Sanierung Burg Heinfels: Dornröschen erwacht

Bauzustand
21.09.2020

 
Die mächtige Burganlage Heinfels dominiert den Eingang zum Villgratental in der gleichnamigen Gemeinde in Osttirol. Nach Jahrhunderten des langsamen Dahindämmerns in ruinösem Zustand wurde sie in den letzten Jahren dank des Engagements einer erfolgreichen Unternehmerfamilie und mit finanzieller und denkmalpflegerischer Unterstützung der öffentlichen Hand behutsam zu neuem Leben erweckt. von Gretl Köfler
Denkmalpflegerische Maßnahmen und ein zeitgemäßes architektonisches Konzept prägen die Sanierung der osttiroler Burg Heinfels.
Denkmalpflegerische Maßnahmen und ein zeitgemäßes architektonisches Konzept prägen die Sanierung der osttiroler Burg Heinfels.
Denkmalpflegerische Maßnahmen und ein zeitgemäßes architektonisches Konzept prägen die Sanierung der osttiroler Burg Heinfels.

Die Besitzerreihe der Burg ist lang und eng mit der Tiroler Landesgeschichte verknüpft. Sie beginnt im 13. Jahrhundert mit Dienstleuten der Grafen von Tirol, später gefolgt von den Grafen von Görz, die Heinfels – mit Unterbrechung – bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1500 innehatten. Danach übergab Kaiser Maximilian die inzwischen zu beachtlicher Größe herangewachsene Burganlage an die ­Bischöfe von Brixen, für die sie als militärisches Bollwerk in strategisch günstiger Lage gegen die Venezianer und die heranrückenden Türken diente. Wechselnde Besitzer und der Verlust jeglicher Funktion brachten den Niedergang. Die Burg diente fallweise als Obdachlosenunterkunft und Armenasyl, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch als Kaiserjägerkaserne. Nach dem ersten Weltkrieg ging die Anlage in Privatbesitz über. 2007 erstand sie der Südtiroler Süßwarenhersteller Loacker, der sie als Public-Private-Partnership-Projekt zusammen mit dem Land Tirol und der Landesgedächtnisstiftung zwischen 2015 und 2020 zu neuem Leben erweckt, teils als Museum teils als Gastronomie- und Hotelbetrieb.

Zur Entstehung

Palas und Bergfried auf dem höchsten Punkt des Burgfelsens sind der älteste Teil der Anlage, sie stammen aus dem 13. Jahrhundert und waren umgeben von einer Ringmauer samt einer kleinen Vorburg. Die Macht­übernahme durch die görzischen Landesfürsten bedingte den Bau der St. Laurentius-Kapelle, zunächst mit einer romanischen Balkendecke und spätromanischen Wandmalereien, später mit einer gotischen Einwölbung und Fresken, die Leonhard von ­Brixen zugeschrieben werden. Die neue Herrschaft baute auch einen neuen Wohntrakt im Westen der Burg, eine mächtige Gebäudegruppe mit drei Trakten und einem Treppenturm, angeordnet um einen trapezförmigen Hof, dazu eine weitere Ringmauer mit Zinnen und Schalentürmen. Für eine bessere innere Erschließung wurde Ende des 16. Jahrhunderts hofseitig eine neue Fassade mit Rundbögen hochgezogen und das Dach um ein Geschoß angehoben. Ebenso wurden Palas und Kapellentrakt mit einem gemeinsamen Dach versehen. Auch die große Umfassungsmauer samt Rondellen und viereckigem Turm stammt aus dieser Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stürzten das Dach des Palas und des Bergfrieds ein, 1932 folgte der Absturz der Westwand. Sie zerstörte große Teile der Burgkapelle und liegt seit über hundert Jahren als Steinhaufen im Innenhof. Glücklicherweise waren die gotischen Kapellenfresken schon zuvor abgenommen worden. Seit den 1930er Jahren versuchten sich die Besitzer an wenig geglückten Restaurierungen.

Die Voraussetzungen

Es war notwendig, gemeinsam mit dem für die Revitalisierung der Burg und der Burgruine beauftragten Architekten Gerhard Mitterberger ein Gesamtkonzept aus denkmalpflegerischen Maßnahmen und zeitgemäßen architektonischen Eingriffen zu entwickeln. Letztlich ging es dabei nicht um eine Rekonstruktion, sondern um die Darstellung einer Gesamtheit der historischen Erzählung, um ihre Ambivalenz zwischen Verfall und Erhaltung und das Verschmelzen der Übergänge zwischen der klassisch ausgebauten Burg und den totalen Ruinen. Die statische Konsolidierung des Burgfelsens war eine große Herausforderung. An vielen Stellen wurden die Bauteile vernadelt, damit sie nicht ins Rutschen kommen konnten. Für Interventionen wurde – wo möglich – auf das vorhandene Material an Baustoffen, Werksteinen, Balken und Bretter zurückgegriffen. Alle Oberflächen wurden in ihrem Istzustand konserviert einschließlich der Nägel, an denen die Soldaten ihre Uniformen aufhängten. Auch die Umfassungsmauern wurden im Status quo belassen, nur dort harmonisiert wo zuvor grob störende Fehler passiert waren. Alle Eingriffe, die notwendig waren, um dem vernetzten Gesamtkomplex neue Funktionen einzupflanzen, erfolgten mit äußerster Präzision und schlichter Eleganz unter Verwendung der Materialien Cortenstahl, Glas und Lärchenholz; traditionelle Baukonstruktion ging dabei Hand in Hand mit industriellem Bauen.

Die Planung

Die Planungsarbeiten begannen 2015. Sie umfassten einen öffentlich zugänglichen Burgrundgang, einen Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich für den Museumsverein sowie die Errichtung von Räumen und Infrastruktur für einen Gastronomiebetrieb und ein Hotel mit zwölf Zimmern – dessen Vollendung liegt jedoch derzeit auf Eis.

Die Sanierung begann beim Bergfried, wobei der Istzustand der Ruinen von Palas und Kapellentrakt erhalten blieb. Deren Bruchkanten wurden durch einen Verguss aus Zementmörtel befestigt und von italienischen Handwerkern konserviert. Die Ruinen wurden allesamt vernadelt. Podeste und Leitern des ruinösen Stiegenaufganges im Bergfried durch eine zweihüftige Scherentreppe ersetzt. Die im Zuge der archäologischen Grabungen aufgefundene gotische Ringmauer blieb erhalten, die dabei aufgedeckten Gräber sind in das 10. bis 13.Jahrhundert datiert.

Der mächtige Westtrakt war instabil, Risse durchzogen den Baukörper. Zu seiner Stabilisierung und um sein Abrutschen über den Burghügel zu vermeiden, wurde er mit 22 Stahlankern mit dem Innenhof zusammengespannt und so gesichert. Die abgesackten Vorburgmauern vernadelte man und baute sie unter Verwendung der abgetragenen Steine wieder auf. Ein im Fels verankerter Betonriegel schützt nun die mächtige Westfassade vor weiterem Absturz.

Das oberste Geschoß, dass erst in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts aufgesetzt worden war, wurde abgetragen, der Westtrakt somit um einen Stock gekürzt, wodurch der alte Küchenturm wieder in seiner gesamten Höhe erfahrbar wurde. Dach und Dachstuhl wurden neu aufgebaut und gedämmt, wobei das alte Material Verwendung fand. Die riesigen Kellerräume mit direktem Zugang zum Hof wurden zum idealen Rahmen für Bar und Taverne. Sie werden zusammen mit den Räumen im Erdgeschoß dem Gastronomiebereich zugeordnet. Dazu gehört auch der sogenannte „Rittersaal“, dessen Fußboden unter Beibehaltung der alten Trame zu einem Holzbetonverbund mit 15 Zentimeter Beton umgearbeitet wurde, was auch der Schallisolierung zwischen Rittersaal und darunter liegender Taverne dient. Darüber liegt mittlerweile der Hotelbereich mit zwölf Zimmern. Das ist jener Teil der Anlage, der von den letzten Vorbesitzern zu Wohnzwecken genutzt wurde. Die übrigen Teile samt den langgestreckten Räumen vor der Kapelle im Südtrakt werden vom Museumsverein bespielt. Die Verfallsgeschichte wird dabei zum Ausstellungsobjekt, dokumentiert an Hand von Fotos, Texten, Zeichnungen, einem Modell der Burg und einigen wenigen Artefakten.

Besondere Aufmerksamkeit verlangte die Burgkapelle. Nachdem sie durch den Einsturz der Westwand stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, ließ der damalige Besitzer in den 1930er Jahren Kapellendecke und Eingangswand mit Beton reparieren. Der Rückbau dieser Wand samt zwei vergitterten Fenstern ist die einzige denkmalpflegerische Rekonstruktion. Die neu geschaffene Kapellendecke mit den in Wellenform geschnittenen Leimbindern stellt bewusst einen Bezug her zu den ehemals romanischen und gotische Deckenformen. Die spätgotischen Fresken kehren als Dauerleihgaben an ihren angestammten Platz zurück. Drei davon waren auf Schloss Bruck gelagert, das vierte geriet in Vergessenheit und landete auf Umwegen im Depot des Tiroler Landesmuseums. Den Innenhof befreite man von den Steinmassen und versah ihn mit Rampen und einer neuen Pflasterung, wobei die vorhandenen Steine Wiederverwendung fanden. Unter dem Steinhaufen kam die eingestürzte Regenwasserzisterne mit unterirdischem Gewölbe zum Vorschein, die in ihrer Funktion nunmehr weiter genutzt wird.

An die Nordseite außerhalb der Burgmauern angedockt steht der fünfgeschoßige Küchenturm aus gewaschenem Sichtbeton, der von außen nur durch eine frei gespannte Materialseilbahn samt Mitfahrgelegenheit zugänglich ist. Die innere Erschließung erfolgt nur durch Aufzüge, Stiegenhaus gibt es in diesem Bereich keines. Im Turm findet die notwendige Infrastruktur ihren Platz: Küchen, Service, Lager, Müllstation, dazu im obersten Geschoß barrierefreie WCs. Über zwei Brücken gelangt man zum Bestand, wozu die Mauern mittels Seilschnitt allerdings durchbrochen werden mussten.

Die gesamte Energieversorgung kommt über eine eigens rund um die Burg gelegte Leitung in das Haus und wird in einer Betonwand, die auch eine Stiege trägt, in alle Stockwerke geführt.

Zwei Zugänge hat die Burg von alters her: Einen überdachten Wintersteig benutzte einst der Pfarrer auf dem Weg zur Burgkapelle. Neu interpretiert wird der Steig durch ein Tragwerk als Holz-Stahlkonstruktion mit eingehängter Cortenstahlstiege, aufgelegt an nur wenigen Punkten. Die Überdachung aus Holz nimmt Anleihen am historischen Befund. Ein weiterer Zugang führt durch den äußeren Burghof, wo der Eingang durch ein Bauwerk aus Holz, mit organisch geformten Grundriss, das sich zwischen der Glasfassade im Süden und dem natürlich vorkommenden Felsen im Norden spannt, für den Ticketverkauf markiert ist.

Die angebotene Besichtigungstour führt über eine Reihe von Stiegen und Stegen aus Cortenstahl durch Bergfried und Palas zum Dach der Kapelle, das als Aussichtsterrasse gestaltet ist. Wegen Corona musste die im Juni geplante große Eröffnungsfeier verschoben werden und wurde gerade wieder wegen Corona abgesagt. Auf Facebook, Instagram und Youtube hat der aktive Museumsverein bereits Rundgänge und Informationen zusammengestellt.

Projektdaten

Revitalisierung der Burgruine Heinfels, 9919 Heinfels, Osttirol

Bauherr A. Loacker Tourismus GmbH - Gastro, Hotel
Museumsverein Bug Heinfels - Museumsbetrieb
Planung, Gesamtbauleitung  DI Gerhard MItterberger ZT GmbH, Graz/Lienz
Bauleitung Restaurierung Dr. Wolfgang von Klebelsberg, Bozen
Planungs- und Baustellenkoordination Tragwerksplanung Tagger ­Ziviltechniker GmbH, Lienz
Statik Ebenbichler ZT-GmbH, Innsbruck 
Dipl.Ing. Johann ­Riebenbauer, Graz
Dipl.Ing. Arnold Bodner, Lienz
Haustechnikplanung Lauer-Pelzl-Stadlhofer GmbH, Kindberg
Elektroplanung Optech GmbH, Graz
Bauchemie MTI – Material Technologie Innsbruck, Innsbruck
Ausführende Firmen:
Baumeisterarbeiten Bauunternehmung DI Walter Frey GesmbH, Lienz
Zimmererarbeiten Holzbau Harry GmbH, Sillian
Lusser Holzbau, Heinfels
Sicherung Kernburg Tecnobase S.r.l., Trient
Vernadelung Pescoller Werkstätten GmbH, Bruneck
Elektroarbeiten ARGE Elektro Ortner, Lienz & Elektro Aichner, Sillian
Heizung/Lüftung/Sanitär ARGE Stolz Markus GmbH & CO KG & Fagerer Franz GesmbH, Lienz
Schlosserarbeiten S.Schösswender Werke ­Metall- und Schmiedekunst GmbH, Anras
Dachdeckerarbeiten RGO Lagerhaus GmbH, Lienz
Spenglerarbeiten Leopold Dorer GmbH, Dölsach
NF netto Ausstellungsbereich überdacht 1.130 m2
NF netto Allgemeinbereiche überdacht 614 m2
NF netto Gastro- und Hotelbereich überdacht 1.744 m2
NF gesamt überdacht 3.488 m2
Einreichung Herbst 2016 – Juni 2017 (Baubescheid)
Baubeginn BA1 August 2017
Eröffnung Museum 15. Juli 2020

Architekt Dipl. Ing. Gerhard Mitterberger
geb. 1957 in Lienz
Architekturstudium in Graz, Postgraduate-Stipendium bei Sverre Fehn
seit 1989 eigenes Büro in Graz und Lienz Arch. DI Mitterberger Gerhard ZTGmbH
A-8010 Graz, Glacisstraße 7
A-9900 Lienz, Schlossgasse 13
Lehrbeauftragter an der TU Graz

Bauten (Auswahl):
2002 Sozialzentrum Passail
2004 Gemeindeamt St. Nikolai im Sausal
2005 Matreier Ärztezentrum Matrei i. O.
2006 Tauernstadion Matrei i. O.
2010 Musikerheim St. Nikolai im Sausal
2011 Haus der Generationen Eggersdorf b. Graz
2013 Kindergarten und Kinderkrippe Stallhofen
2014 Athletic Area Schladming
2016 Besucherzentrum Festung Kufstein
2016 Kindergarten und Kinderkrippe in Fladnitz

zahlreiche Preise und Auszeichnungen

Branchen
Architektur