FRAUEN IM HANDWERK

Mut zur Veränderung

Yoko Rödel, COLOR & METALL
08.02.2022

"Handwerk ist mein Ding“ – sagt Caroline Fraundorfer, die ihr Können bei der Tischlerei Kaun im Kundenservice immer wieder von Neuem unter Beweis stellen kann.

Kaun kann Krise – das hat die im Jahr 1911 gegründete Bau- und Möbeltischlerei nach zwei Weltkriegen, mehreren Wirtschaftskrisen und nicht zuletzt während Corona mehrfach unter Beweis gestellt. Mehr als 110 Jahre ist es nun her, dass die Brüder Franz und Josef Kaun den familieneigenen Betrieb im oberösterreichischen St. Florian nahe Linz gründeten. Seitdem haben sich mehrere Generationen dem Tischlerhandwerk im Wohnbau und in der Wohnraumgestaltung verschrieben – mit Erfolg. Heute beschäftigt Ulrike Reischl-Kaun, welche den Betrieb seit über zwanzig Jahren führt, rund hundert Mitarbeiter*innen. Seit jeher setzt sich die Tischlermeisterin und Kunsthistorikerin für eine Sichtbarmachung der Frauen im Tischlerhandwerk ein. So suchte sie nach der Übernahme der Geschäftsführung im Jahr 1999 neue Wege, führte den Namenszusatz “die Tischlerin“ im Firmennamen ein und setzte auf flache Hierarchien im Unternehmen. Letzteres bewog auch Caroline Fraundorfer, eine Lehre bei Kaun aufzunehmen. Sie schätzt das hohe Maß an Eigenverantwortlichkeit und die Kreativität im Betrieb: “Wir begegnen einander auf Augenhöhe, und wenn es Probleme gibt, können wir immer miteinander reden“, so die junge Tischlerin.

Schon früh entdeckte Fraundorfer ihre Affinität für handwerkliche Tätigkeiten: Als junges Mädchen half sie regelmäßig in der elterlichen Landwirtschaft aus und bemerkte dabei, wie gerne sie mit den Händen arbeitet. Während eines Schülerpraktikums in der Werkstätte bei Kaun habe sie dann ihre Liebe zum Tischlerhandwerk entdeckt. Nach Beendigung der Mittelschule im Jahr 2013 entschloss sie sich im Alter von fünfzehn Jahren, dort eine Lehre zur Möbeltischlerin zu absolvieren. Kein leichtes Unterfangen, wie Fraundorfer berichtet: “Die ersten Wochen waren ganz schön hart. Die Anforderungen, die an mich gestellt wurden, waren sehr hoch. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich mich zurechtgefunden habe – immerhin war ich damals mit Abstand die Jüngste im Betrieb. Alles war fremd und neu, das war nicht immer leicht.“ Sie habe jedoch nie den Eindruck gehabt, ihr Können gegenüber ihren männlichen Kollegen unter Beweis stellen zu müssen. So sei sie von Anfang an voll akzeptiert worden – auch in der Familie und im Freundeskreis habe sie durchweg positive Rückmeldungen erhalten: “Natürlich zeigen sich manche überrascht, wenn ich erzähle, dass ich Tischlerin bin – denn die Branche ist noch immer stark männerdominiert. Davon habe ich mich jedoch nie verunsichern lassen – zumal ich immer sehr viel Zuspruch erhalte.“

Kaun, die Tischlerin
Wenn moderne Technik auf traditionelles Handwerk trifft: Ein Schwerpunkt der Bau- und Möbeltischlerei Kaun ist die Sanierung und Restauration von historischen Möbeln.
© Kaun, die Tischlerin

Abseits der Herausforderungen im handwerklichen Alltag sah man sich auch bei Kaun mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und den damit verbundenen Hürden rund um Lieferverzögerungen und Rohstoffknappheit konfrontiert. Caroline Fraundorfer empfand die letzten Monate als besonders fordernd. Zwar sei es ihr trotz mehrerer Lockdowns weiterhin möglich gewesen, zum Kunden zu fahren – dennoch kam es zuletzt häufiger vor, dass Termine verschoben oder ganz abgesagt werden mussten: “Das war für uns alle sehr kräftezehrend – schließlich haben auch wir unter den Lieferengpässen gelitten. Wenn bestellte Geräte oder Materialien nicht rechtzeitig kamen, waren uns schlichtweg die Hände gebunden. Uns blieb dann oft nichts anderes übrig, als Termine bis auf Weiteres abzusagen“, berichtet Fraundorfer. Die Kommunikation mit den Kunden sei in den letzten Monaten nicht immer leicht gewesen – da sei sehr viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt. Die Entscheidung, die Werkbank gegen den Werkzeugkoffer zu tauschen, hat die junge Tischlerin jedoch zu keiner Zeit bereut. So freut sie sich auf die kommenden Jahre im Service und auf die Möglichkeit, ihr Wissen zu erweitern und sich in der Kommunikation mit den Kunden zu üben. “Ja, es ist hart und man braucht ein dickes Fell. Oft weiß ich gar nicht, was mich erwartet – das ist aber auch das Tolle an meinem Beruf. Jeder Tag ist anders, und mit jedem Problem, das ich gelöst habe, bin ich wieder ein Stück gewachsen.“

Mehr Informationen:
www.kaun.at

logo

Newsletter abonnieren

Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung vor allen anderen in der Branche und bleiben Sie mit unserem Newsletter bestens informiert.


Ich bin ein Profi