Unscheinbar, mit großer Geste
Bereits 2004 hat der Industrielle und Kunstsammler Herbert W. Liaunig einen geladenen internationalen Wettbewerb für den Bau seines Privatmuseums, den damals die französische Architektin Odile Decq gewann, ausgelobt. Die Umsetzung scheiterte damals u. a. an der Kostenüberschreitung. Als Liaunig 2006 nochmals, diesmal einen nationalen geladenen Wettbewerb ausschrieb, den das Büro querkraft für sich entscheiden konnte, glaubte niemand außer dem Bauherrn und den Architekten daran, mit dem schlussendlich vorgesehenen Kostenrahmen von rund 6,6 Millionen Euro ein Museum mit 4.400 Quadratmetern Nettofläche (1.500 Euro/m2) bauen zu können.
An dieses eng vorgegebene Kostenkorsett richtete querkraft sein stringentes und durchaus spektakuläres Entwurfskonzept perfekt aus. So wurde die 160 Meter lange, 13 Meter breite und sieben Meter hohe puristische Sichtbetonröhre des Galerietrakts, die beidseitig weit sichtbar auskragt, mittels eines Industrie-Paraschalendachs aus pulverbeschichtetem Stahlblech mit Oberlichtbändern gedeckt. Weiters wurde auf aufwändige Treppen- und Aufzugserschließungen verzichtet. Das gesamte Gebäude erschließt sich barrierefrei, trotz spürbarer Niveauunterschiede über Rampen beziehungsweise schräge Raumflächen. Zudem wurden rund 95 Prozent der Anlage unter die Erde verlegt, womit das Energiekonzept optimiert, niedrige Betriebskosten ermöglicht und auf teure Fassadengestaltung verzichtet werden konnte.
Auch bei den erfolgten Erweiterungen des Baus blieb querkraft diesem Konzept treu. Trotz der schwierigen Konstellation von drei Kleinbaustellen im Bestand konnten die rund 2.700 Quadratmeter an zusätzlicher Nutzfläche mit zirka 1.800 Euro/ m2 Nettofläche inklusive Haustechnik zum annähernd selben niedrigen Quadratmeterpreis wie 2008, allerdings mit Anpassung an den Baupreisindex, umgesetzt werden. Normalerweise sind die Kosten im Vergleich zu ähnlichen Museumsbauten um das Drei- bis Fünffache höher anzusetzen. Zum Vergleich: Das Kunsthaus Graz von Peter Cook und Colin Fournier mit 11.000 Quadratmeter Nutzfläche und nur 2.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche verschlang 2003 rund 43,6 Mio. Euro. Dass das Museum Liaunig jedem Vergleich mit anderen Häusern in seiner außergewöhnlichen architektonischen Qualität und Ausführung standhält, wurde 2012, nur vier Jahre nach seiner Fertigstellung, mit seiner Denkmalschutzstellung honoriert.
Die Erweiterungen
Bereits 2012 kam es zu einer Erweiterung um ein 560 Quadratmeter großes Depot für Geräte und Skulpturen, die ursprünglich nach den Vorstellungen des Bauherrn als freistehende Blechhalle am Waldrand auf der Kuppe des Geländes stehen sollte. Die Architekten konnten ihren Bauherrn allerdings aus purem Pragmatismus davon überzeugen, auch diesen Raum teilweise unterirdisch mittels effizienter Schalungstechnik aus dem Gärungsbehälterbau als Rundbau mit einem Kegeldach in Ortbeton zu bauen, um die benötigte Fläche beziehungsweise Spannweite von einem Durchmesser von 20 Meter zu erreichen. Dieser ursprünglich nicht als öffentliche Ausstellungsfläche konzipierte Raum, der sich in der Landschaft als kleiner Hügel abzeichnet und künftig im Skulpturenpark integriert ist, wurde im Zuge der nun erfolgten Erweiterung an den Museumsrundgang angeschlossen. Der Zugang zum Skulpturendepot erfolgt über einen neuen Gang, den die Künstlerin Esther Stocker gestaltet hat. Über dessen Ende wird künftig der Skulpturenpark erschlossen und somit ein Kontrast zum bereits bestehenden, von Brigitte Kowanz künstlerisch gestalteten Erschließungsgang gesetzt. Über diese beiden künstlerisch inszenierten Gänge erschließt sich die um die Räume der Glas- und Miniaturensammlung erweiterte abgedunkelte „Schatzkammer“, deren Decke aus Stahlbetonhohldielenfertigteilen besteht. Die beiden neuen Räume trennt eine sich nach oben hin erweiternde Rampe, die gleichzeitig das einzige natürliche Licht in die Räume lenkt. Die klassisch-konservative Ausstellungsmöblierung und das zugehörige Belichtungskonzept der Schatzkammer stammen nicht von querkraft.
Die größte Erweiterung stellt der rund 500 Quadratmeter große dreieckige, gut proportionierte Wechselausstellungsbereich dar, der direkt links vom Eingang liegt. Ergänzt wird der Raum durch ein Atrium im Außenbereich, das künftig für einzelne Veranstaltungen wie u. a. für Lesungen zur Verfügung steht. Die gesamte ergänzende Halle umfasst eine 700 Quadratmeter große Fläche, die mittels nicht vorgespannter Stahlbetonrippen in Ortbeton und mit einer Ortbetondecke frei überspannt wird und deren Träger das Raumbild markant prägen. Die Lichtführung erfolgt durch extra angefertigte dreieckige Oberlichtkuppeln. Eine Ausführung mittels Stahlblechs analog zur Galerieröhre war aufgrund der letzten Normänderungen nicht mehr möglich.
Zusätzlich beherbergt der Bereich im Erdgeschoß neben dem Shop Lager und Aufwärmküche und darüber in der Galerie, mit Blick in den Ausstellungsraum, Büroräumlichkeiten und eine Bibliothek. Die für den Zugang notwendige neue etwa 15 Meter breite Wandöffnung, in der sich der Eingang zum neuen Ausstellungsbereich und der Museumshop befinden, wurde bautechnisch einwandfrei gelöst und auch ausgeführt. Die Erweiterungen, die bereits in der Wettbewerbsauslobung und im Projekt von querkraft angedacht waren, sind als solche für den Betrachter nicht erkennbar und spürbar.
Mit viel Feingefühl für Lichtstimmung, Blickbeziehungen beziehungsweise -lenkungen nach außen erscheint das Projekt mit seinen Erweiterungen in sich schlüssig. Die strikten ökonomischen Planungsvorgaben haben die ästhetisch anspruchsvolle Architektur offensichtlich nicht beeinträchtigt. Spannend und gleichzeitig herausfordernd für jeden Architekten ist die Auseinandersetzung mit dem Thema des Zentralraums: der Wechselausstellungsbereich mit seinem gleichseitigen Dreieck als Grundriss und im Vergleich dazu der Rundraum des Skulpturendepots, der ursprünglich nicht von querkraft als Ausstellungsraum konzipiert wurde. Das Skulpturendepot erhält, unterstützt durch die entstandene Akustik, eine unglaubliche sakrale Wirkung, annähernd wie im Pantheon in Rom. Die inszenierte Geste durch die Dramaturgie der Wegeführung vor allem über die Gänge und die „Schatzkammern“ ist enorm, fast theatralisch entrückt. Für den erfahrenen Betrachter stellt sich dabei grundsätzlich die Frage nach dem Umgang mit Zentralräumen. Es ist ein schmaler gestalterischer Grad in der gegenwärtigen europäischen Architektur, mit derart stark besetzten Räumen umzugehen.
Summa summarum muss man festhalten, dass neben der Sammlung Essl in Klosterneuburg (1999, Heinz Tesar, NÖ) und dem jüngst eröffneten Museum Angerlehner bei Wels (2013, Wolf Architekten, OÖ) das Museum Liaunig das architektonisch interessanteste und sehenswerteste Museum in Österreich bleibt.
Projektdaten:
Auftraggeber: HL Museumverwaltung GmbH
Architektur: querkraft architekten zt gmbh
Projektleitung: Stefanie Meyer
Projektmitarbeiter: Gil Cloos
Projektmanagement: Werkstatt Wien
Kosten/ÖBA: architekt klingbacher zt gmbh
Lichtplanun: Klaus Pokorny
Freiraumplanung: weidlfein
Teil Generalunternehmer: Arge Museum Liaunig Porr Bau GmbH – Swietelsky Bau GmbH
Haustechnik Ausführung:Hechenleitner & Cie GmbH
Elektroinstallationsarbeiten: Mahkovec I & H GmbH
Metallbau: MBM Metallbaumörtel GmbH
Türen/Portale: Ei2 Protector GmbH
Lichtkuppeln: Lichtkuppeln & RWA Anlagen GmbH
Nutzfläche: Bestand 5.000 m², Erweiterung 2.700 m²
Bruttogeschoßfläche: Bestand 5.600 m², Erweiterung 3.100 m²
Kosten: 5 Millionen Euro
Spannweite Kegeldach: 20 m
Baubeginn: April 2014
Fertigstellung: Jänner 2015