Vermeidbare Bauschäden, Teil 2
Im zweiten Teil unserer neuen Serie widmet sich Autor und Sachverständiger Wolfgang Hubner einem durchaus vermeidbaren Fall einer mangelhaft errichteten Dachhochzugsabdichtung, die nun zu groben Schäden geführt hat.
Die Geschichte: Die Eigentümer haben vor einigen Jahren von einer Errichtergesellschaft eine Wohnung erworben. Kurz darauf war es in der Wohnung zu Feuchtigkeitseintritten oberhalb der Terrassentür an der Deckenkonstruktion gekommen. Als Ursache wurde damals Eisbildung in der Entwässerungsrinne diagnostiziert. In jüngster Vergangenheit wurden von den Eigentümern weitere Feuchtigkeitsstellen an der Wohnungsdecke festgestellt, insbesondere in der Küche bei einer Deckenleuchte. Techniker der Hausverwaltung sowie ein Spenglerunternehmen haben daraufhin das darüber situierte Flachdach inspiziert und die Feuchtigkeitsabdichtung freigelegt. Die Fragen seitens der Bauherrschaft an den Sachverständigen lauteten wie folgt:
- Wurden die Feuchtigkeitsabdichtungsarbeiten am gegenständlichen Flachdach gemäß den anerkannten Regeln der Technik durchgeführt?
- Was sind die Mängel? Wie können sie behoben werden?
- Ist eine langfristige Funktionstauglichkeit der Flachdachkonstruktion gewährleistet?
Der Status quo
Im Bereich einer Beleuchtungskörperverankerung waren an der Küchendecke deutlich braun gefärbte Feuchtigkeitsrückstände erkennbar. Die Eigentümer erklärten, dass sie zeitweise auch unangenehme, nicht zuordenbare Gerüche in der Wohnung wahrnehmen (siehe Abb. 1).
Rund drei Quadratmeter der Flachdachfläche wurden bis zur Abdichtungsbahn freigelegt. Verfärbungen auf der bituminösen Abdichtungsbahnenoberfläche zeigten, dass lokal Niederschlagswasser nicht von der Dachfläche abgeleitet wird, sondern auf der Dachabdichtung verbleibt (siehe Abb. 2).
Die Dachaufbaupläne wurden dem Sachverständigen nicht übergeben, so kann nur vermutet werden, dass sich unterhalb der horizontalen bituminösen Abdichtung sowie des horizontalen Schenkels der Winkelverblechung eine flächige Holzkonstruktion befindet (siehe Abb. 3).
Augenscheinlich war erkennbar, dass auf einer Gesamtlänge von zirka 400 Zentimetern die horizontalen Schenkel der Winkelverblechung nicht mit der Bitumenabdichtungsbahn überklebt wurden. Sichtbar war außerdem, dass die Winkelverblechung mit Nägeln durch die Bitumenabdichtung in der Unterkonstruktion verankert wurde. Nach Auskunft der Eigentümer hatte das Spenglerunternehmen im Zuge des Freilegens der Dachabdichtung Dichtmasse zwischen Winkelverblechung und Bitumenbahn eingespritzt – Temporärabdichtung wurde dies genannt (siehe Abb. 4).
Deutlich erkennbar war, dass die horizontalen Schenkel der Winkelverblechung nicht mit der Bitumenabdichtungsbahn überklebt waren. Als Temporärabdichtung wurde silikonartige Dichtmasse zwischen der Bitumenabdichtung und der Winkelverblechung eingebracht, um Wasserhinterwanderung zu unterbinden (siehe Abb. 5).
Im unmittelbaren Bereich der an der Küchendecke befindlichen Feuchtigkeitsschäden war eine Entlüftungsrohrleitung durch die Fassade geführt. Der Abdeckrahmen dieser Rohrleitung war zirka zehn Zentimeter von der Fassadenoberfläche entfernt (siehe Abb. 6).
Die Stellungnahme des Sachverständigen
Die Besichtigung der freigelegten Flachdachfläche ließ erkennen, dass auf einer Fläche von zirka 1,50 Quadratmetern die unterhalb der bituminösen Dachabdichtung angeordnete Unterkonstruktion weich, das heißt nicht druckstabil, war. Eine Belastung dieser Fläche z. B. durch Begehen war nicht möglich, es bestand akute Durchsturzgefahr.
Augenscheinlich erkennbar war weiters, dass auf zirka vier Laufmetern der horizontale Schenkel der Dachrand-Winkelverblechung nicht in die horizontale Bitumenabdichtung eingeklebt oder mit dieser überklebt war. Lokal hatte man diese Winkelverblechung mit Befestigungsnägeln durch die bituminöse Abdichtung hindurch in die Unterkonstruktion verankert.
Eine Öffnung der Dachrandkonstruktion wurde bei gegenständlicher Begutachtung nicht durchgeführt. Unter Anbetracht der branchenüblichen Ausführungsdetails mit Dachabdichtungen im Dachrandbereich war davon auszugehen, dass es über die fehlende Verklebung der bituminösen Abdichtung mit dem horizontalen Schenkel der Winkelverblechung zu den Wassereintritten in die Dachkonstruktion kommt.
Im Regelfall wird die Winkelverblechung mit der Dachabdichtung wasserdicht eingebunden und ist somit Bestandteil einer wasserdichten Dachhochzugsabdichtung. Da dies wie vorhin beschrieben nicht erfolgte, ist davon auszugehen, dass der horizontale Schenkel der Winkelverblechung vom Niederschlagswasser hinterwandert wurde und dieses im weiteren Verlauf in die Dachkonstruktion eindringen konnte. Folgeerscheinung sind die Feuchtigkeitseintritte im Wohnungsinneren. Auch als problematisch einzustufen sind die in den Dachschichten bereits gespeicherten Wassermassen. Diese Dachschichten können so weit geschädigt werden, dass sie ihre Druckfestigkeit verlieren. Indiz dafür ist die bereits eingangs erwähnte „weiche“ Rücklage der Dachabdichtungsbahn.
Nach heutigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass in der Bauphase „vergessen“ wurde, die bituminöse Abdichtung an die Winkelverblechung anzuschließen. Durch die auf der Dachabdichtung aufgebrachte Kiesschüttung war dieser Mangel bis dato augenscheinlich nicht erkennbar.
Weitere Vorgehensweise:
- Lokales Öffnen der Bitumenabdichtung.
- Kontrolle der Dachkonstruktion sowie der einzelnen Dachbaustoffe hinsichtlich Funktionstauglichkeit.
- In Abhängigkeit dieser Erkenntnisse Erarbeitung eines Sanierungskonzepts. Einkleben der Winkelverblechung mit einer zusätzlichen Lage Polymerbitumenbahn.
- Der Abdeckrahmen der Entlüftungsrohrdurchführung ist dauerhaft auf der Außenfassade aufzubringen, um Schlagregen und an der Fassade ablaufendes Niederschlagswasser nicht in das Wärmedämmverbundsystem und in späterer Folge auch in den Wandbildner einzuleiten.
Wolfgang Hubner ist allgemein beeideter gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bauwesen.
Kontakt Franz-Meissl-Gasse 17,
2323 Mannswörth, M 0664/510 77 67, www.sv-abdichtungstechnik.at