Asfinag-Pilotprojekt

Lean - vom Mindset auf die Baustelle

Lean Management
05.12.2022

Lean ist nicht nur ein Werkzeug, sondern auch ein Mindset. Was das für die Baustellenpraxis bedeutet, zeigt das erste Lean-Pilotprojekt der Asfinag.

Baustelle auf Autobahn
Ein Schallschutz wurde auf der A2, im Bereich Biedermannsdorf/Laxenburg, errichtet.

35.000 Quadratmeter Lärmschutzwand, vier Brücken sowie diverse Abbrucharbeiten – in nur neun Monaten errichtete die Arge Habau-­Bernegger für die Asfinag auf der A2 im Bereich ­Biedermannsdorf/Laxenburg einen ­umfassenden neuen Schallschutz. Das Besondere an dem knapp 24 Millionen teuren Projekt ist aber nicht nur die straffe Bauzeit: Es ist auch das erste Bauvorhaben, bei dem die Asfinag auf Lean Con­struction Management (LCM) setzt. "Das Projekt war eine Linien­baustelle mit vielen Taktabschnitten und knapper Bauzeit – solche Projekte sind im Normalfall anfälliger für Leistungs­störungen, deshalb wollten wir hier Lean ausprobieren“, erklärt Alexander Harnisch, Projektleiter Asfinag Bau Management GmbH, die Wahl des Pilotprojekts. Erste theoretische Erfahrungen konnte die Asfinag bereits bei der Erstellung der ÖBV-Richt­linie „Lean Planen, Bauen & Betreiben“ von 2021 sammeln, nun folgte zwischen April und Dezember 2022 der erste Praxistest.

Kommunikation und Mindset

Ausgeschrieben wurde das Last-­Planner-System. Die klassische LCM-Methode bezieht von Anfang an alle am Projekt beteiligten Weisungsbefugten – eben die „Last Planner“ – mit ein. In wöchentlichen Lean-­Meetings sollen dank einer Sechs-Wochen-Vorschau und transparenter Kommunikation Leistungen ­koordiniert und mögliche Störungen verhindert werden. „Dabei geht es aber nicht nur um vorausschauende Planung, es muss auch das Mindset umgestellt werden – weg von konfrontativen Schuldzuweisungen hin zum kollaborativen Problemlösen“, berichtet ­Martin Stopfer, der als Lean-Experte im Auftrag der Arge ­Habau-Bernegger das Projekt begleitete. 

Um alle Beteiligten kulturell abzuholen und auf das neue Mindset einzustimmen, wurde zu Projektbeginn ein Kompetenzworkshop zur Vermittlung der Lean-Werte abgehalten. „Simulationsübungen mit ­Lego-Bausteinen helfen nicht nur bei der Erklärung des Lean-­Prinzips, sondern unterstützen auch bei der Teambildung“, erklärt Stopfer einen Teil des Kick-off-Meetings.

Besprechung in großem Raum
Offene und transparente Kommunikation und das richtige Mindset sind Voraussetzung bei den wöchentlichen Lean-Besprechungen. 

Schluss mit Verschwendung

Martin Stopfer
Martin Stopfer, Lean.Wien

Im Zentrum des Lean-Gedankens steht die Vermeidung von Verschwendung. Das gilt für Zeit, Fehler, Ressourcen und Kosten, aber auch Transport oder ungenütztes Mitarbeiterpotenzial. Harnisch gibt ein anschauliches Beispiel: "Bei einer 4,2 Kilometer langen Baustelle kann es schnell vorkommen, dass die ­Arbeiter jeden Tag den genauen Einsatzort erst ­suchen müssen. Das ist nicht nur mühsam, sondern schlägt sich im Laufe des Projekts auch negativ auf die Personalkosten nieder.“ Durch die wöchentliche ­Abstimmung mit allen Beteiligten konnte dies praktisch verhindert werden. Selbst Wochenend- oder Nachtschichten hielten sich durch die Sechs-Wochen-­Vorschau in Grenzen.

Auch beim Thema Nachhaltigkeit kann Lean Management seine Stärken ausspielen. "Wenn Projekte effizient geplant sind, wirkt sich das auch positiv auf den ökologischen Fußabdruck aus – was mittlerweile häufig ein wesentlicher Faktor ist“, ergänzt Stopfer, der gemeinsam mit Partnern das Beratungsbüro Lean.Wien führt. 

Vertrauen in Lean

Generell gilt bei Lean: Je mehr Vertrauen in die ­Methode vorherrscht, desto besser und effizienter funktioniert sie. „Im Normalfall kann und soll die gesamte Abstimmung gemeinsam im Rahmen der wöchentlichen Lean-Meetings stattfinden. Vorabstimmungen zwischen einzelnen Projektpartnern sind eigentlich nicht notwendig. Dadurch spart man sich in Summe Zeit“, so Stopfer. Durch die persönlichen Treffen und die gemeinsame Erstellung einer Wochen­vorschauplanung mittels Post-its seien die Absprachen zudem verbindlicher, und alle fühlten sich verantwortlich, sich daran zu halten. Das sei bei vielen Projekten ansonsten nicht immer der Fall. 

Trotz aller Harmonie ist es aber dennoch schwierig, aus alten Mustern auszubrechen. „Man tendiert dazu, von den Verträgen getriggert zu werden – aber davon muss man sich lösen. Bei Lean sollte man sich immer fragen: ‚Was ist das Beste für das Projekt?‘ Und nicht: „Was steht in meinem Vertrag?‘“, betont ­Harnisch. Auch wenn nicht zwangsläufig alle Projekt­beteiligten zu absoluten Lean-Fans mutiert seien – von der Zeit- und Ressourcenplanung hätten alle profitiert, ist ­Stopfer überzeugt.

Weitere Lean-Projekte in Planung

Alexander Harnisch
Alexander Harnisch, Asfinag

Für die Asfinag als Auftraggeber bedeutete die Einführung der Lean-Construction-Methode eine vergleichsweise geringe Umstellung, so ­Harnisch. "Aber auch wir haben davon deutlich profitiert.“ Man habe jederzeit einen klaren Einblick in die laufenden Prozesse gehabt, und Leistungsstörungen sowie Fehler konnten reduziert werden. "Ich gehe davon aus, dass sich auch durch die Lean-Methode Mehrkosten­forderungen spürbar reduzieren werden“, betont ­Harnisch. 

Es habe sich auch gezeigt, dass LCM auch mit den bereits vorhandenen Vertragsmodellen z. B. nach der ÖNorm B 2118 gut funktioniert. Nun soll LCM auch in weiteren Pilotprojekten der Asfinag zur Anwendung kommen – unter anderem wird die Lean-Methodik bei einem weiteren Pilotprojekt in der Bauphase –ein Rastplatzes auf der A1 – sowie bei einem Projekt in der Planungsphase eingesetzt. "Zusätzlich werden wir auch Asfinag-­intern ­Schulungen anbieten, damit alle, die Interesse haben, die Methode auch anwenden können – auf freiwilliger Basis“, erklärt Harnisch.

Lean-Zertifikatsprogramm

Im Februar 2023 startet an der Campus Wien Academy der zweite Durchgang des Zertifi­katprogramms für Lean Construction Managements. In vier Modulen werden dabei Werkzeuge, Methoden und Philosophie des Lean Construction Management ver­mittelt. 

Anmeldeschluss: 17. Jänner 2023
Weitere Infos hier.

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