Round Table

Hat das Null-Grad-Dach Zukunft?

17.10.2024

Retentionsgründächer sind eine innovative Lösung für die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels. Welche Rolle nehmen Null-Grad-Dächer dabei ein? Welcher Nutzen und welche Risiken sind mit gefällelosen Dächern verbunden? Diese und andere Fragen hat Dach Wand Chefredakteurin Birgit Tegtbauer mit Expert*innen diskutiert.

Es war ein neues Talk-Format, das das Team der Fachzeitschrift Dach Wand am 19. September 2024 in Zusammenarbeit mit dem Dachspezialisten Bauder ausprobierte: Hochkarätige Expert*innen und ein kleiner Kreis von Entscheidungsträgern aus der Dach- und Baubranche diskutieren offen über ein aktuelles Thema.

Die dramatischen Unwetter Mitte September gaben dem gewählten Thema „Null-Grad-Dach“ Rückendeckung. Einmal mehr hatte sich gezeigt, dass die fortschreitende Bodenversiegelung und die vorhandene Infrastruktur den Extremwetterereignissen immer öfter nicht standhalten können. Umso wichtiger werden neue Retentionsflächen.

In zwei Gesprächsrunden wurde das Null-Grad-Dach im neuen Bauder Werk in Bruck a. d. Leitha (NÖ) von allen Seiten beleuchtet. Im ersten Round-Table-Talk sprach Birgit Tegtbauer mit Susanne Formanek (Grünstattgrau, IBO), Gundula Dyk (Grünstattgrau, Bauder), Wolfgang Hubner (Institut für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung) und Jakob Peleska (Obenauf) über das Bauteil Null-Grad-Dach, dessen Nutzen und Risiken sowie die veränderten Klimabedürfnisse.

Wolfgang Hubner ist Sachverständiger und der Leiter des Instituts für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung (IFB), er ist Referent, Lehrbeauftragter, Fachautor und Mitarbeiter in nationalen Normungsgremien und Vorsitzender unterschiedlicher Arbeitsgruppen. © Agnes Mutschler
Wolfgang Hubner ist Sachverständiger und der Leiter des Instituts für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung (IFB), er ist Referent, Lehrbeauftragter, Fachautor und Mitarbeiter in nationalen Normungsgremien und Vorsitzender unterschiedlicher Arbeitsgruppen. © Agnes Mutschler

Birgit Tegtbauer: Welches Risiko geht man mit der Ausführung eines Null-Grad-Daches ein? Welche Maßnahmen gibt es, um Risiken zu minimieren?

Wolfgang Hubner: Vielfach entsteht beim Begriff des Null-Grad-Daches ein Bild im Kopf, wo wir ein überflutetes Flachdach sehen. In der Praxis sieht das jedoch anders aus. Denn Wasser kann sich, außer es befindet sich in einer dichten Wanne, nicht unbegrenzt aufstauen. In der Praxis finden wir bei unseren ÖNorm-Dächern zwei Prozent Mindestdachneigung. Aufgrund von Toleranzen, Ebenheit, Durchbiegung bleibt jedoch auch hier lokal Stauwasser mit zehn Millimeter stehen. Reduziert man das Gefälle auf ein Prozent Mindestneigung, bleibt aufgrund von Toleranzen, Ebenheit, Durchbiegung lokal Stauwasser von ca. 15 Millimeter stehen. Würden wir theoretisch null Grad Gefälle planen und ausführen, wird aufgrund von Toleranzen, Ebenheit und Durchbiegung flächig Stauwasser von null bis zehn Millimeter stehen bleiben, lokal mit Ebenheitstoleranzen ca. 20 Millimeter. Der tatsächliche Höhenunterschied betreffend das Stauwasser ist also sehr gering.

Natürlich benötigen Null-Grad-Dächer ausreichend Entwässerungsabläufe, vielleicht sogar den einen oder anderen zusätzlich, damit das lokal anstauende Niederschlagswasser im Falle des Falles relativ zügig abfließen kann. Zum Risiko ist noch anzumerken: Was nützt das Gefälle, wenn am Dach der Gully verstopft ist? Und das ist bei jedem zweiten Dach der Fall, wenn es nicht regelmäßig gewartet wird. 

Gundula Dyk hat jahrelange Erfahrung in der Planungs- und Umsetzungsunterstützung von Grün- und Nutzdächern. Seit 2013 ist sie Vorstandsmitglied im Verband für Bauwerksbegrünung, Leiterin des Business Boards Retention und Biodiversität bei Grünstattgrau und seit 2023 Systemberaterin für Gründach bei Bauder. © Agnes Mutschler
Gundula Dyk hat jahrelange Erfahrung in der Planungs- und Umsetzungsunterstützung von Grün- und Nutzdächern. Seit 2013 ist sie Vorstandsmitglied im Verband für Bauwerksbegrünung, Leiterin des Business Boards Retention und Biodiversität bei Grünstattgrau und seit 2023 Systemberaterin für Gründach bei Bauder. © Agnes Mutschler

Birgit Tegtbauer: Wozu braucht es das Null-Grad-Gefälle? Was ist der Unterschied zu einem klassischen Gründach-Aufbau?

Gundula Dyk: Der größte Unterschied liegt in der sogenannten Drän- und Wasserspeicherebene unterhalb der Vegetationstragschicht. In allen österreichischen technischen Regelwerken und Normen sprechen wir bis dato immer nur davon, dass eine „einwandfreie Entwässerung der Dachflächen“ hergestellt werden muss – also das Überschusswasser soll möglichst schnell zum nächstgelegenen Gully geführt werden. Wir wollen in der Stadt der Zukunft aber genau das Gegenteil – wir wollen möglichst viel Wasser am Dach zurückhalten, um Starkregenereignisse abzupuffern und die Verdunstungskühle der Pflanzen maximal auszunutzen. Um diesen Wasserspeicher einerseits maximal auszunutzen und andererseits auch rechnerisch zu bewerten, braucht es ein Null-Grad-Dachgefälle als Grundlage für den Retentionsraum. Statt des Dränelementes wird somit beim Retentionsgründach ein Hohlraumkörper eingebaut, der unterhalb der Vegetationstragschicht den Wasseranstau ermöglicht.

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