Atmosphäre statt Maschine
Wunderwerke der Technik gibt es in der Architektur zur Genüge. Weniger ist mehr, dachte sich Architekt Dietmar Eberle und schlug beim Bau seines neuen Firmensitzes einen gänzlich neuen Weg ein.
Heizen, lüften, kühlen – alles Schnee von gestern. Zumindest für Architekt Dietmar Eberle in seinem neuen Firmensitz in Lustenau, Vorarlberg. Das Projekt, das Ende vergangenen Jahres fertiggestellt wurde, trägt den futuristischen Namen „2226“. Und zukunftsweisend ist auch das Konzept dahinter.
Das Gebäude als Organismus
Viele moderne Bauwerke sind wahre Wunderwerke der Technik – das gilt sowohl für die zum Einsatz kommenden Baustoffe als auch für das Innenleben. Zwar brauchen Gebäude seit einiger Zeit immer weniger Energie, doch steigt der Aufwand für den Unterhalt und die Wartung im Gegenzug oft deutlich an. Einen anderen Weg hat das Architekturbüro Baumschlager Eberle eingeschlagen. Dort wird das Gebäude eher als Organismus gesehen, der im gesamten Zusammenspiel wirkt. Besonders wichtig: die optimale Abstimmung der Baustoffe der Decken sowie Innen- und Außenwände.
Erklärtes Ziel beim neuen Bürohaus „2226“ war es, möglichst wenig Technik einzubringen. Ein kleiner Bildschirm, der in allen großen Räumen in die Putzwand eingelassen ist, zeigt sämtliche Klimaparameter des Hauses. Sollte eine Kurve ausschlagen, öffnen sich die Lüftungsklappen der hohen Fenster automatisch – oder wunschgemäß programmiert. Damit ist die Technik im Haus schon zu Ende. „Das ist der Komfort, wie ich ihn mir vorstelle: Nix tun müssen, aber rumdrehen können, wann immer ich will“, so Eberle.
Das Bürogebäude benötigt keine aufwändige Heizung. Auch Kühlung oder mechanische Kühlung gibt es nicht; und das bei Raumhöhen von 3,40 bis zu 4,50 (EG) Metern, denn diese tragen zur einer angenehmen Lichtverteilung im Raum bei und sind Teil des Klimakonzepts.
Zweischaliger Wandaufbau aus Ziegeln
Das gesamte Haus ist so konzipiert, dass möglichst wenig Wärme durch die Wände diffundiert und möglichst viel Energie in der speicherfähigen Masse gebunden werden kann. 78 Prozent übernehmen die massiven Böden und Decken aus Stahlbeton, die restlichen 22 Prozent obliegen den 80 Zentimeter dicken Außenwänden aus handelsüblichen, doppelschalig verlegten Wienerberger-Hochlochziegel Porotherm – die innere Schicht sorgt für eine hohe Druckfestigkeit, während die äußere isoliert. Wärmedämmung gibt es nicht. Tiefe Fensterlaibungen reduzieren den Wärmeeintrag, und innen angeschlagene Lüftungsflügel werden über Sensoren gesteuert, um das Raumklima behaglich zu machen.
Ein Beispiel: Im Winter sorgt die Abwärme von Menschen, dem Licht, den Büromaschinen und den Computern für einen hohen Energieeintrag – die Lüftungsflügel gehen erst auf, wenn der CO2-Anteil im Raum steigt. Bei sommerlicher Hitze öffnen sich die Flügel in der Nacht für eine natürliche Kühlung. Die Temperierung findet also ganzjährig allein über die ohnedies im Raum vorhandenen energetischen Quellen statt und soll gesicherte Temperaturen von 22 °C bis 26 °C ermöglichen – daher auch der Name des Projekts: „2226“.
Ziegel als Baustoff für Behaglichkeit
Dietmar Eberle: „Behaglichkeit beschreibt durchaus sachlich den Zusammenhang von Temperaturdifferenzen zwischen Raumluft und Oberflächen sowie Oberflächen untereinander. Das Strahlungsverhalten von Dingen gehört hierher. Das ist einer der Gründe, weshalb unsere Wahl auf massive Baustoffe fiel, Ziegel vor allem. Das ergibt geringe Differenzen, ein stabiles Raumklima, keine Konvektion und keinen Dampfdiffusionsdruck infolge heißer Luft.“ Darüber hinaus punktet Ziegel auch im Zusammenspiel mit anderen Materialien. Dietmar Eberle: „Die Konstruktion aus 2-x-38-cm-Hochlochziegel ist die optimale Schnittmenge aus Tragfähigkeit und U-Werten, und sie schafft die Voraussetzungen für solide mineralische Putze mit gelöschtem Kalk, dazu braucht man einen harten Untergrund. Gleichzeitig ist diese Konstruktion absolut schadstofffrei und unbedenklich, seit langer Zeit erprobt und die Speichermasse durch die dynamischen Simulationen bestätigt. Wirtschaftlich lag, nach der Ausschreibung, diese Konstruktion an erster Stelle.“
Das Bürohaus 2226 kostete in der Errichtung knapp 1.000 Euro pro Quadratmeter und damit deutlich weniger als herkömmliche soziale Wohnbauten.
Info
Bürohaus „2226“
Architektur: Baumschlager Eberle
(Dietmar Eberle)
Bauherrschaft: AD Vermietung OG
Funktion: Büro und Verwaltung
Planung: 2006–2012
Bauzeit: 2012–2013
Bruttogeschoßfläche: 3.201 m²
Nutzfläche: 2.421 m²
Bebaute Fläche: 543 m2
Baukosten: 2,93 Millionen Euro
Kosten pro m2: 914 Euro
Konstruktion: Monolithisches Ziegelmauerwerk, Betondecke mit Fertigteilen