Unsichere Zeiten in der heimischen Immo-Welt

Immobilienmarkt
06.12.2022

Über künftige Entwicklungen des Immobilienmarktes im Jahr 2023, die Sorgen und Potenziale in der Branche.

Hohe Baukosten, steigende Energiepreise, Inflation und Zinsschritte sind Themen, die in den letzten Monaten in jeder Branche heiß diskutiert wurden. Zuversichtliche und vielversprechende Prognosen für 2023 gibt es nur wenige. Insbesondere in der Immobilienwirtschaft herrscht ein sehr verhaltener Optimismus. "Ein Sommer der Unsicherheiten ist in einen Herbst mit negativeren Prognosen übergegangen“, so Marius Richter von Pricewaterhouse Coopers (PwC). Immobilienfachleute sehen die größten Herausforderungen in der Inflation genauso wie in Zinsbewegungen. Als eine Folge von diesen Entwicklungen sinkt das Vertrauen in die Branche. Außerdem sind die Rentabilitätserwartungen auf ein niedriges Niveau gesunken. 

Diese Erkenntnisse gehen aus dem Emerging Trends in Real Estate Europe 2023 Report vom ­Beratungsunternehmen PwC, der in Kooperation mit dem Urban Land Institute erstellt wurde, hervor. Basierend auf Stimmen von über 1.000 Immobilienfachleuten aus Europa – einschließlich Investor*innen, Bauträger*innen, Kreditgeber*innen und Berater*innen –, wurde eine Studie hinsichtlich der Entwicklung der Branche im Jahr 2023 erstellt.

Das Kapital schrumpft

Heinz Fletzberger, Süba
Heinz Fletzberger, Vorstand Süba

Dem Report zufolge soll es im nächsten Jahr wirtschaftlich tendenziell bergab gehen, es wird eine ­Rezession erwartet. Zudem sprechen Immo-­Expert*innen von steigenden Konstruktionskosten und nicht zuletzt von immer knapper werdenden ­Ressourcen. Außerdem soll es laut Immobilienexperten im nächsten Jahr einen Rückgang der Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital geben, das demnach so gering sein wird wie zuletzt 2012 und 2009. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind insbesondere die steigenden Zinsen, nachdem von jahrelanger Niedrigzinspolitik die Rede war. "Ist weniger Kapital verfügbar, wirkt sich das einerseits auf die Bautätigkeit und andererseits auf die Nachfrage nach Immobilien aus“, so Heinz Fletzberger, Vorstand Süba. 

Der prognostizierte Rückgang von Kapital hat zur Folge, dass Projektfinanzierungen und Neuinvesti­tionen ausbleiben. Somit geben viele Unternehmen an, dass ihre für 2023 geplanten Bauvorhaben vorerst auf 2024 verschoben oder zur Gänze gecancelt werden. Daher soll es im nächsten Jahr zu einer sinkenden Neubauleistung kommen, was sich hingegen positiv auf Bestandsobjekte auswirkt. Weder bei der Strabag Real Estate noch bei Süba ist ein Rückgang der Auftragslage im kommenden Jahr zu spüren. "Für unsere Bauvorhaben, die sich alle durch eine sehr gute Lage auszeichnen, haben wir bereits Finanzierungen sowie abgesicherte Bauverträge und werden unsere Projekte somit auch im kommenden Jahr planmäßig umsetzen können“, so Heinz Fletz­berger über die Projektentwicklung bei der Süba.

Das kommende Jahr wird also eine Herausforderung für die Immobilienwirtschaft. Darüber hinaus wird es in den nächsten Jahren einen Wandel in der Branche geben. Bedeutende Treiber sind insbesondere die ESG-Kriterien, der Klimawandel, veränderte Kundenansprüche sowie technologische Innovation und Dekarbonisierung. 

Grafik: Studienergebnisse
Immo-Expert*innen der PwC-Studie prognostizieren einen Rückgang von Eigen- und Fremdkapital.

Immobilien und Klimafreundlichkeit

Während die Sorgen wegen der Rezession, steigender Kosten und Kapitalverfügbarkeit in den ­nächsten fünf Jahren zurückgehen sollten, wird der Ruf nach umweltfreundlichen Alternativen immer lauter. In diesem Kontext spielen insbesondere die ESG-­Kriterien wie auch die Dekarbonisierung eine große Rolle. Für mehr als 90 Prozent der Studienteilnehmer*innen ist die Führung eines ökologisch und sozial nachhaltigen Unternehmens der Haupttreiber der Immobilienbranche in den nächsten 20 Jahren. In puncto Nachhaltigkeit soll es im kommenden Jahr eine wachsende Tendenz zu Nischenprodukten geben: Energieinfrastrukturbauten. Insbesondere ­Solar- oder Windkraftanlagen erfreuen sich bei Investor*innen über besondere Beliebtheit. Diesen Trend konnte auch die Studie nachzeichnen, während Expert*innen wohl darüber hinaus vermehrte Investitionen in ­Batteriespeichersysteme erwarten. Diese sollen zunehmend eine wichtige Rolle vor allem in Hinblick auf grüne Energie spielen. 

Erwin Gröss, Strabag Real Estate
Erwin Gröss, Geschäftsführer Strabag Real Estate

Beim Thema Klimaschutz gelten neue Energie­infrastrukturbauten als Haupttreiber der Immobilien­wirtschaft in den nächsten Jahren. Ein Immo-Experte hebt hervor, dass dieser Anlagetrend ein wichtiger Beitrag für einen Wandel hin zu grüner Energie ist. Es gilt also, neben etablierten Assetklassen auch immer Nischenprodukte im Hinterkopf zu behalten. Auch die Strabag Real Estate sieht Potenzial in alternativen Assetklassen, wie Geschäftsführer Erwin Größ ausführt: "Wir werden unseren Fokus stärker hin zu energieautarken Immobilien ausrichten. In diesem Zusammenhang sind neue Assetklassen und Geschäftsmodelle vorstellbar.“ Den Trend zu Investitionen in Infrastrukturbauten zur Gewinnung erneuerbarer Energien sieht auch Fletzberger: "Das ist das Spannende am Immobilienmarkt, wo es immer wieder neue Nischenprodukte für Investitionen gibt, denn die Branche schläft nicht.“ Außerdem spricht Fletzberger auch über Investments im Metaverse, einer virtuellen Welt. Demnach sollen auf Blockchain-Basis virtuelle Grundstücke und Immobilien gekauft werden können. 

Redevelopment im Trend

Im Immobiliensektor wird eine Neuausrichtung der Praktiken verlangt, die so schnell wie möglich in die Realität umgesetzt werden soll. Nicht weniger als die Hälfte der befragten Immo-Expert*innen ­sehen großes Potenzial in der Erneuerung bestehender ­Gebäude. Demnach soll das in Zukunft der attraktivste Weg sein, um Kapital aufzubauen. Auch die Strabag Real Estate ist stets für neue Praktiken ­offen, wie Geschäftsführer Größ erläutert: "Wir sehen im Redevelopment enormes Potenzial und haben den Vorteil, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – beginnend von der Planung bis hin zum Recycling – mit den Erfahrungen und dem Know-how unserer Expert*innen konzern- und länderübergreifend abbilden zu können.“ In Sachen nachhaltiges Port­folio erweist sich die Süba mit dem Plus-Energie-­Quartier in Wien-Floridsdorf ebenfalls als ressourcen­schonend. Bei dem Projekt werden bereits bebaute Liegenschaften genutzt, um die Ressource Boden zu schonen und neuen Flächenverbrauch zu vermeiden. Hiermit wird das Thema Brachflächenrecycling angesprochen, was für eine nachhaltige Immobilienwirtschaft zunehmend bedeutsam wird. 

Laut der PwC-Studie werden Investments in nichtnachhaltige Objekte tendenziell abnehmen. Anleger*innen fokussieren sich zunehmend auf Nachhaltigkeitsstandards, insbesondere mit dem Ziel der Netto-Null-Emissionen. Haupttreiber des Wandels im Immobiliensektor sind laut der Studie ESG-Kriterien, der Klimawandel sowie die sich verändernden Anliegen der Kund*innen.

Grafik: Studienergebnisse
Laut PwC-Studie ist das Sanieren von Bestandsobjekten am attraktivsten, um Kapital aufzubauen.

Expertinnen-Kommentar von Ute Toifl

Ute Toifl, Rechtsanwältin
Ute Toifl, Rechtsanwältin ecolaw

Der österreichische Immobilienmarkt befindet sich im Umbruch – die starke Nachfrage der letzten Jahre ist erstmals rückläufig. Die Gründe sind vielfältig: Es gibt weniger freies Kapital am Markt, die hohe Inflation und die steigenden Zinsen führen zu einem Rückgang von Transaktionen und damit auch zu Absatzschwierigkeiten in der Immobilienbranche. Hinzu kommt die KIM-Verordnung der Finanzmarktaufsicht, die seit August verbindlich anzuwenden ist. Die Finanzmarktaufsicht hat damit die Vergabestandards für Immobilienkredite deutlich verschärft. Mit Obergrenzen für die Vergabe von Wohnimmobilienfinanzierungen soll die Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers gesichert werden. 

Auch wenn noch nicht klar ist, wie groß die Auswirkungen der verschiedenen Faktoren sein werden, alle Marktteilnehmer – sei es Käufer, Verkäufer, Bauträger oder Makler – sind davon betroffen. Unternehmen sollten daher frühzeitig die Warnsignale allfälliger Insolvenzindikatoren beachten. Auch die Baubranche leidet unter den Unsicherheiten am Markt. Nach der Hochkonjunktur während der Coronapandemie kommt es nun zu einem Rückgang bei Bauprojekten. Grund hierfür sind Verzögerungen bei der Lieferung von Rohstoffen sowie gestiegene Baukosten – auch die öffentliche Hand ist zurückhaltend mit Vergaben. Wirtschafts­experten erwarten eine weitere Reduktion der Bauaufträge in den kommenden Jahren. Es gilt daher, jetzt besonders vorausschauend zu agieren und auf die wirtschaftlichen und insolvenzrechtlichen Alarmsignale zu achten, um gegebenenfalls rechtzeitig eine ­Restrukturierung oder Sanierung des Unternehmens in die Wege leiten zu können. 

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