Recyclingbeton

Alter Beton in neuem Gebäude

Recyclingbeton
28.05.2024

Die MA 48 hat das erste öffentliche Gebäude in Wien in Betrieb genommen, das aus Recycling-Beton hergestellt wurde. Die Betonbranche setzt auf die öffentliche Hand als Vorreiter.

Das Vorhaben stand zunächst unter keinem guten Stern: Kaum waren die Arbeiten gestartet, mussten sie auch schon wieder gestoppt werden. Der Grund: Die Corona-Pandemie. Die ist mittlerweile überwunden – und dem Projekt hat die Verzögerung letzten Endes nicht geschadet. Die Verantwortlichen zeigten sich bei der Presseführung anlässlich der Eröffnung jedenfalls zufrieden.

Die Rede ist von einem neuen Gebäude, das die Magistratsabteilung 48 in Wien-Simmering für 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter errichtet hat. Das Besondere an dem Bauwerk: Die MA 48 – in der Stadt für Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark zuständig – setze bei der Errichtung ebenfalls auf Abfall. Genau genommen: auf Bauschutt. Und noch genauer genommen: auf Recycling-Beton. Das zweigeschossige Gebäude ist damit das erste öffentliche Bauwerk der Stadt Wien, das aus diesem Material errichtet wurde.

„Die MA 48 hat mit dem ersten Gebäue der Stadt Wien aus Recyclingbeton gezeigt, was machbar ist“, meint Andreas Kuba, stellvertretender Leiter der MA 48. „Wir denken bei Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung weiter und wollen mit unserem neuen Gebäude eine Vorreiterrolle für die Kreislaufwirtschaft beim Bauen einnehmen“, so der Magistrats-Manager weiter. „Im besten Fall werden zukünftig Bauschutt und Betonabbruch direkt in Wien oder im nahen Umland aufbereitet und wieder in Wiener Bauwerken eingesetzt.

Vorreiter Wien

Die Vorreiterrolle der Stadt Wien wird in der Betonbranche positiv gesehen: „Wir begrüßen es sehr, dass die Stadt hier vorrangeht. Die öffentliche Hand kann den Weg ebnen, damit sich der Markt für Recycling-Beton weiterentwickelt“, meint Wolfgang Moser, Kaufmännischer Geschäftsführer bei Wopfinger Transportbeton. Bei Wopfinger Transportbeton beträgt der Anteil von Recycling-Beton am Absatz rund 20 Prozent. Experten schätzen, dass diese Quote branchenweit deutlich niedriger bei weniger als zehn Prozent liegt. Technisch wäre auch hier ein Wert von 20 Prozent möglich: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 22 Millionen Tonnen Transportbeton ausgeliefert. Dem gegenüber stehen vier Millionen Tonnen Altbeton, die jährlich bei Abbrucharbeiten gewonnen werden. Dazu Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverband Transportbeton (GVTB): „Die Menge an Altbeton ist begrenzt, da Beton ein sehr langlebiger Baustoff ist. Mehr fällt derzeit nicht an.“

Beton besteht zu rund 85 Prozent aus Sand und Kies – der sogenannten Körnung. Die übrigen 15 Prozent sind Zement oder Zementersatz – das Bindemittel. Damit ein Beton als „Recycling-Beton“ bezeichnet werden darf, müssen mindestens 5 Prozent der Körnung aus recyceltem Material bestehen – also aus sortiertem und zerkleinertem Abbruchmaterial. Die Experten sprechen hier von der Sekundärkörnung. Eine Obergrenze für deren Anteil gibt es auch. Sie liegt bei 37,5 Prozent. Mehr Sekundärkörnung darf ein Beton nicht enthalten.

Bei der Entwicklung dieser Normen hat man sich in Österreich an den europäischen Empfehlungen orientiert und Erfahrungen aus Nachbarländern wie der Schweiz einfließen lassen. „In der Schweiz setzt man bereits seit Jahrzehnten Recycling-Beton ein“, meint GVTB-Geschäftsführer Ressler, der auch Vorsitzender des Ausschusses ist, der die Normen erarbeitet hat. Sie dienen dazu, sicherzustellen, dass Recycling-Beton die gleichen Eigenschaften hat wie vergleichbarer Standard-Beton.

Beim neuen Gebäude der MA 48 zeigen sich Planer und Ausführende mit dem Beton, der von den beiden Lieferanten Transportbeton und Wopfinger Transportbeton zur Verfügung gestellt wurde, mehr als zufrieden: „Wir haben keinen Unterschied gegenüber Standardbeton gemerkt“, meint Gottfried Baumgartner, Geschäftsführender Gesellschafter von HD Architekten ZT, der verantwortliche Planer. Insgesamt wurden im Gebäude rund 1.500 Kubikmeter Beton verarbeitet. Die  durchschnittliche Recycling-Quote betrug je nach Betongüte zwischen 15 und 20 Prozent. Damit wurden insgesamt 450 Tonnen Recycling-Material verarbeitet.

Planer Baumgartner spricht sich entschieden für die Kreislaufwirtschaft am Bau aus. „Wir müssen Ressourcen vor allem länger und effizienter nutzen, indem wir sie wiederverwenden und im Kreislauf halten. Beton macht das möglich – ohne unseren Gestaltungsspielraum als Planer einzuschränken.“ Die Betonbranche weist darauf hin, dass bereits heute 100 Prozent des anfallenden Altbetons in Österreich recycelt werden.

Hier gibt es aber einen Schönheitsfehler: Ein Großteil des Altbetons wird zerkleinert und in ungebundenen Tragschichten verwendet – vor allem als Schüttmaterial im Straßenbau. Experten weisen darauf hin, dass das nicht völlig unproblematisch ist. Es ist nicht völlig geklärt, welche Auswirkungen der Beton auf die Bodenchemie hat. Beton ist ein basisches Material. Fachleute befürchten, dass der Säure-Basen-Haushalt des Bodens durch das Schüttmaterial aus dem beeinflusst wird. Studien in Skandinavien weisen darauf hin.

Und es existiert ein zweiter Haken. Beim Einsatz von Altbeton als wenig hochwertig Schüttmaterial sprechen Experten von einem „Downcycling“. Wenn man das Material später einmal im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwerten möchte, muss man bereits recyceltes Material wieder recyceln. „Das führt zu einem Qualitätsverlust“, meint Wopfinger Geschäftsführer Moser. Er plädiert dafür, den aufbereiteten Altbeton wieder zur Herstellung von Beton zu verwenden. Moser: „Man kann das gut mit der Kreislaufwirtschaft beim Glas vergleichen. Aus Altglas wird Glas. Das ist optimales Recycling.“

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