Schalungen
Kein Grund zur Schockstarre
Harald Zulehner kommt schnell zur Sache. „Was wir gerade am Wohnbau erleben ist ein giftiger Mix“, meint der Geschäftsführer von Doka Österreich, dem Marktführer am heimischen Markt für Schalungen. Die Zutaten des ungesunden Cocktails: hohe Inflation, hohe Zinsen und hohe Baukosten. Eine große Überraschung ist die Entwicklung aus seiner Sicht allerdings nicht: „Das unterbricht den Bauboom des letzten Jahrzehnts. Die letzten zwei, drei Jahre waren überhitzt“, so der Doka-Österreich-Chef. „Es war zu erwarten, dass es nicht ewig so weitergeht. Aber es ist schade, dass es so abrupt passiert und es nicht besser gelingt, die Entwicklung auszusteuern.“
Ähnlich sieht es Markus Ringer, Eigentümer und Vertriebsleiter des oberösterreichischen Anbieters Ringer: „Dass ein Rückgang nach den vergangenen Jahren des Booms kommen würde, war zu erwarten. Nicht zu erwarten war, dass der Markt quasi eine Vollbremsung hinlegt. So wie wir es aktuell erleben.“ Auch Ringer wünscht sich mehr Impulse durch die Politik: „Zur Bewältigung der Covid-Krise wurden seitens der öffentlichen Hand große Mengen Geld in den Markt gepumpt“, erinnert sich Ringer. „In der aktuellen Situation wäre ein Signal an den Markt sinnvoll. Es ist keine Aktivität erkennbar. Wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf.“
So trübe sich die Situation im Wohnbau derzeit darstellt – die Schalungsbranche profitiert auf der anderen Seite von einer guten Auftragslage im Bereich der Infrastruktur.
Doka war heuer an einer Reihe von prominenten Infrastrukturprojekten beteiligt. Dazu zählen der Wiener U-Bahn-Ausbau, die als „Linzer Golden Gate Bridge“ bezeichnete Brücke entlang der A26 oder die Aurach-Brücke, die höchste Brücke der Westautobahn. Zudem konnte man zum Bau von Pumpenspeicherkraftwerke beitragen. „So viele Projekte an der Zahl hatten wir noch nie in Österreich in einem Jahr“, meint Zulehner. Er spricht daher für 2023 insgesamt „von einem schwierigen Jahr,“ in dem sich Doka Österreich gut geschlagen habe.
Bei Peri zeichnet man ebenfalls ein differenziertes Bild der Gemengelage. „Die viel zu geringe Neubautätigkeit“ und der Rückgang am Baustoffmarkt „ist natürlich auch ans uns nicht spurlos vorüber gegangen“, sagt Peri Österreich-Geschäftsführer Peter Radel. Aber auch Peri habe die gute Auftragslage bei der Infrastruktur geholfen. Man sei daher „mit der Umsatzentwicklung zufrieden“ und „besonders im Infrastrukturbereich stark unterwegs“. Der global aktive Doka-Konzern hat laut Österreich-Chef Zulehner zudem einen weiteren Vorteil. „Irgendwo auf der Welt ist immer Hochkonjunktur. Derzeit ist das vor allem in Nordamerika der Fall.“ Und auch bei Ringer setzt man auf internationale Märkte, um die Flaute in Österreich zu kompensieren. „Die Exportmärkte entwickeln sich sehr zufriedenstellend“, meint Eigentümer Ringer.
Die große Frage, die alle Anbieter sich stellen, liegt natürlich auf der Hand: Wie wird 2024? Peri-Chef Radel beantwortet diese Frage verhalten. „Alle Prognosen gehen von einer schwierigen Lage beziehungsweise von einer Stagnation aus“, sagt Radel. „Wenngleich wir aufgrund der Auslastung im Infrastrukturbereich weniger pessimistisch sind, haben auch wir unsere Umsatzprognosen nach unten revidiert.“
Wirklich optimistisch klingt auch sein Mitbewerber Ringer nicht: „Wir erwarten für das Geschäftsjahr 2024 keine Besserung. Im Gegenteil, das erste Halbjahr wird voraussichtlich noch herausfordernder als 2023.“
Ringer ortet vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen einen Rückgang der Nachfrage. „Zusätzlich haben wir die Situation, dass die Lager der Hersteller und Produzenten voll sind. Daraus resultiert ein starker Preisdruck, der teilweise nicht nachvollziehbar ist.“ Zudem, so Ringer weiter, „explodieren die Preise am Bau. Insbesondere durch die hohe Personalintensität“. Und er befürchtet gerade bei den Personalkosten weiteres Ungemach: „Die Lohnabschlüsse werden die Situation nicht nachhaltig verbessern. Die Kosten für Bauherren werden weiter steigen.“
Temporäre Stagnation
Doka Österreich-Chef Zulehner ist sich ebenfalls nicht sicher, „ob es 2024 im Wohnbau schon wieder aufwärts geht“. Er glaubt jedoch fest an die mittel- und langfristigen Perspektiven für die Baubranche und damit auch die Schalungsanbieter. „Wir haben eine temporäre Stagnation. Für mich heißt das, dass wir eine Welle vor uns herschieben. Der Bedarf ist ungebrochen. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass wir wieder auf eine starke Nachfrage in Österreich stoßen werden“, meint der Doka-Manager. Nachsatz: „Die Frage ist nur wann.“
Um die Flaute zu bewältigen, setzen die Schalungsanbieter auf ähnliche Rezepte: Kostenmanagement auf der einen Seite, aber auch Produktinnovationen, verstärkter Kundenservice und ein integriertes Angebot als Vollsortimenter. Peri bietet ein komplettes Produktportfolio aus Schalung und Gerüst an. „Dieses One-Stop-Shop-Modell wird von unseren Kund*innen sehr geschätzt“, sagt Peri-Österreich-Chef Radel. Bei Ringer betont man ebenfalls die „Kompetenz von Gerüst und Schalung aus einer Hand“. Und Doka hat heuer die hundertprozentige Übernahme des Gerüstherstellers AT-PAC abgeschlossen, mit dem man seit 2020 zusammenarbeitet. Zudem die Schalungs-Anbieter verstärkt auf den Verleih statt dem Verkauf von Schalungen. Die projektbezogene Miete werde immer mehr in Anspruch genommen, schildert beispielsweise Familienunternehmer Ringer.
Trotz der Krise plädiert Doka Österreich-Chef Zulehner dafür, dass die Bauwirtschaft wichtige Zukunftsthemen nicht aus den Augen verliert: „Wir dürfen jetzt nicht in eine Schockstarre verfallen“. Damit meint er die Digitalisierung, aber auch Investitionen im Bereich Nachhaltigkeit und Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität. „Wir dürfen diese Themen jetzt nicht vergessen. Wir müssen das Tempo beibehalten“, so Zulehner. „Man kann immer eine Ausrede finden. In der Krise heißt es, dafür haben wir jetzt kein Geld. In der Boomphase heißt es, dafür haben wir jetzt keine Zeit.“ Sein Fazit: „Der ideale Zeitpunkt sich mit diesen Zukunftsthemen zu befassen, ist jetzt.“
Hier kommt von der Konkurrenz kein Widerspruch. „Insgesamt wird die Steigerung der Produktivitätsbemühungen am Bau weiter zunehmen, Themen wie Vorfertigung und Erhöhung der Baugeschwindigkeit werden uns weiter begleiten. Hier gilt es, entsprechende Produkte und Dienstleistungen anzubieten“, unterstreicht Ringer-Eigentümer Ringer. Peri-Österreich-Chef Radel betont die Investitionen, die man bereits in den vergangen Jahren in die Automatisierung und Verbesserung der Prozesse getätigt hat.
Vor allem dem Thema Nachhaltigkeit räumen alle Anbieter große Bedeutung ein. „Nachhaltigkeit wird immer wichtiger und durch entsprechende Richtlinien und Vorgaben auch immer mehr zur Herausforderung für die Unternehmen“, erklärt Eigentümer Ringer. Peri Österreich hat in den vergangenen Jahren hohe Beträge investiert, um die Produktivität zu verbessern und zugleich die Umweltbelastungen in der Produktion zu reduzieren.
So hat das Unternehmen im Schalungswerk Weißenhorn 60 Millionen Euro für eine neue, hochautomatisierte Rahmenfertigungslinie und eine neue Anlage zur Oberflächenbeschichtung investiert. Die beiden Linien reduzieren laut Peri Österreich-Chef Radel den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung im Vergleich zur heutigen Pulverbeschichtung/Verzinkung-Technologie deutlich. „Wir machen einen großen Schritt.“
Bei Doka hat man sich in ein ambitioniertes Ziel zur Reduktion des CO2-Footprints gesetzt: Net Zero bis 2040. An der Umsetzung arbeitet das Unternehmen intensiv. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen, um die Langlebigkeit der Produkte zu erhöhen und die Erforschung neuer Betonmischungen, die weniger CO2 produzieren.
Aus Sicht von Österreich-Geschäftsführer Zulehner kommt zudem dem Stichwort „Transparenz“ eine entscheidende Bedeutung zu. Er verweist auf Projekte in Skandinavien, wo man etwas weiter sei als bei uns in Österreich. „Die öffentliche Hand stellt den Auftragnehmern immer öfter CO2-Kontingente zur Verfügung“, schildert Zulehner. „Es heißt dann zu Beispiel: Für die Errichtung dieses Bauwerks steht ein gewisses CO2-Kontingent zur Verfügung, dass du dafür verbrauchen darfst.“
Um Anforderungen wie diese erfüllen zu können, so Zulehner weiter, „muss das Bauunternehmen natürlich einen klaren Überblick haben: Welche Maßnahme und welches Produkt verursachen welchen CO2-Verbrauch“. Doka hat daher für „alle unseren 6.000 Produkte den Carbon-Footprint errechnet“. Das Ziel: „Wir wollen diese Transparenz auch unseren Kunden ermöglich. Jeder Lieferschein, den sie von uns erhalten, soll in Zukunft einen klaren Ausweis enthalten: Diese Lieferung entspricht folgendem CO2-Verbrauch.“