? Wie lange braucht er zum Be- und Entladen? Wie wird die Zufahrt zur Baustelle geregelt? Um das zu regeln, sind ausgefeilte Logistikkonzepte notwendig“, sagt Müller. Als Beispiel nennt er das Nordbahnhofareal im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dort wurden auf einer Fläche von rund 20 Fußballfeldern zahlreiche Bauvorhaben umgesetzt. Zeppelin Rental hat dort das gesamte Verkehrsaufkommen über die einzelnen Projekte hinaus koordiniert: Wer darf wann mit welcher Ladung auf das Areal? Wo kann be- und entladen werden? Welche Flächen stehen als mögliches Zwischenlager zur Verfügung? Dabei kam ein intelligentes Schrankensystem zum Einsatz. Zeppelin Rental setzt stark auf Digitalisierung.

Eine ganz besondere Herausforderung ergibt sich dadurch, dass in dem vermeintlichen Wirrwarr auf dem riesigen Gelände einige Projekte schon abgeschlossen sind und die ersten Benutzer*innen bereits einziehen. Auch darum kümmert sich Müller mit seinem Team seit eineinhalb Jahren. Stichwort: Besiedlungsmanagement. Für die neuen Mieter und Eigentümer werden Parkzonen und Zeitfenster definiert, die sie für die Übersiedlung verwenden können. Eine eigene Stelle informiert sie, wer wo wann anfahren kann und wie der dort hinkommt. Sogenannte „Besiedlungskoordinator*innen“ in gelber Warnweste weisen die Neuankömmlinge vor Ort ein.

WU-Professor Kummer geht noch einen Schritt weiter – von der Koordination zur Kooperation: „Kooperationen sind ein Lieblingsthema von mir.“ Kummer hat vor einigen Jahren eine Studie zu einer Kooperation zwischen den einzelnen Anbietern im Bereich Transportbeton erarbeitet. „Derzeit ist es so, dass jeder Anbieter einen eigenen Fuhrpark unterhält. Die LKW fahren vom Werk zur Baustelle und von dort aus wieder zurück.“ Viel effizienter „wäre es“, so der Wissenschaftler weiter, „wenn die Anbieter ihre Produktion und ihre Flotten poolen würden. So könnte man die Kapazitäten optimal aussteuern und die Effizienz deutlich erhöhen.“

Genau das wird im Bereich der Abfallentsorgung auf Baustellen bereits praktiziert – und zwar in Form der Plattform wastebox.biz, die von einem Tochterunternehmen der Firma Saubermacher betrieben wird. Bereits rund 900 Entsorger sind in Deutschland und Österreich Partner. Das Prinzip ist bestechend einfach: Die Kunden geben auf der Wastebox-App ein, für welche Abfallart – die Fachleute sprechen hier von „Schlüsselnummer“ – sie einen Abfallbehälter in welcher Größe wann wohin geliefert haben möchten. Die Entsorgungsunternehmen auf der Plattform sehen die Anfrage, und wer Interesse und Kapazitäten zur Verfügung hat, übernimmt den Auftrag.

„Das geht mit wenigen Klicks und ist viel einfacher und schneller, als wenn man das übers Telefon abwickelt“, meint Bernadette Triebl-Wurzenberger, Geschäftsführern PS Plattformen & Systeme. Zudem hat der Kunde alle Daten und Dokumente, die er benötigt, in App und Plattform auf Knopfdruck zur Verfügung – vom Lieferschein bis zur Abfallbilanz. Triebl-Wurzenberger: „Das ist eine enorme Erleichterung für die Bauleiter und künftig auch für die Verantwortlichen für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung – Stichwort EU-Taxonomie. Die Baufirmen haben genug zu tun und müssen sich nicht auch noch um die Abfallentsorgung kümmern.“

Mit Behältern anderer Art befasst man sich bei Containex. Das Unternehmen vermietet und verkauft Baustellen-Container, die als Aufenthaltsräume, Büros, Lagerflächen oder als Unterkünfte genutzt werden. Mit dem einfachen Bauwagen, in dem die Maurer vor 40 Jahren ihre Mahlzeiten zu sich genommen haben, haben diese Container nicht mehr viel zu tun. Mittlerweile werden auf Großbaustellen ganze Container-Dörfer errichtet. „Es geht darum, dass auf diesen großen Baustellen, alle Beteiligte – von der Planung und der Bauleitung bis zu den ausführenden Unternehmen – untergebracht werden können“, erklärt Markus Schaden, Chief Digital Officer von Containex. Die Zahl und Anordnung der Container wird dabei laufend an den aktuellen Projektstand angepasst.

Einen laufenden Überblick über den Projektstand vermittelt die Software zur Gebäudedokumentation der Firma Ishap. „Wir sprechen hier von Intelligentem Dokumentmanagement oder IDM“, erläutert Sophie Notz, Teamleiterin Bautechnik bei Ishap. Das IDM informiert darüber, welche Dokumente für das betreffende Bauwerk benötigt werden – von der Einreichung über die Auswechslung bis zum Bestand. „Die Software zeigt an, welches Gewerk zu welchem Zeitpunkt welche Unterlagen liefern muss“, so Notz.

Die volle Wirkung entfaltet das IDM, wenn es bereits vor dem Baustart eingesetzt wird. Das ermöglicht den präzisen Abgleich zwischen Planung und Ausführung. Stichwort: As-Built-Dokumentation. Dieser Abgleich dient nicht nur zur Kontrolle, ob das Gewerk tatsächlich so fertiggestellt wurde, wie es der Planer vorgesehen hat und vereinbart worden ist. Die saubere Dokumentation erleichtert auch die spätere Wartung des Gebäudes im Betrieb. Es wird erfasst, welches Material oder welches Produkt verbaut wurde, und in welchem Zyklus eine Wartung durchzuführen ist. Bei Ishap arbeitet man in Pilotprojekten mithilfe von Sensoren an der Umsetzung einer Vision. Ishap-Managerin Notz: „In Zukunft soll das Gebäude sich selbständig melden, wenn es an einer bestimmten Stelle eine Wartung benötigt.“

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