Modulbauweise

Das Setzkastenhaus

Vorfertigung
13.03.2024

Das Grazer Unternehmen Kiubo hat ein völlig neuartiges Konzept entwickelt, um Häuser in der Modulbauweise zu fertigen. Der große Vorteil: Es ist besonders flexibel.
Ein Modul wird in das "Terminal" eingeschoben

Die Idee ist alt. Und zwar mehr als 100 Jahre. Sie stammt vom schweizerisch-französischen Architekten Charles Edouard Jeanneret – der Öffentlichkeit besser bekannt als Le Corbusier. Er präsentierte 1914 auf der Biennale in Venedig den Entwurf für sein „Maison Dom-Ino“. Der revolutionäre Ansatz dabei: die architektonische Reduktion eines Hauses auf Decken, Böden, Stützen und eine die Geschosse erschließende Treppenanlage.

„Le Corbusier hat damit den Rohbau vom Innenausbau getrennt. Das war ein großer konzeptiver Schritt“, meint Florian Stadtschreiber, einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens Kiubo. Das Grazer Unternehmen wurde 2022 vom größten steirischen Wohnbauträger, der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft ÖWG, gegründet. Gemeinsam mit dem Grazer Architekturbüro Hofrichter-Ritter hat man den Ansatz von Le Corbusier weiterentwickelt und ein neues Konzept für den Bau von Wohn- und Bürohäusern entwickelt, das Stadtschreiber als „Setzkastenhaus“ bezeichnet.

Die Grundidee: Ein Kiubo-Haus besteht einerseits aus einem Rahmen, den man sich wie ein Regal vorstellen kann. Kiubo spricht hier vom „Terminal“. In die Fächer des Regals werden aus Holz gefertigte „Raummodule“ eingeschoben. Diese Module haben eine Fläche von 25 m² und können miteinander verbunden werden. Es gibt das Basis-Modul mit WC und Bad, reine Wohnmodule oder Büromodule. Stadtschreiber: „Je nachdem wie Sie die Module miteinander kombinieren, können Sie unterschiedlichste Lösungen konfigurieren – zum Beispiel ein Apartment mit 25 m², eine Zweizimmer-Wohnung mit 50 m² oder ein Büro mit 200 m².“

Besonders flexibel

Das Konzept der Modulbauweise, bei dem einzelne Raumeinheiten im Werk vorgefertigt und vor Ort miteinander verbunden werden, ist nicht neu. „Es gibt bereits eine Reihe von Anbietern“, räumt Stadtschreiber ein. Was Kiubo vom Mittbewerb unterscheidet, ist ein anderes Feature: Die Module werden bei Kiubo nicht starr mit dem Terminal verbunden, sondern auf einer sogenannten „Schiene“ hineingeschoben und können ebenso leicht wieder hinausgezogen werden. „Für den Austausch eines Moduls brauchen wir nur acht Stunden“, so Stadtschreiber. In dieser Flexibilität sehen die Kiubo-Macher ihren großen Wettbewerbsvorteil. Stadtschreiber: „Es gibt kein vergleichbares Konzept am Markt.“

Mit dem innovativen Ansatz richtet man sich vor allem an Betreiber, für die es wichtig ist, dass Wohneinheiten schnell und reibungslos saniert werden können. „Das ist zum Beispiel bei Hotels, Studentenheimen oder Pflegeheimen der Fall. Im Schnitt müssen dort die Zimmer nach rund sieben Jahren renoviert werden“, meint der Kiubo-Geschäftsführer. „Wir refurbishen die Module im Werk. Der Austausch und die damit verbundene Betriebsunterbrechung vor Ort dauern dann nur einen Arbeitstag.“

Auch bei Kunden, die gewöhnliche Wohn- und Bürohäuser entwickeln, will Kiubo mit der hohen Flexibilität punkten: „Unser Konzept gibt dem Bauträger die Sicherheit, dass er nicht am Markt vorbeientwickelt“, erläutert Stadtschreiber. „Wenn er merkt, dass der Mix der einzelnen Einheiten nicht passt, kann er ihn leicht verändern. Aus 10 Wohnungen mit 75m² werden rasch 15 mit 50 m². In einem konventionellen Wohnhaus sind dafür aufwendige Umbauarbeiten notwendig. Das kostet Zeit und Geld.“

Das Thema Kosten ist ein wichtiger Punkt bei der weiteren Kommerzialisierung des Konzepts. Denn die Flexibilität hat ihren Preis: Je nach Ausstattung liegen die Kosten für den Bau eines Kiubo-Hauses um 10 bis 30 Prozent über denen eines konventionell gefertigten. Stadtschreiber: „Je intensiver ein Betreiber die Flexibilität nutzt, desto schnell spielt er diesen Aufpreis gegenüber der traditionellen Bauweise wieder herein.“

Dem Kiubo-Team ist allerding bewusst, dass mit dieser Argumentation allein, dem Wachstum Grenzen gesetzt sind. Bislang hat das junge Unternehmen ein Demo-Projekt und ein gemischtes Wohngebäude in der Grazer Starhemberggasse umgesetzt. Das Gebäude hat eine Nettonutzfläche von knapp 1.000 m². 33 Module wurden verbaut, um 19 Wohnungen und eine Gewerbefläche zu schaffen. Für den kommerziellen Durchbruch ist es notwendig, die Kosten für die Bauträger weiter zu senken. Aus Sicht von Kiubo ist das möglich, indem ein Sekundärmarkt für Module geschaffen wird. Stadtschreiber: „Die Idee ist einfach. Der Betreiber eines Hauses kann sich am Sekundärmarkt das passende Modul suchen, das er gerade benötigt.“ Die Kosten für diese Second-Hand-Module wären nach Meinung von Stadtschreiber niedriger als der Umbau einer konventionellen Wohneinheit.

„Derzeit stehen wir aber vor einem Henne-Ei-Problem“, meint der Kiubo-Geschäftsführer. „Um weiter wachsen zu können, benötigen wir eine gewisse Größe. Sonst kann sich kein Sekundärmarkt bilden.“ Das junge Unternehmen will daher nun die Produktionskapazitäten schaffen und rund 15 Standorte in Österreich aufbauen. Dazu benötigt man zwischen 100 und 200 Millionen Euro Kapital. Stadtschreiber: „Wir suchen derzeit einen Investor, der mit uns diesen Weg gehen möchten. Sobald wir den gefunden haben, können wir durchstarten.“

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