Virtuelle Lösungen
Digital gesteuert, logisch umgesetzt
Auf den ehemaligen Wiener Komet-Gründen wird in großen Dimensionen gedacht. Auf einem Areal von rund 10.000 Quadratmetern entsteht hier gerade Platz zum Wohnen, Arbeiten und Freizeit von 3.500 Menschen. Ein Mix aus Sonne und Abwasser soll einen wesentlichen Anteil an der Energieversorgung für das Vio Plaza leisten – mittels Solarmodulen auf Dach und Fassade sowie Wärme- und Kühltechnik aus dem Abwasser des angrenzenden Wienflusses.
In vielen kleinen Details zeigt sich auch auf der Baustelle selbst, wie es Richtung Zukunft geht. Es ist sichtbar, die Zeiten ändern sich. Ohne Smartphone, passende Apps und digitalisierte Prozesse läuft hier fast nichts mehr. Die Mitarbeitenden kommen und gehen, die Kontrolle und Steuerung der Personenströme übernimmt eine webbasierte Lösung: Sie benötigen den Bauaufzug oder möchten etwas ausleihen, das Smartphone hat die entsprechende App. Die benutzten Piktogramme, die Bildsprache, die in Gleichklang gebrachten Abläufe, sie alle scheinen nunmehr eine vereinheitlichte Sprache zu nutzen, die universell verstanden wird. Für Außenstehende wirkt es, als wären unzählige neue, zusätzliche Skills erforderlich. Es stellt sich die Frage, ist das denn nicht alles furchtbar kompliziert? "Nein, jetzt muss ich nicht immer all diese Zettel ausfüllen." Fühlt man sich da denn nicht irgendwie überwacht? "Wir machen alles wie immer, aber so ist es leichter." Das Konzept hat sich verselbstständigt und flüssig in die Arbeitsweisen eingefügt, der Papierkram ist den Apps gewichen. Die wertvollen angesammelten Datenschätze leisten insgeheim aber noch mehr, sie fließen in Modellierungen, Planungen und Optimierungen ein.
Passgenau und bedarfsgerecht
Für das umfangreiche Projekt zwischen Wienfluss, U-Bahn-Trasse und vielbefahrener Straße war schon die Planung der Logistik kein einfaches Unterfangen. Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental Österreich, berichtet von unzähligen Herausforderungen, die es vor Baubeginn zu bewältigen gab. Von der Suche nach ausreichend Raum für Container für die mehr als 400 Beschäftigten auf der Baustelle über Möglichkeiten der gesicherten Energieversorgung, die zeitgleiche Verfolgung möglichst nachhaltiger Ansätze bis hin zur Komplexität, zu Konzepten für die Anlieferung sowie den Abtransport von Materialien zu finden – in Anbetracht des Verkehrsflusses auf einer Einfahrtsschneise nach Wien. Genau an diesen Punkten aber zeigt sich, welch Vereinfachungen durch digitale Lösungen möglich sind und wie auf den Baustellen der Zukunft von der Einsatzplanung, der Versorgung und der Baustellenausstattung bis hin zur Maschinenanmietung und -nutzung vieles virtuell abgewickelt und optimiert werden kann.
Von digital bis Echtzeit
Für das Projekt Vio Plaza setzte Zeppelin Rental bereits in der Einsatzplanung auf BIM. Im virtuellen Zwilling einer Baustelle kann der Einsatz von Maschinen und Geräten geplant werden, dazu stellt das Unternehmen bereits zahlreiche digitale Modelle in einer Bibliothek zur Verfügung. Den Vorteil dahinter veranschaulicht die Baustelle in Meidling. Zwei Bauaufzüge sollten den reibungslosen Transport von Materialien in sämtliche Etagen des 60 Meter hohen Turms gewährleisten. "Mithilfe der Modellierung können Anschlagpunkte in der Fassade leichter ausgemacht werden", erklärt Müller über die so erfolgte Planung. Die Abstimmung mit dem Fassadenbauer wurde dadurch deutlich erleichtert. Rasch war ersichtlich, an welchen Punkten eine Verankerung möglich war. Eine Einmast-Transportbühne wurde vorab umgebaut, um das Be- und Entladen an der richtigen Seite zu ermöglichen.
Damit es überhaupt so weit kommen kann, müssen die ankommenden Materialströme gelenkt werden. Neben den Aufzügen stehen etwa auch Teleskopstapler bereit, um Lkws zu entladen. Da nicht nur Effizienz und Produktivität gefordert sind, sondern auch Geräusch- und CO₂-Emissionen auf einem möglichst niedrigen Level gehalten werden sollen, kommt auch hier eine digitale Lösung ins Spiel. Mittels Online-Avisierungsportal, auch OLCC (Online Logistics Control Center) genannt, behalten alle Beteiligten eine Übersicht über Zufahrten, Ladezonen und Lagerflächen und können Zeitfenster für Anlieferungen vorab anmelden. Ebenso können damit die benötigten Geräte wie Stapler oder Lader vorausgeplant werden. Leerlaufzeiten von Maschinen sowie Staus in der Zufahrt werden vermieden, Datenfeedback sorgt laufend für Optimierungen in den Abläufen.
Ressourcen gezielt einsetzen
Nachhaltigkeit ist auch hier das Stichwort, das Geschäftsführer Müller betont. Dieses Thema gewinnt aktuell nicht nur immer weiter an Bedeutung, es liege auch in der Verantwortung der Unternehmen, da mit gutem Beispiel voranzugehen, Lösungen zu finden und anzubieten. "Auf der gesamten Baustelle lautet das Prinzip ‚pay by us‘", geht Müller konkret darauf ein, "Ressourcen werden so gezielt eingesetzt." Bei der Entsorgung etwa wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, bereits nach Fraktionen sortiert zu sammeln. Auch das wird durch eine App vereinfacht. An zahlreichen Stellen der Baustelle stehen mobile Abfallbehälter mit Barcode bereit, über das Smartphone können diese ausgeliehen und retourniert werden. Der Inhalt der gefüllten Behälter wird bei Rücknahme kontrolliert, gegebenenfalls nachsortiert und sodann dokumentiert. Die auf der Baustelle Tätigen ersparen sich damit einiges an Wegzeiten, die Abrechnung wird vereinfacht, und es wird nur das verrechnet, was tatsächlich angefallen ist.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Rental+. Besonders bei umfangreicheren Bauprojekten sind unzählige Maschinen vor Ort, doch ein zentraler Überblick darüber fehlt. "Es ist schlicht nicht nachhaltig, Maschinen über unnötig lange Strecken hin- und herzutransportieren oder andernfalls ihre Stehzeit in Kauf zu nehmen", führt Müller die Intention des Tools von Zeppelin Rental aus. Die Idee ist simpel, mittels App kann vom Smartphone aus nach der gewünschten Maschine gesucht und diese bei Verfügbarkeit einfach ausgewählt, gebucht und abgeholt werden – im besten Falle direkt am gleichen Areal, vielleicht aber auch auf einer benachbarten Baustelle ohne große Anfahrtswege. Die Auslastung der vorhandenen Maschinen wird gesteigert, unnötige Transporte vermindert. Weniger simpel gestaltete sich die Umsetzung. Rund um Verrechnung, rechtliche Fragen oder auch die Dokumentation des Zustands einer Maschine galt es, einige Hürden zu bewältigen. Einschulungen für die Gerätschaften finden nun an Einweisungstagen statt, beim Baueinleitungsgespräch werden Mitarbeitende nochmals darauf hingewiesen, den Kontakt zu suchen, wenn Fragen auftreten. Denn bei allen digitalen Erleichterungen und dem alltäglichen Umgang mit dem Smartphone geht auf der Baustelle dennoch nichts über das persönliche Gespräch und direkten Kontakt.