Wohnanlage Home 21: Wohnen mit System | Trans City Architekten

Bauzustand
13.12.2017

Die Suche nach Lösungen zur Schaffung kostengünstigen Wohnraums, ohne Qualitätsverluste hinnehmen zu müssen, beschäftigt nicht nur die Bauforschung. Überlegungen dazu beflügeln auch architektonische Planungskonzepte. Die Wohnanlage Home 21, die gerade im 21. Wiener Gemeindebezirk auf einer Gesamtfläche von etwa 13.000 Quadtametern entsteht, kann hier jedenfalls durchaus als Pionierleistung gelten. Im Frühjahr 2018 soll sie bezugsfertig sein.   
Home 21 - Wohnbauanlage 1210 Wien, Axel-Corti-Gasse/ Siemensstraße/ Josef-Brazdovics-Straße
Home 21 - Wohnbauanlage 1210 Wien, Axel-Corti-Gasse/ Siemensstraße/ Josef-Brazdovics-Straße

Winfried Kallinger, der Geschäftsführer der Kallco Bauträgergruppe und Bauherr, weiß, dass die hohen Mieten in Wien längst für viele nicht mehr leistbar sind. Er engagiert sich daher mit seinem Unternehmen in der Schaffung leistbaren und dennoch qualitativ hochwertigen Wohnbaus. Als einziger privater Bauträger reichte er somit im Rahmen des Sofortprogramms der Wohnbauinitiative das Projekt Home 21 ein und übernimmt damit von den insgesamt 1.000 zu errichtenden Wohnungen des Programms alleine etwa ein Viertel. 
Geplant wurde Home 21 von Trans City Architekten aus Wien. Was bereits auf den ersten Blick überrascht, ist das beeindruckend großzügige Raumangebot. Aber auch eine harmonische Ausgewogenheit der Proportionen der Baukörper wird zur planerischen Geste, die durch bedachte Sparsamkeit der eingesetzten Mittel durchaus beflügelt worden scheint. Wie der projektverantwortliche Architekt Mark Gilbert des Büros trans_city betont, hat das modulare Rastersystem, das hier zum Einsatz kam, durchaus formal und funktionell inspirierende Eigenschaften. Schon die auf eine mögliche gewerbliche Nutzung ausgelegte Raumhöhe von 2,85 Metern schafft selbst in den kleinen Wohneinheiten einen durchaus großzügigen Raumeindruck. 

Leicht und Flexibel

Ein zwar strenger aber modularer und daher flexibler Raster bestimmt das Konzept, sodass eine Veränderung der Raumeinteilungen jederzeit möglich ist. Möglich wird dies durch das so genannte, von Kallco entwickelte und patentierte „Slim Building“-System, das auch die niedrigen Errichtungskosten erklärt. Was bedeutet aber nun „Slim Building“? „Dieses von uns erfundene und patentierte System“, berichtet Kallinger nicht ohne Stolz, „macht diese Bauweise überhaupt erst möglich. Es kombiniert eine leichte, flexible Bauweise mit den Vorteilen einer massiven Konstruktion. Die so entstehenden, nach allen Seiten offenen Raummodule können somit je nach Nutzungsanforderung frei gestaltet werden. Die Innen- und Außenwände sind nichttragend und können jederzeit entfernt oder ausgetauscht werden, auch Holz als Ausfachung zwischen den Stahlstützen oder jedes andere leichte Material ist möglich. Die Schallschutzvorgaben erforderten hier natürlich ein gewisses Mindestgewicht, sodass vorgefertigte mehrschalige Betonelemente verwendet werden.“ 
Einfachheit und der sparsame Umgang mit dem sich andernorts meist in der Ausführung widerspiegelnden Kostendruck führte hier zu einem etwas unkonventionellen Umgang mit dem Raum. Das kluge und sehr wirtschaftliche Konstruktionsystem erlaubt niedrige Baukosten. Statt Betonscheiben tragen hier schlanke Formstahlstützen das Gebäude. Massive Bauteile gibt es nur mehr zur Aussteifung für die Erdbebensicherheit und in den Stiegenhäusern. Die im Erdgeschoß errichteten Betonsäulen setzen sich in den Geschoßen darüber als Stahlsäulen fort, sie tragen die aus statischen Gründen massiven Decken. Das System ist unterzugsfrei, und Zwischenwände sind flexibel einsetzbar. Mittels zwei Halterungen an den Stahlstützen werden die Wände eingehängt. Alle Slim Building-Säulen werden mit Brandschutzplatten ummantelt.

Wirtschaftliches Modellprojekt … 

Die Hürde der bestehenden Widmung der Liegenschaft zur Gewerbenutzung hat man vorerst durch eine Nutzungsanpassung überwunden, eine widerrufliche provisorische Baubewilligung gemäß Paragraph 71 der Wiener Bauordnung macht es möglich, dass hier aber dennoch Wohnbau entstehen kann. Ein nachträglicher Antrag zur Widmungsänderng soll natürlich sicherstellen, dass alle einziehenden 250 Familien hier auch langfristig ihr Zuhause finden. Aber dank der modularen  Bauweise steht einer nachträglichen Nutzungs­adaptierung für Bürozwecke nichts im Weg. 
Neben einer kurzen Planungs- und Errichtungsdauer werden die Gesamtkosten inklusive der Baunebenkosten 1.350 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Die Mieten werden demzufolge inklusive Betriebskosten und Steuern maximal 7,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erreichen. Auch werden, wie sonst im geförderten Wohnbau üblich, keine Eigenmittel gefordert. Niedrige Betriebskosten sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zum kostengünstigen Wohnen; beide Baukörper sind Niedrigenergiehäuser, die an die Fernwärme angeschlossen sind. 

… mit sozialer Zielsetzung

Die Bewohner stammen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten. In einer Zusammenarbeit mit dem Wohnservice Wien, dem Fonds Soziales Wien und der Caritas wird der Wohnraum vergeben. Ein Drittel davon über den Fonds Soziales Wien, zwei Drittel über das Wohnservice Wien an Anwärter auf Gemeindewohnungen. Die Flächen im Erdgeschoß wurden bislang frei gehalten, sie werden schrittweise mit Nutzungen gefüllt, etwa mit einer Mutter-Kind-Einheit der Caritas, mit Schulungsräumen und Spielzimmer oder einem VinziMarkt. Über einen sogenannten Garconnièren­verbund werden kleine Wohnungen etwa für betreutes Wohnen älterer Menschen mit Behinderung genutzt. Diese bis zuletzt große Flexibilität wird durch die räumlich frei ausfachbare Bauweise ermöglicht. 
Wieso all dieser Einsatz im sozialen Bereich? „Unser Firmenmotto lautet nicht umsonst ‚Effizienz, Qualität, Kultur‘, also ist es natürlich eine Frage der Firmenphilosophie, sich hier auch entsprechend zu engagieren“, unterstreicht Winfried Kallinger. „Seit nunmehr 30 Jahren sind wir stark im geförderten Wohnabu involviert, also im leistbaren Wohnbau. Der Einsatz von ‚Slim Building‘ bedeutet 25 bis 30 Prozent Bauzeiteinsparung, 20–25 Prozent Materialeinsparung. Die Logistik ist einfacher, die Baustelle sauberer, und durch die dünnere Außenwand von zwölf Zentimetern steigt die Nutzfläche um etwa fünf Prozent – unter der Erfüllung aller Schallschutzvoraussetzungen und energetischen Voraussetzungen.

Strenger Raster als Inspiration

„Die meisten Grundrissstrukturen sind fast nicht mehr reversibel. Wenn man aber im Sinne einer gesamtökologischen Betrachtung denkt, dann sollte die Zielsetzung sein, einen Grundriss so flexibel wie möglich zu gestalten, insgesamt kon­struktiv weich, also nach allen Seiten offen“, sagt Kallinger. „Der Grundgedanke unserer Überlegungen war die Schaffung einer modularen Rahmenbauweise, schlanke Stützen und ein Rahmen, sozusagen ein ‚Spaceframe‘-Prinzip. Der Rahmen ist dann irgendwann oben weggefallen, und wir haben eine Lösung für das Einklinken der massiven Decke in die Stütze entdeckt – aber in Wirklichkeit ist die Grundlage eine planerische“, verrät er. Als Techniker hat sich Stefan Eisinger als Partner hier sehr stark eingebracht und in Zusammenarbeit mit dem technischen Büro Katzkov als Statiker und Bauphysiker wurde das System in zweijähriger Arbeit zur Baureife entwickelt.
Die gute Zusammenarbeit mit Mark Gilbert von trans_city zeigt sich auch in der Überseinstimmung dessen, dass Architektur nicht eine Frage des Aufwandes, sondern vielmehr der Proportionen eines gewissen Rhythmus ist, wie dieser es formuliert. Auch Gilbert sieht die Einschränkung der Mittel, den Einsatz des Rasters und die modulare Bauweise als durchaus inspirierend bei der Schaffung qualitätvoller Architektur. Die Mittelgänge sind der Wirtschaftlichkeit des Systems geschuldet, werden aber reichlich mit Tageslicht versorgt. Jeder Gang ist großdimensioniert verglast, auch natürlich belichtete Aufzugsfoyers verleihen der Erschließung Helligkeit und Großzügigkeit. Ein Abgestimmtes Farbkonzept sorgt für ihre räumlich ansprechende Gestaltung Drei Stiegenhäuser mit insgesamt fünf Stiegen erschließen den Komplex.

Kleine Wohnung ganz groß

Geschaffen werden hauptsächlich kleine Wohnungen von 1–2 Zimmern, ebenso Garconnièren, vereinzelt 4-Zimmer-Wohnungen inklusive Bad und Küche. Die Holzfenster in hoher Qualität entsprechen den Wohnbauförderungskriterien, außenliegender elektrisch betriebener Sonnenschutz inklusive. Die Böden in den Gängen werden mit Steinzeug ausgestattet, in den Wohnungen kommt Linol, in den Bädern die klassische Fliese zum Einsatz. Ein Dachgeschoßausbau charakterisiert aus architektonischen und städtebaulichen Gründen das Kopfbauwerk. Aber die Stockwerkslage macht keinen Unterschied, weder in der Qualität der Räume noch im Mietpreisniveau. Jede Wohnung verfügt über einen Balkon. Zählt auch im Förderungssystem der offene Balkon nicht zur Nutzfläche, wird dieser hier kostenlos inkludiert. Die Balkone werden über vorgesehene Haltepunkte in die Tragelemente eingeklinkt; in ein davorgestelltes Stahlgerüst werden Bodenplatten eingehängt. Die Abschirmung zu den benachbarten Balkonen bildet ein Gitter, in das Blumentöpfe eingehängt oder die als Rankgerüst verwendet werden können. Das Resultat soll ein sehr buntes und lebendiges Bild ergeben. Die Gewerbewidmung ermöglicht es, keine Tiefgarage bauen zu müssen. Stellplätze sind zum Teil im Erdgeschoß und auf dem Grund untergebracht. 

Systematisch planen 

Bei Home 21 ist es nun das erste Mal, dass die Eigenschaften dieses Systems voll zum Tragen kommen. Ein spannender Prozess, so Gilbert, auch in der Planung, weil so systematisch zu planen, natürlich auch eine andere Vorgangsweise bedeutet. Mit dem Ergebnis sind sowohl Architekt wie Bauträger sehr zufrieden. Dass man natürlich auch diverse Einzellösungen finden musste, liegt an der Problematik, dass letztlich jedes System auch die Ausnahme zu einem System bedeutet. Etwa in den Gebäudeecken, wo die Stiegen situiert wurden und man das Problem mit einem tragenden Kern aus Ortbeton gelöst hat, der nun zur Steifheit der Gesamtkonstruktion beiträgt. „Unser Vorschlag, gemäß der Bauordnung die Möglichkeit auszuschöpfen, in Bauklasse 2 ein Gebäude mit vier Geschoßen zu errichten und damit eine Raumhöhe von 2,85 Metern auszunützen, war letztlich für die Umsetzung ausschlaggebend und für die nun doch sehr große räumliche Qualität“, so Gilbert. Der Bau kann somit in ein Bürogebäude umgewidmet werden, was die üblichen Raumhöhen für Wohnbauten mit 2,50 Metern nicht ermöglicht hätten. 
Vergeben wurde das Projekt im Direktauftrag. trans_city hatte für diesen Bauplatz bereits verschiedene Bebauungskonzepte für Kallco ausgearbeitet. Dann kam die Idee des Wohnbauprogramms, und es war wichtig, hier mit jemandem zusammenzuarbeiten, der bereits mit dem Bauplatz vertraut war, ebenso wie mit dem Slim Building-System. trans_city hatte für Kallco bereits einen Wohnbau in der Leopoldauerstraße errichtet, eine der ersten in diesem System realisierten Anlagen. Mitte Juni 2016 wurde in der Siemensstraße zu planen begonnen, Anfang September eingereicht. Die Baustelle wurde im Dezember eingerichtet, zu betonieren begann man im Jänner 2017. Da nicht unterkellert wurde, konnten auch die Streifenfundamente dank der Leichtigkeit des Systems besonders zart dimensioniert werden. Bis Jahresende soll der Bau fertig sein. Das bedeutet eine 11–12-monatige Bauzeit für das ganze Projekt. Also sechs Monate Planung, 12 Monate Bauzeit, normalerweise braucht es 8–12 Monate Planung, je nach Schweirigkeitsgrad, und 20–22 Monate für den Bau. Hier gelingt es nahezu in der Hälfte der Zeit. Das Farbkonzept entstand gemeinsam mit Tochter Susanne Kallinger, sie ist Künstlerin und in den väterlichen Betrieb sehr stark involviert. Fassade und Fenster sind rot. Das Trägergerüst der Balkone ist aus rohem verzinktem Stahl, als Balkongeländer fungiert Trapezblech, das in drei unterschiedlichen metalisierten RAL-Goldtönen beschichtet wird. Wenn es kostenmäßig möglich ist, werden die Stahlwinkel verzinkt. „Dieses Projekt ist auf besonderer Kosteneffizienz aufgebaut, und diese wird die Harmonie aller Teile letztlich auch bedingen. Das muss man pragmatisch verfolgen, nur so kann man in dieser sehr strengen wirtschaftlichen Situation das Ziel, leistbares Wohnen ästhetisch ansprechend zu machen, auch erreichen.“
„400 Wohnungen sind seit zwei Jahren im Slim Building-System bereits fertiggestellt. 350 in Simmering, mit diesen hier sind nun 600 in Bau. Etwa tausend haben wir noch in der Pipeline“, schließt Kallinger. „Wir bauen nur mehr mit Slim Building, die Architektur wird aber stets unterschiedlich sein. Der Architekt muss sich nur auf den spielerischen Umgang des Rasterdenkens einlassen wollen. Im Grunde ist dies die Idee der klassischen Moderne und eigentlich nichts Neues. Ich bin ja eigentlich kein Erfinder, eher nur ein Abkupferer und Weiterentwickler. Es ermöglicht ein Spiel mit strikter Ordnung, wie beim Domino: lauter gleiche Steine, aber unterschiedliche Tupfen und unendliche Kombinationsmöglichkeiten. 

trans_city – TC ZT GmbH / 
Christian Aulinger, Mark Gilbert
trans_city entwickeln innovative Konzepte für Stadtentwicklung, Wohnbau, Bildungseinrichtungen und den öffentlichen Raum. Sie arbeiten dabei mit und an zukunftsträchtige Bausystemen und beispielgebenden Wohntypologien – immer mit dem Anspruch, wegweisende, attraktive und kostengünstige Lösungen zu finden. Mit dem Ziel, gute und intelligente Architektur und Stadtplanung für ein breites Bevölkerungsspektrum verfügbar und erreichbar zu machen, strebt trans_city nach einer Gestaltung von Stadt- und Wohnräumen, die nachhaltig, identifikationsstiftend und – vor allem – schön sind.
Projekte (Auswahl)
Wohnanlage am Satzingerweg, 1210 Wien (146 WE, 2013–2017); Wohnen in der Lorenz-Reiter-Straße, 1110 Wien (180 WE, 2012–2016); vier Kindergärten für die Stadt Wien, in Massivholz-Systembauweise (2014–2015); Wohnbau in Slim Building-Systembauweise (100 WE, 2011–2014); kostengünstiges Wohnen in der Podhagskygasse, 1220 Wien (60 WE, 2011–2015); 
Preise (Auswahl)
Gebaut 2016: „Schorsch“-Preis der Stadt Wien 2017 für smart+plus, Lorenz-Reiter-Straße  und Jungendheim in der Fuchsröhrenstraße
www.trans-city.at

Branchen
Architektur