Smart Building
Nachhaltigkeits-Check im Gebäudebestand
Nach Angaben der Europäischen Kommission entfallen auf den Bau und die Instandhaltung von Gebäuden inklusive Heizung, Klimaanlagen, Beleuchtung und elektrische Ausstattung rund vierzig Prozent des Energieverbrauchs in der EU. Da der Großteil dieser rund 130 Millionen Gebäude mit fossilen Gas- und Ölheizungen ausgestattet ist, spielt der Wärmemarkt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von „REPowerEU“ und den Zielen von „Fit-for-55“. Mit einem ambitionierten Paket von Richtlinien möchte die EU bis 2030 mindestens 55 Prozent der Netto-CO2-Emissionen einsparen und bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität erreichen. Damit stehen nachhaltiges Bauen und regenerative Energieversorgung ganz oben auf der politischen Agenda – was dazu führt, dass qualifizierte Gebäudetechniker die Energiewende entscheidend mitprägen werden.
Green Deal belebt Sanierungsmarkt
Kein Wunder, wenn man die große Bandbreite an energie- und ressourceneffizienten Heizungstechnologien näher betrachtet: Sie beinhaltet sowohl Einzellösungen wie die wassergeführte Wärmepumpe oder Hybridlösungen, Wärmeerzeuger zur Nutzung grüner gasförmiger, flüssiger oder holzbasierter Energieträger, Sektorkopplungs-Technologien wie die Brennstoffzelle und die Nutzung weiterer klimaverträglicher Lösungen wie z. B. Solarthermie oder Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Hinzu kommt, dass heute bereits eine Vielzahl innovativer Gastechnologien wie Gas-Hybridheiztechnik oder wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen auf dem Markt verfügbar ist. Mit dem Vorteil, dass sich diese mit klimaneutralen Gasen betreiben und mit erneuerbaren Energien kombinieren lassen.
Gebäudetechnik mit KI-Unterstützung
Dieser nachhaltige Trend wird auch durch eine aktuelle Studie des Bonner Marktforschungsinstituts B+L bestätigt: „Energieeffizienz und Klimaneutralität im Gebäudebestand wird zum beherrschenden Thema der kommenden Jahre“, betont Studienautor Marcel Dresse und ergänzt: „Doch auch Haltbarkeit, Langlebigkeit und Wiederverwertung von Baumaterialien werden im Kontext von Nachhaltigkeit für Eigenheimbesitzer zunehmend wichtiger.“
Wie viel Gebäudetechnik tatsächlich eingesetzt wird und wie viel über die Architektur und die Baumaterialien geregelt wird, hänge letztlich von der jeweiligen Planung ab, ist Marcel Dresse überzeugt. „Mittels KI-Tools lässt sich schon heute ein Gebäudetechniksystem entwickeln, das die Energieströme im Gebäude optimal auf die Nutzenden abstimmt. Aber auch der Einsatz bestimmter Materialien sowie die Kubatur und Ausrichtung eines Gebäudes sind für das Innenraumklima wesentliche Parameter.“
Bedarf an integralem Fachwissen steigt stetig
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von zertifizierten Handwerksberufen, die für die Umsetzung der Energie- und Klimawende in den Bereichen Energieträger, Anlagentechnik und Gebäudehülle unverzichtbar sind.
SHK-Handwerker installieren neue Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen, sorgen für energieeffiziente Heiz- und Lüftungssysteme, dämmen Dächer, Wände und Fassaden oder installieren Elektroladesäulen in Wohnanlagen. Experten schätzen, dass allein in den EU-Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2033 mehr als drei Millionen Wohngebäude pro Jahr energetisch saniert werden müssten, wenn ein klimaneutraler Gebäudebestand („Zero Energy Building-Standard“) bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Zusätzliches Fachwissen wird vom SHK-Personal künftig auch in den Bereichen Gebäudeautomatisierung, Energiemanagement und Sektorkopplung zwischen Wärme und E-Mobilität verlangt – drei weitere Stellschrauben, um die Haus- und Gebäudetechnik zukunftssicher und resilient auszurichten sowie neue Potenziale für ausführende Unternehmen und Zuliefererindustrie zu erschließen.
Forschen für das Handwerk
Nicht ohne Grund gehören moderne Wärmepumpensysteme derzeit zu den beliebtesten Technologien in puncto energieeffizienter und regenerativer Wärmeversorgung. Die Geräte eignen sich sowohl für den Neubau als auch für eine energetische Sanierung, da sie die Umweltwärme aus Luft, Grundwasser oder dem Erdreich für die Beheizung von Gebäuden nutzen. Je nach Gerätetyp bieten Wärmepumpen zudem die Möglichkeit zur Raumkühlung und Bereitstellung von Warmwasser. Aufgrund der hohen Kundennachfrage und großzügigen Förderungen – der Staat übernimmt inzwischen bis zu 70 % der Investitionskosten – startete am 1. Oktober 2023 in Deutschland ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt zur Optimierung handwerklicher Umrüstprozesse.
In einem aus Herstellern, Fachgroßhandel und Handwerk bestehenden Projektkonsortium würden dabei die physischen und digitalen Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette des Wärmepumpen-Umrüstprozesses untersucht, berichtet Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des deutschen Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (ZVSHK): „Konkretes Ziel ist die deutliche Verkürzung der Installationszeiten von Wärmepumpen. Durch die Standardisierung und Digitalisierung der Abläufe und Workflows sowohl der prozessualen als auch technischen Schnittstellen soll der Wärmepumpen-Installationsprozess vereinfacht und beschleunigt werden.“
Neue EU-Gebäuderichtlinie
Unabhängige Untersuchungen zeigen, dass ca. 80 Prozent der Gesamtkosten eines Gebäudes für den laufenden Betrieb und Unterhalt über den gesamten Lebenszyklus ausgegeben werden müssen. Gut für Häuslbauer und Gebäudetechniker, dass sich das „Niedrigstenergiegebäude“ – seit dem 1.1.2021 für Neubauten und Generalsanierungen gesetzlich vorgeschrieben – im Vergleich zu den bisher etablierten Baustandards durch eine deutlich verbesserte thermische Gebäudehülle und hocheffiziente Gebäudetechnik auszeichnet. „Nicht zwingend erforderlich bei wenig kompakten Gebäuden ist der zusätzliche Einsatz von erneuerbarer Energie durch Photovoltaik, thermischen Solaranlagen, Erdwärme oder eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung“, informiert Manfred Denk, seit 2022 neuer Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker*innen. „Allerdings haben in meinem eigenen Betrieb in Etsdorf am Kamp die Ansuchen zum geförderten Heizkesseltausch in den letzten Jahren um mehr als das 10-Fache zugenommen.“
Wasser sparen mit Infrarot-Armaturen
Parallel dazu wächst im privaten wie auch im öffentlichen Bereich der Bedarf an innovativen Technologien, die dem Wunsch nach einem verantwortungsvollen und sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser Rechnung tragen. Zunehmend nachgefragt werden beispielsweise elektronische Armaturen, die sich dank Infrarot-Technologie berührungslos und hygienisch bedienen lassen. „Ihr großer Vorteil liegt darin, dass Wasser nur dann fließt, wenn es benötigt wird“, erklärt Oliver Fontaine, Produktmanager beim deutschen Armaturenhersteller Schell.
Dadurch verbrauchen elektronische Armaturen bis zu 70 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Einhebelmischer ohne Abstriche beim Komfort. Speziell für öffentliche Sanitärräume wurde deshalb ein eigenes intelligentes Wassermanagement-System entwickelt. Fontaine: „Es ermöglicht Vernetzung, Steuerung und Überwachung sämtlicher elektronischer Armaturen über einen zentralen Server – von Waschtischarmaturen über Duscharmaturen bis hin zu WC- oder Urinal-Armaturen“.
Intelligent vernetzen in Echtzeit
Wie dieses Praxisbeispiel zeigt, liegt der Schlüssel zum energieeffizienten Gebäudebetrieb in der Systemintegration und intelligenten Vernetzung aller Systeme, Anlagen und Komponenten. So kann vor allem durch die Automatisierung von Heizung, Lüftung, Klimatisierung und Beleuchtung – basierend auf Echtzeitdaten und vordefinierten Parametern – der Energiebedarf dauerhaft minimiert werden. Dabei passen sich intelligente Steuerungen stets an externe Bedingungen wie Wetter oder Nutzerverhalten an, um eine effiziente Nutzung von Energiequellen zu gewährleisten.
Bedeutet aber auch: Nur wenn sämtliche Gewerke auf der Baustelle durchgängig miteinander kommunizieren, kann zukunftsfähig automatisiert und Energie eingespart werden. Dabei schade es angesichts der fortschreitenden globalen Erwärmung sicher nicht, den Energieverbrauch von morgen gleich mitzudenken, meint Armin Bühler, Geschäftsführer der Firma Klimatop in Memmingen. „In 30 Jahren wird Kühlen das neue Heizen sein. Bleibt das in der Bauplanung unberücksichtigt, wird der energetische Aufwand für die Gebäudekühlung die möglichen Einsparungen bei der Gebäudeheizung kompensieren.“
INFORMATIONEN
Die im Juli 2023 erschienene B+L Studie „Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft“ untersucht mit den thematischen Schwerpunkten „Europäischer Green Deal“ und „Zirkuläre Bauwirtschaft“ den Status Quo und die Marktentwicklungen in den kommenden Jahren im Bereich Nachhaltigkeit allgemein (Gesetzgebung, Kundennachfrage, Best Practices) sowie im Detail bei energetischen Sanierungen, dem Recycling von Baustoffen und der zukünftigen Rohstoffverwendung. Für die Studie wurden neben der Auswertung von Sekundärquellen umfangreiche Interviews mit Verarbeitern, Bauunternehmen, Abrissunternehmen, Recyclinganbietern und privaten Eigenheimbesitzern geführt.
Nähere Infos unter www.bl2020.com.
Hinweis
Nützliche Informationen und Weiterbildungsangebote rund um die zukunftsweisenden Themenbereiche EU-Taxonomie, Energie- und Ressourceneffizienz, Nachhaltiges Bauen, Sanieren, Installieren usw. findet man auch auf den folgenden Webseiten:
www.klimaaktiv.at/bildung
www.ogni.at/leistungen/aus-weiterbildung
www.oegnb.net
www.greenskills.at
www.wirinstallateure.at
www.pvaustria.at
www.waermepumpe-austria.at
www.buildingsmart.co.at
www.viz.at