Ressourcen sparen

Beton: Kreislauf für eine bessere Welt

Beton
08.11.2023

Die Baubranche arbeitet auf Hochtouren daran, die Kreislaufwirtschaft von Beton voranzutreiben, indem sie Rahmenbedingungen und Qualität optimiert. Die Verantwortung für den Siegeszug dieses ressourcensparenden Baustoffs tragen alle Akteure.
Zementabbau

Fakt ist: Beton taugt zu 100 Prozent für die Kreislaufwirtschaft. Laut dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan werden momentan bereits mehr als 90 Prozent des Altbeton-Aufkommens in Österreich rezykliert. Altbeton kann aufgebrochen und zur Herstellung von neuem Beton oder als Schüttmaterial wieder verwendet werden. „Die Entscheidung, ob Altbeton als Schüttmaterial oder als Ausgangsstoff für neuen Beton verwendet wird, ist meist eine wirtschaftliche Frage“, gibt Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton (GVTB) und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich (BDÖ) zu bedenken, „in beiden Fällen trägt der Einsatz des Recycling-Betons zur Einsparung von Primärressourcen bei.“ Für die Herstellung von neuem Beton ist es erforderlich, dass das Material – in dem Fall die rezyklierte Gesteinskörnung – eine entsprechende Qualität aufweist. „Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass man Altbeton einfach aufbricht und das Bruchmaterial ohne weitere Behandlung wie waschen und klassieren, wieder zur Herstellung von hochwertigem Beton verwenden kann“, geht Ressler auf eine Herausforderung ein, „dafür ist eine entsprechende Aufbereitung des Materials erforderlich.“

Performancenachweis als neuer Ansatz

Im Bereich Beton wird laufend optimiert und CO2 reduziert. Während bisher vor allem nach vorgegebenen Rezepten vorgegangen wurde, was der Branche wenig Handlungsspielraum bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes ermöglichte, gehen neue Ansätze in Richtung Performancenachweis, dafür werden neue Prüfverfahren entwickelt und Performancekonzepte erstellt.

Für die Betonbranche ist die Frage, wie wir in Zukunft bauen werden, von zentraler Bedeutung. Umwelt- und klimagerechtes Bauen betrifft nicht nur die Herstellung von Baustoffen, sondern die ganze Art und Weise, wie Gebäude geplant und ausgeschrieben werden.

Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton (GVTB) und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich (BDÖ)

Christoph Ressler
Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton (GVTB) und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Beton Dialog Österreich (BDÖ)

Bei der CO2-Reduktion im Bereich Beton ist es wichtig, dass alle an der Wertschöpfung beteiligten Akteure ihren Beitrag leisten: von der Planung und Ausschreibung von Objekten über Betonausgangsstoffe und Betonherstellung bis hin zur Bauausführung und Nachbehandlung.

Entscheidender Faktor Zement

Mit rund 85 Prozent entfällt bei der Betonproduktion der Hauptanteil der CO2-Belastung auf die Produktion des Bindemittels Zement, warum auch seit Jahren kontinuierlich an der Verringerung des CO2-Ausstoßes bei der Zementproduktion gearbeitet wird. Christoph Ressler: „Im internationalen Vergleich wird in Österreich bereits heute der umweltfreundlichste Zement mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß der Welt hergestellt. In den vergangenen 30 Jahren konnten die spezifischen CO2-Emissionen um 21 Prozent reduziert werden.“

Forschungsprojekt „CarboRate“
Im Forschungsprojekt „CarboRate“ wird in Kooperation mit den Mitgliedswerken und Smart Minerals GmbH das CO2-Aufnahmepotential von Beton während der gesamten Wertschöpfungskette untersucht    

Forschung: Auf die Oberfläche kommt es an

Die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie strebt die Klimaneutralität bis 2050 an.

Beim Rückbau und Brechen von altem Beton vergrößert sich die Oberfläche, dadurch kann mehr CO2 aus der Umgebungsluft aufgenommen und dauerhaft im Beton eingebunden werden.

Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ

Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ
Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ

„Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, unsere spezifischen CO₂-Emissionen zu reduzieren – seit 1990 um 21 Prozent. Gelungen ist das durch den Einsatz von modernsten Technologien zur Herstellung von Klinker und Zement.“, erläutert Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ. Die VÖZ forscht gemeinsam mit der Smart Minerals GmbH an der Entwicklung und Markteinführung CO₂-effizienter Zementsorten.
Darüber hinaus wurde ein eigenes Forschungsprojekt gestartet, „CarboRate“, in dem unter der Leitung von Cornelia Bauer (Forschung VÖZ) in Kooperation mit den Mitgliedswerken und Smart Minerals GmbH das CO2-Aufnahmepotential von Beton während der gesamten Wertschöpfungskette untersucht wird. „In unserer Roadmap setzen wir den Beitrag einer möglichen CO2-Reduktion mit 13 Prozent an.

Beton bindet CO2

Beton kann dank seiner Zusammensetzung aus natürlichen Rohstoffen aufgebrochen, aufbereitet und wiederverwendet werden. Beim Rückbau und Brechen von altem Beton vergrößert sich die Oberfläche, dadurch kann mehr CO2 aus der Umgebungsluft aufgenommen und dauerhaft im Beton eingebunden werden. Es gibt viele Studien und Berichte dazu, welcher Anteil des aus der Zementherstellung emittierten CO₂ durch die Carbonatisierung eingebunden werden kann, die eine große Bandbreite aufweisen. Mit unserem Projekt CarboRate werden wir gesicherte Zahlen als Wissensgrundlage für die Bau- und Kreislaufwirtschaft liefern“, so Spaun. Ein erfolgreiches Praxisbeispiel für die Multifunktionalität von Beton sind Holzbeton-Lärmschutzwände, die von Smart Minerals hinsichtlich der Wiederaufnahme von CO₂ untersucht wurden. Fazit: Mehr als 50 Prozent des bei der Zementherstellung verursachten CO₂ wurden aus der Atmosphäre wieder aufgenommen.

Die Zukunft des Recyclingbetons

Derzeit werden nahezu 100 Prozent des aufgebrochenen Betons verwertet. Aufgrund der Langlebigkeit des Baustoffs werden jährlich allerdings nur etwa zehn Prozent des verbauten Volumens der Kreislaufwirtschaft zugeführt. 2050 wird dieser Anteil bei rund 25 Prozent liegen, so die Prognosen der VÖZ und somit wird das Potential für die Carbonatisierung steigen. Die CO2-Aufnahmefähigkeit von Betonbruch ist beachtlich und kann bis zu 41 Prozent des CO2, welches bei der Zementproduktion durch die Entsäuerung des Kalksteins entstanden ist, betragen. Da der CO2-Fußabdruck künftig einen signifikanten Einfluss in der Gebäudebewertung und damit auf die Materialauswahl haben wird, muss der Effekt der Carbonatisierung auf die Netto-CO2-Emissionen der zementbasierten Materialien in nachvollziehbarer Weise inkludiert werden.

Meilenstein für den Klimaschutz

CarboRate wird eine lückenlose Stoffbilanzierung im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ermöglichen und darüber hinaus wertvolle Beiträge zur ökologischen Nachhaltigkeit der Zementindustrie im Hinblick auf den Klimaschutz liefern“, so Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ. Neben dem CO2-Aufnahmepotential werden auch mögliche Auswirkungen auf die Produkteigenschaften des carbonatisierten Betons erarbeitet.

Wir wollen herausfinden, wie lange es dauert, bis die Carbonatisierung abgeschlossen ist, und verschiedene Möglichkeiten überprüfen, wie wir den Vorgang beschleunigen können, Messmöglichkeiten zur validen Bestimmung der CO2-Aufnahme entwickeln sowie das Bindepotenzial von CO2 durch das aufbereitete Betonmaterial prüfen.

Cornelia Bauer ist Leiterin des Forschungsprojektes CarboRate (VÖZ)

Cornelia Bauer ist Leiterin des Forschungsprojektes CarboRate (VÖZ)
Cornelia Bauer ist Leiterin des Forschungsprojektes CarboRate (VÖZ)

Das Forscherteam rund um Cornelia Bauer sucht ebenso nach Optionen, CO2-Emissionen bereits direkt am Ort der Entstehung in Recycling-Gesteinskörnungen oder Bauprodukte einzubinden. Dazu werden unterschiedlichste Brechsandfraktionen von CO2-reichem Abgas (z. B. eines Zementwerks) durch- bzw. umströmt. Sebastian Spaun ist davon überzeugt, dass das Projekt CarboRate einen weiteren Meilenstein für die Klimaschutzbemühungen der Bauwirtschaft liefern wird: „Damit schaffen wir eine umfassende Datengrundlage zur Carbonatisierung zementgebundener Baustoffe in Österreich.“

Mehr High-Tech für den Beton

Stefan Krispel, Geschäftsführer von Smart Minerals: „Die Qualitätskontrolle einerseits der Betonausgangsstoffe und andererseits des hergestellten Betons selbst findet derzeit überwiegend charge­nbasiert und mittels manueller Prozesse statt. Im Forschungsbereich wird jedoch versucht, moderne Prozesskontrollsysteme für die Betonherstellung und -lieferung zu entwickeln. Hierbei liegt der Fokus ­oftmals auf einem kontinuierlichen Monitoring der Betonausgangsstoffe (z.B. rezyklierter Gesteins­körnung) und einer Echtzeit-Beurteilung der Betoneigenschaften mittels speziell entwickelter Sensorik.
Mit dieser Herangehensweise kann der Einfluss von Schwankungen z.B. der Ausgangsstoffe direkt am Produkt festgestellt bzw. quantifiziert werden und Rückmeldungen bzw. Kompensationsmaß­nahmen zeitnah und kosteneffizient umgesetzt werden.“ ◼

Recycling-Revolution

UP!crete: Beispiel aus NÖ
Der ecoplus Bau.Energie.Umweltcluster Niederösterreich mit Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft das Clusterprojekt „UP!crete – Performance von Recyclingbetonen im Upcycling“ ins Leben gerufen. Baurestmassenverwertung soll durch systematische Versuchsreihen auf eine höhere Ebene gehoben werden, wobei zwei Faktoren im Vordergrund stehen: Zum einen soll die hohe Porosität des Zementgesteins in Recycling-Gesteinskörnungen (RG) reduziert werden. Zum anderen muss die Schwachstelle der Grenzfläche zwischen Recycling-Gesteinskörnungen (RG) und dem neuen Zementgestein im Recyclingbeton (RB) entschärft und gestärkt werden.

Zahlen
30 % aller Abfälle in der EU kommen aus der Baubranche.
60 % davon sind mineralische Abfälle
Beton stellt den größten Anteil.

Kreislauf-Kooperation

Die Abfallwirtschaft als Partner
Das Baustoffunternehmen Holcim bekennt sich zur Erreichung der Pariser Klimaziele. Der Ersatz von Rohstoffen im Produktionsprozess durch Reststoffe und Nebenprodukte aus anderen Industriezweigen hat hier Priorität.
Die Abfallwirtschaft ist ein zentraler Partner der Zementindustrie auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Reststoffe aus industriellen Prozessen, aufbereitete Baurestmassen und Ersatzbrennstoffe aus kommunalen Abfällen sind wesentliche Ersatzrohstoffe bzw. -brennstoffe für die Zementproduktion. Im Durchschnitt erreichen die österreichischen Zementwerke des Baustoffunternehmens Holcim eine Recyclingquote rund 36 Prozent. Holcim bereitet Beton unter anderem im Recycling Center Retznei (Steiermark) für die Wiederverwendung in der Zementindustrie auf. Die Recyclingaktivitäten werden mit dem geplanten Bau eines Recycling Centers am Gelände des Zementwerks in Mannersdorf (Niederösterreich) weiter ausgebaut. Für Herbst 2023 ist der Bescheid der Behörde.

Nachhaltigkeit beginnt beim Planen

„Ökobeton“ ist eine eingetragene Marke der Wopfinger Transportbeton. Franz Denk ist technischer ­Geschäftsführer des Unternehmens, das mehrfach für seine Kreislaufwirtschaft ausgezeichnet wurde.

Franz Denk ist technischer Geschäftsführer der Wopfinger Transportbeton.
Franz Denk ist technischer Geschäftsführer der Wopfinger Transportbeton.

Ist die Akzeptanz von Beton aus Kreislaufwirtschaft gestiegen?
Die Akzeptanz steigt mit jeder Auszeichnung. Wir bewerben uns um Awards, damit wir Sensibilität für Beton aus Kreislaufwirtschaft schaffen und die Leute sehen, dass uns Nachhaltigkeit wichtig ist. Wir wollen damit auch Planer und andere Verantwortungsträger erreichen.

Wer bestimmt, ob Ökobeton eingesetzt wird?
Unsere Kunden sind die Baufirmen. Wenn ein Planer keinen Ökobeton ausschreibt, fragt uns die Baufirma erst gar nicht ­danach. Dank unserer Öffentlichkeitsarbeit kommen mehr Rückfragen von ­Planern.

Was können Planende dazu beitragen, um Beton aus Kreis­laufwirtschaft den Vorzug zu geben?
Planer sollten die Betone ausschreiben, die sie brauchen. Das kann eine neutrale Ausschreibung sein, aber einen Nachsatz, der Ökobeton fordert, würden wir uns wünschen.

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